Graupa/Richard-Wagner-Stätten: RICHARD WAGNER UND MEHR – WANDELKONZERT MIT MUSIK AM DRESDNER HOF – 14.07.2024
Foto: Marion Kretschmar
Fast ein Drittel seines Lebens verbrachte Richard Wagner in Dresden und die Sommermonate in dieser Zeit in dem damals ländlichen Ort Graupa, von wo aus er Wanderungen in den romantischen Liebethaler Grund unternahm, wo jetzt noch ein monumentales Denkmal an ihn erinnert. Das Haus („Schäfer-Gut“), wo er logierte und das renovierte Jagdschloss wurden zu den umfangreichen Richard-Wagner-Stätten ausgebaut, wo sich alles um Richard Wagner dreht, aber nicht nur.
Neben der umfangreichen, sehr instruktiven Dauerausstellung erinnert gegenwärtig die Sonderausstellung „Auf die Barrikade!“ anlässlich des 175. Jubiläums des Dresdner Maiaufstandes von 1849 an Richard Wagners Beteiligung und Michail Bakunin, den „Berufsrevolutionär“ – mit einem Fenster in die Gegenwart. Beide nahmen am Aufstand teil mit der Idee, dass etwas Neues entstehen und das Alte dafür zerstört werden müsste. Wagner nannte es die „neue wahre Kunst“. Auf den Barrikaden hat er nicht gekämpft. Er war Beobachter auf dem Turm der Kreuzkirche, fern der Straßenkämpfe, aber nicht ganz ungefährlich. Vor allem erarbeitete er einen Plan für die Erneuerung des Spielplanes und der Spielzeiten der Oper und die zukünftige personelle Neustrukturierung – mit ihm an der Spitze! Das brachte ihm Feinde ein, die schließlich dafür sorgten, dass er steckbrieflich gesucht wurde. Er floh – bis nach Zürich.
An seine Frau Minna schrieb er: „Die Dresdner Revolution und ihr ganzer Erfolg hat mich belehrt, dass ich keineswegs ein eigentlicher Revolutionär bin; ich habe gerade an dem schlimmen Ausgang der Erhebung gesehen, dass ein wirklich siegreicher Revolutionär gänzlich ohne alle Rücksicht verfahren muss. Aber nicht Menschen unserer Art sind zu dieser fürchterlichen Aufgabe bestimmt: wir sind nur Revolutionäre, um auf einem frischen Boden aufbauen zu können; nicht das Zerstören reizt uns, sondern das Neugestalten. So scheide ich mich von der Revolution.“
Der sächsische König muss es ähnlich gesehen haben, denn er stellte den Musiker über den Revolutionär. Seine Amnestie ermöglichte es Wagner, 1862, 1871, 1873 und 1881 als Gast nach Dresden zurückzukehren und Aufführungen seiner Werke mit seiner ehemaligen Hofkapelle zu erleben.
Am sächsischen Hof wurde Musik, Kunst und Literatur nicht nur oberflächlich, wie in solchen Kreisen allgemein üblich, sondern weit intensiver gepflegt. Die aus Bayern gebürtige Kurfürstin Maria Antonia Walpurgis Symphorosa (1724-1780) betätigte sich als Komponistin, Opernsängerin (Sopran), Malerin, Dichterin und Kunstmäzenin, unter anderem für den Komponisten Johann Gottlieb Naumann und den Maler Anton Raphael Mengs. Sie schrieb beachtliche Opern, von denen eine einmal zu den Dresdner Musikfestspielen (konzertant) aufgeführt wurde, Libretti für Oper und Oratorium unter anderem für Johann Adolf Hasse, und verfasste Lustspiele, die unter Pseudonym in ganz Deutschland aufgeführt wurden.
Ihre Enkeltochter tat es ihr gleich, auch von ihr wurde einmal eine Oper während der Musikfestspiele (konzertant) aufgeführt, die seinerzeit von Carl Maria von Weber sehr gelobt wurde und auch beim heutigen Publikum viel Zustimmung fand. König Johann von Sachsen war anerkannter Literat und Kunstwissenschaftler. Seine Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“ unter dem Pseudonym „Philalethes“ („Freund der Wahrheit“) gilt auch jetzt noch als authentisch. Die Schwester des letzten Sachsen-Königs, Mathilde, war eine begnadete Malerin usw.
Zum 300. Geburtstag von Maria Antonia Walpurgis wurde in einem Wandelkonzert, teils im Konzertsaal des Schlosses, teils auf der Terrasse mit den großen, uralten Kugelbäumen und Rhododendronbüschen, umgeben vom „Schwanenteich“ mit lebendem Schwan – wie aus „Lohengrin“ – aus ihrer umfangreichem Notensammlung, die noch heute vom Reichtum der Musik am Dresdner Hof zeugt, musiziert.
Das Quintett „Fürstenmusik“ um Anne Schumann, eine hervorragende Barock-Geigerin, die sich mit großem Können der Musik der Barockzeit widmet, nicht nur „historisch informiert“, sondern auch mit Herz und Seele, musizierte mit den Herren Caspar Erler, Violine, Klaus Voigt, Viola und Frank Pschichholz, Theorbe und Barock-Gitarre (originalgetreue Nachbauten) im Barock-Outfit und nicht nur mit theoretischen Kenntnissen, sondern wirklich „original“, das heißt, sie vertieften sich auch mit musikalischem Empfinden in die Welt dieser Epoche.
Es erklangen ausschließlich Kompositionen von Komponisten des 18. Jahrhunderts, Sonaten für Violine und Basso continuo (B.c.) von Joseph Paur, Geiger der Königlichen Hofkapelle, und dem böhmischen Geigenvirtuosen Wenzeslaus Wodizcka sowie für zwei Violinen und B.c. von Maria Antonia Walpurgis’ Geigenlehrer Gaetano Furloni, Giovanni Batista Lampugnani und Maxiilian III. Joseph, Elettore di Baviera, ein innig musiziertes Duo für 2 Violinen von Johann Gottlieb Naumann sowie 3 instrumental begleitete Arien von Maria Antonia Walpurgis, Giovanni Batista Ferrandini und Pietro Bizzarri, gesungen von der Sopranistin Maria Skiba.
Ausführenden und Publikum machte es gleichermaßen Spaß und Freude, diese kleinen musikalischen Schätze „zu heben“ und Unbekanntes zu entdecken. Auch Wagner hat sich während des Kompositionsunterrichts beim Thomaskantor Christian Theodor Weinlig mit Kompositionen aus dieser Zeit beschäftigt.
Ingrid Gerk