1.08.2023: „Oper Burg Gars“ : „AIDA“
Nachdem es den ganzen Tag geregnet hatte, öffnete sich um halb Acht Uhr ein Wolkenloch und die Abendsonne beleuchtete die Burgruine geradezu mystisch. Im späteren Verlauf des Abends schien der Vollmond über dem Kamptal und eine der romantischesten Schauplätze, wo in unserem Land Oper gespielt wird – einfach wunderbar und sehenswert.
Leider konnte man das vom Gebotenen nicht behaupten: es war weder romantisch noch sehenswert! Die Alarmglocken hätten schon schrillen müssen, als (Noch-) Intendant Johannes Wildner etwas von „Zumüllen der Bögen“ auf der Bühne als „Ausdrucksmittel des Regisseurs“ erklären wollte, und sehr selbstgefällig sich als 10 jährigen Intendanten präsentierte, der das Festival aus Niederungen zu lichten Höhen geführt hätte. Nun davon war absolut nichts zu bemerken, und der Vergleich zu einer „Aida“ vor ein paar Jahren auf der halbwegs vergleichbaren Burgruine Reinsberg im Alpenvorland fiel haushoch für die Mostviertler Aufführung aus, die pikanterweise Wildners Vorgänger, der Begründer des ehemaligen „OpernAir Gars“ Festivals , Karel Drgac zu verantworten hatte.
Was war passiert? Wildners Dirigat, nicht unbedingt ein „großer Wurf“ was Dynamik und Akzentuieringen betrifft, war aber sicher, zweckmäßig und er hielt den Apparat gut zusammen, ließ sich auch durch teilweise fürchterlich schleppende Solistinnen (ja, sind nur Frauen gemeint! ) nicht aus der Ruhe bringen und hatte seine Scharen im Griff, auch wenn sie im ganzen Zuschauerraum verstreut waren. Er darf auf diesem Sektor zu den Pluspunkten des Abends gezählt werden, ebenso sein Orchester, das sehr zufriedenstellende Verdi-Klänge vernehmen ließ! Ganz im Gegensatz zum Chor, der völlig überfordert war und dementsprechend unharmonisch klang: manche Damen versuchten offenbar solistisch auffallen zu müssen, und brüllten was das Zeug hielt, die für „Aida“ sehr (zu!!) wenigen Herren taten einem direkt leid. Noch mehr allerdings bedauerte man sie in welch üblen Fetzen die Armen auftreten mussten. Sparsam ist ja gut, (die Damen, die in der Ankleidungsszene der Amneris beschäftigt waren, kamen als äthiopische Gefangene in denselben Gwandeln raus, bloß waren Ihnen mit einem weißen Klebeband die Augen verpickt!) aber derartig grausige Dinge – es war abenteuerlich. In der Tempelszene hatten die Priester kukluxklan ähnliche orange Spitzhüte (aus Papier? sah fast so aus..) auf, aber wie: manche hinten, der andere wieder fast über die Augen rutschend, jede(r) anders, es war wie bei einer Faschingssitzung. Auch die Solisten waren unglücklich gekleidet, am ärgsten traf es die Aida, die in einem undefinierbaren, leicht violett gefärbtem Kleid(?) herumhüpfen musste, und der die Haare zu Berge standen, wie bei einem schwarzen Pumuckl. Auch der König war besonders betroffen, aber jedes Wort ist zuviel der Ehre für Elisabeth Ahsef, der ich die „Höchststrafe“ vergönnen würde: jeden Tag ein anderes ihrer „Kostüme“ tragen zu müssen, im Durchlauf, zumindest zehnmal hintereinander! Welch haarsträubenden Unsinn Regisseur Philipp Harnoncourt in diesem Abiente ( auf der Bühne war Sand, sonst nix, das hätte auch gar nicht gestört ) den Solisten und Chor abverlangte war eindeutig zu viel. Er machte sich über Ghislanzoni und Verdi offenbar lustig, ein großes Werk wird wieder einmal „verzwergt“. Am Anfang spielen drei Kinder im Sand, nachdem sich Aida und Radames und auch Amneris am Schluß in der „tomba“ , die es nicht gibt , auf ähnliche Plätze begeben, dürfte der Herr Spielleiter offenbar meinen, daß die drei Protagonisten schon in der Sandkiste zusammen gespielt haben. Anstatt den König zu einem grenzdebilen Kasperl zu degradieren, und Radames zu „Späßen“ zu zwingen, hätte er sich lieber um die Personenführung speziell der Damen kümmern sollen: so eine fad herumschleichende Amneris (erinnerte eher an Pamina oder Figaro-Gräfin, zuviel der „Contenance!) hab ich noch nie erlebt, Aida erinnerte eher an Adele, die versucht Madame Butterfly ( während „Ritorna vincitor“ kam ein kleines Mädchen zu ihr auf die Bühne – das vorher im Sand spielte und offenbar die kleine Aida sein sollte) oder Aida zu spielen. Selbstverständlich musste der Chor einige Male dümmlich lachen, im Triumphakt herumhupfen, etc.. Schwamm drüber. Der zweite Teil (ab dem Nilakt – da war die Idee den Graben vor der Bühne als Nil zu benutzen ausgezeichnet, und die einfache grüne Beleuchtung der Burgmauer brachte für einige Momente auch sogar etwas wie Stimmung) war dann kaum „bespaßt“ und wirkte etwas besser. Und dafür, daß der Intendant so eine Werkverstümmelung zuließ, dafür gebührte im die „rote Karte“: aber wie erwähnt, es war ohnedies seine letzte Produktion und man kann nur hoffen, daß Clemens Unterreiner solch Schmarren künftig nicht zulässt!
