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GARS/Kamp/NÖ: TOSCA – vor beeindruckend schöner Naturkulisse

Tosca und der liebe Fußball

27.07.2018 | Oper


Intendant Johannes Wildner am Dirigentenpult. Copyright: Reinhard Podolsky

BURG GARS: TOSCA von Giacomo Puccini am 26.7.2019

Von Manfred A. Schmid

Tosca und der liebe Fußball

Wie man mit beschränkten räumlichen Möglichkeiten – allerdings in einer berückend schönen Naturkulisse – und, ausgestattet mit wohl eher kargen finanziellen Mitteln, dennoch Großartiges zustande bringen kann, wird einem begeisterungsfähigen, treuen Publikum seit Jahren von der Oper Burg Gars vor Augen (und Ohren) geführt. Seit 2014 ist dort Johannes Wildner als Intendant und musikalischer Leiter tätig. Man spürt in jeder Minute, wie er mit ansteckender Leidenschaft und großer Erfahrung seine Truppe inspiriert, motiviert und zu höchst respektablen Leistungen anspornt. Ein dynamisches Kraftzentrum mit schier unerschöpflicher Ausstrahlungskraft.

Wie bei Open Air Veranstaltungen gewohnt, bleibt stets die bange Wetterfrage aktuelles Thema. Sie ist – besonders im heurigen Sommer – ein bis zuletzt unkalkulierbares Risiko. Doch der Besucherandrang lässt sich dadurch offenbar nicht einschüchtern. Auch die fünfte Vorstellung der Neuproduktion von Puccinis „Tosca“ war sehr gut besucht.  Und man hatte vorgesorgt: Kaum hatte die Vorstellung begonnen, begann es zu tröpfeln und alsbald zu regen. Beim ersten Auftritt der eifersüchtigen Titelheldin, die ihren Geliebten in der Kirche Sant´Andrea della Valle aufsucht, wo er an der Fertigstellung eines Madonnenbildes arbeitet, wird ihr Gesang mehr vom Rascheln und Knistern der ausgepackten und übergestreiften Regenpelerinen begleitet als vom Orchester, das etwas (zu)  abgelegen von der Bühne agiert. Doch die Musiker (Klangvereinigung Wien/Orchester der Oper Burg Gars) haben ein Dach über ihren Köpfen und Instrumenten, und so wird, wie gewohnt, beherzt weitergespielt und gesungen: Nicht nur die Bregenzer Festspiele sind nahe am Wasser gebaut. Schwimmen gehört in Gars aber noch nicht zum Leistungsprofil des Ensembles. Und nach zwanzig Minuten klart es auch wieder auf.

Die Inszenierung in den Händen von Wolfgang Gratschmaier und Stephanie Schimmer sorgt für klare Abläufe, was auf einer so beengten Bühne angesichts des vielköpfigen, von Roger Diaz Cajamarca gut einstudierten Chores, der munter umher hüpfenden Kinderschar sowie der gar nicht so kleinen Komparserie nicht einfach ist. Das Regie-Duo setzt zudem einige überraschende Akzente, die dazu geeignet sind, auch erfahrene Tosca-Besucher aus der gewohnten Sehroutine zu lotsen. Ein Beispiel zur Illustration sollte genügen: Als der Fiesling Scarpia, der Mann, vor dem ganz Rom erzitterte, von Tosca erstochen auf dem Boden liegt, kommt sein Bediensteter Sciarrone (Ricardo Bojorquez) respektlos-lässig vorbei, durchwühlt seine Taschen, entnimmt ein paar Geldscheine und entfernt sich, nicht ohne seinen Herrn zum Abschied ins Gesicht zu spucken. Schlusspunkt in der Charakterisierung eines verhassten, verbrecherischen Mannes. Dieser wird von Michele Kalmandy intensiv verkörpert. Ein fescher, stattlicher Mann, der als Scarpia nicht nur abgrundtief böse ist, sondern auch eine virile Aura verströmt. Mit seinem profunden, markanten und ausgewogenen Bariton ist das Zentrum der Aufführung, auch wenn er in der Sopranistin Lada Kyssy als Tosca eine ebenbürtige Gegenspielerin hat, die von Anfang bis zum Ende mit ihrem stimmlichen Glanz der Partie einer akklamierten und viel bewunderten Diva Profil verleiht.


Oscar Marin (Cavaradossi), Michele Kalmandy (Scarpia), Benedikt Kobel (Spoletta), Lada Kysy (Tosca). Copyright: Reinhard Podolsky

Nicht ganz so überzeugend wirkt in dieser Dreiecksgeschichte zunächst der Cavaradossi von Oscar Marin. Eine Spinto-Tenor mit einer angenehm timbrierten, in der Höhe aber nicht sehr durchschlagskräftigen Stimme. Da er sich im dritten Akt beträchtlich steigern kann und den Publikumserwartungen gemäß die Sterne tatsächlich hell zum Leuchten bringt, liegt die Vermutung nahe, dass er seine Mittel zuvor ökonomisch klug eingesetzt hat, um am Schluss doch noch zu strahlen. Eine durchaus nachvollziehbare und legitime Vorgangsweise.

Der in Wien an der Staatsoper in eben dieser Rolle bewährte Benedikt Kobel gibt als Spoletta einen ebenso hartherzigen wie eilfertigen Erfüllungsgehilfen für Scarpias dunkle Machenschaften. Vasile Chisiu gelingt als Angelotti eine intensive, unter die Haut gehende Gestaltung dieser von Scarpia verfolgten und von Schergen gehetzten, bemitleidenswerten Figur. In manchen Inszenierungen eher eine episodische Randfigur, wird er hier zu einer Person, die man nicht vergisst und dessen tragisches Schicksal man weiterverfolgt, auch wenn er nach dem ersten Akt nicht mehr persönlich in Erscheinung tritt: Ein nachhaltiger Auftritt. Respekt.

Eine skurrile Zeichnung der Figur des Mesners, der mit seiner zur Schau gestellten Spaßhaftigkeit seinen sinistren Charakter zu übertünchen versucht, liefert Marcus Pelz ab. Er erinnert in dieser Partie an den unvergessenen Alfred Sramek, der an der Wiener Staatsoper über Jahre hinweg einen ebenso unvergessenen Sagrestano verkörpert hat. Eine lobende Erwähnung verdient der Kinderchor, der als übermütige Ministrantenschar einmal sogar einen Fußball durch die Luft wirbeln lässt: Da standen die Regisseure bei ihrer Planung wohl unter dem Eindruck der bevorstehenden Fußball-WM. Diesmal aber gab es weder eine Verlängerung noch ein Elferschießen. Das Resultat war auch so mehr als eindeutig: 1:0 für die Oper Burg Gars! Spielanpfiff gibt es wieder am 28 Juli sowie am 2. und 4. August.

Manfred A. Schmid

 

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