Bei den Solisten ragte einer hoch über alle hinaus: Neven Crnic sang einen wunderbaren Amonasro! Sein voluminöser ( doch eher noch Kavaliers- ) Bariton ist technisch ausgezeichnet geführt, und hatte als Einziger ein perfektes „Verdi-Legato“. Er setzte mit Stil und Musikalität seine Höhepunkte – ein machtvolles „Dei Faraoni tu sei la schiava“ – und ein belkanteskes „ Pensa che un popolo..“, war auch szenisch – der Rolle gemäß – präsent. Bravo! Ein weiterer Sänger muß gleich dahinter genannt werden: Oscar Marin als Radames, der mit Totaleinsatz seines durchschlagkräftigen Tenors gefallen konnte , seinem durch viele Schlachten schon gegangenen, heldischen Material auch lyrische Passagen abringen konnte. Für sein teilweise Bajazzo-artiges Gebären war er ja nicht verantwortlich. Stephano Parks Ramfis konnte zumindest in der Tiefe mit Wohlklang aufwarten, ab der oberen Mittellage wird’s hörbar enger, Krzystof Borysiewicz als König klang sicher aber doch ein wenig abgesungen. Li Keng in der Titelrolle war sehr bemüht, „hatte“ im Prinzip die Noten, konnte aber weder mit einem speziellen Timbre noch mit Bravour oder Interpretaion überzeugen. Im tiefen Register beeindruckend die Georgierin Nana Dzidziguri mit voluminösem Mezzo. Leider schleichen sich in der oberen Mittellage und Höhe zuviele unsaubere Töne ein, und ihre absolute „Nichtbühnenpräsenz“ (eigentlich ein schreckliches Wort) war dann mitverantwortlich, daß sich nach ihrer großen Szene „Anatema su voi! La vendetta del ciel scendera!“ kaum eine Hand regte. Allerdings wurde ihr da vom Regisseur übel mitgespielt: sie musste diese ganze „Top-Szene“ der Amneris irgendwo von hinter den Zuschauern auf der Tribüne singen, während mitten auf der Bühne Ramphis und die Priester Radames den Prozess machten. Undenkbar, daß eine der großen Interpretinnen der Amneris auf so einen „Einfall“ – gegen das Libretto! Denn da sind die Priester im Geschoß unterhalb der Bühne (Ghislanzoni schreibt dann : „ i sacerdoti che escono dal sotterraneo“) – eingestiegen wäre.. Nun ja, Bianca von Oppell würde ich dringend raten denLehrer zu wechseln, ein derartiges Mauscheln muß ausgemerzt werden, Benedikt Kobel war der – kräftige – Messagero; den der“Re“ doppelt ankündigte: „Il messagger s`avanzi!“ gesungen, und mit Nachdruck dann gesprochen: „Der Bote“ ! ???? Tolle Idee, nicht wahr?
Das Sommerfestivalpublikum war trotzdem zufrieden und klatschte brav für alle, beim Abstieg nahm einem wieder die schöne Natur gefangen, und man beschloß, nächtes Jahr wieder nach Gars zu kommen…
Michael Tanzler