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GARS AM KAMP / Burg: Wienerisches mit Stephan Paryla und Benno Schollum

Klassiker des Wienerlieds und Texte zum goldenen Wienerherz

18.07.2020 | Konzert/Liederabende


Benno Schollum, Stephan Paryla. Foto: Manfred A. Schmid

GARS AM KAMP / Burg: Wienerisches mit Stephan Paryla und Benno Schollum 17. Juli 2020

Klassiker des Wienerlieds und Texte zum goldenen Wienerherz

Von Manfred A. Schmid

Auch in Gars gibt es heuer coronabedingt leider keine Oper – Bizets Carmen wird erst im nächsten Jahr in der Burgruine „opernairhaft“ zu sehen und zu hören sein. Unter dem Namen KlangBurg GARS wird stattdessen, wie im Übrigen an vielen anderen Festspielorten österreichweit, ein vielfältiges musikalisch-literarisches Sommerprogramm geboten. Mit Liederabenden, Lesungen und Kammermusik, nicht im Freien, sondern in einem überdachten, nicht allzu großen Saal. Intendant Johannes Wildner war es, wie er in der Programmankündigung sagte, „sehr wichtig, ein Programm zu schaffen, das in jeder Faser von der Liebe zu unserer Burg, der Liebe zur Kultur und nicht zuletzt der Liebe zum Leben inspiriert ist. Die KlangBurg GARS ist dementsprechend eine kollektive Solidaritätserklärung von Freunden der Garser Burg, die zeigen wollen, dass Resignation keine Option ist.“ Klingt vielleicht etwas trotzig, ist aber dennoch allemal besser als totale Kapitulation vor dem lästigen Virus.

Ein treues, wetterbedingt nicht allzu zahlreiches Publikum hat der Einladung Folge geleistet und sich am Schauplatz eingefunden. Wie schon tags zuvor im L.E.O. in Wien, steht auch dieser gut zweistündige Abend erneut im Zeichen des schier unauslotbaren Wienerliedes. – Das passt gar nicht so schlecht ins Waldviertel, kommen doch wichtige Begründer der Wiener Volksmusik ausgerechnet aus einem entlegenen Eck dieser herrlichen Region, nämlich aus Litschau. Die im ausgehenden 19. Jahrhundert entstandene Schrammelmusik, die als Grundlage der populären Wiener Musik gelten darf, ist ihrer Entstehung nach nämlich alles andere als eine urwienerische Erfindung, sondern wurde von den Waldviertler Musikern, Geigern und Komponisten Johann und Josef Schrammel aus dem ländlichen Raum des Waldviertels nach Wien gebracht. Aus ihren Liedern und Märschen, Tänzen und Walzern, die sie in Gaststätten und Heurigen darboten, entstand in weiterer Folge auch das Wienerlied, indem die Stadtbewohner in die ländliche Volksmusik den pfiffigen Wiener Schmäh einbrachten, oder, wie es Stephan Paryla, einer der drei Mitwirkenden beim Garser Konzertabend, ausdrückte: zur vielbesungenen Liebe kam dann noch die Raunzerei dazu.


Albert Sassmann, Benno Schollum, Stephan Paryla. Foto: Oper Gars

„Pfiffig“ ist überhaupt ein guter Oberbegriff für den vom Schauspieler und Sänger Stephan Paryla und dem Bariton Benno Schollum gestalteten und von Albert Sassmann am Klavier begleiteten „heiteren und tiefsinnigen Abend“, der unter dem Motto Titel „Des Wieners Lied – … Des Wieners Leid?“ steht. Pfiffig heißt nämlich so viel wie blitzgescheit, findig, geistreich, mit Witz, originell, witzig, vigilant, clever, schlau. Und davon geprägt sind sowohl die ausgewählten Lieder wie auch die mit Augenzwinkern verfassten und mit ebensolchem Augenzwinkern vorgetragenen Texte, u.a. von Franz Grünbaum, Josef Weinheber („Der Phäake“), Roda Roda („Das goldene Wienerherz“) und Anton Kuh („Das Marinearchiv“ u.v.m.). Außerdem wird, wie sich für das mehrere Wienerlied gehört, an diesem Abend auch tatsächlich gepfiffen – einmal geradezu kunstpfeiferisch im Duett beim Wienerlied „Es wird a Wein sein“, dann aber auch, und das mit zwei Fingern im Mund und solistisch ausgeführt, beim legendären „Fiakerlied“ von Gustav Pick. Der dritte Pfiff scheint nicht ganz so gelungen herauszukommen, was Paryla entschuldigend-pfiffig dem gebotenen Respekt vor der angesprochenen Thematik in dieser Strophe zuschreibt. Sie handelt nämlich – auch das gehört unabdingbar zum Wienerlied dazu – vom Tod. Und darum geht es nicht zuletzt auch in Ferdinand Raimunds „Hobellied“, von Benno Schollum berührend schlicht vorgetragen, in „Erst wenn’s aus wird sein“ wie auch in „Es wird a Wein sein“. Dass Paryla dazu auch literarisch mit Otto Friedländers „Der Tod in Wien“ die entsprechende Ergänzung findet, versteht sich von selbst.

Ganz Österreich umspannend ist das vom oben bereits genannten Johann Schrammel verfasste Wienerlied mit dem Refrain „Wer no in Wien net war / und Linz nicht kennt / wer net in Graz drin schon spazier’n is g’rennt, /wer Salzburg net hat g’sehn, das Paradies, / hat kein Begriff davon, / was Öst’reich is.“ Benno Schollum und Stephan Paryla bringen dazu noch eine weitere Strophe, in der Waldviertler Orte, darunter natürlich auch Gars am Kamp, angeführt werden. Quasi als Uraufführung und Verneigung vor dem Veranstaltungsort.

Das Publikum fühlt sich sichtlich wohl und gut unterhalten. Natürlich gibt es schärfere, kritischere Texte zur Verfasstheit des vielzitierten Wienerherzens. Auch angriffslustigere Wienerlieder, vor allem aus neuerer Zeit. Das Programm an diesem Abend stützt sich vor allem auf Klassiker des Genres und wirkt so vielleicht eine Spur zu harmlos und zu harmoniebedürftig. Im Titel ist der Zusatz zu „Des Wieners Lied“, nämlich die Ergänzung „…Des Wieners Leid“ mit einem Fragezeichen versehen: „Des Wieners Leid?“ Dieses komplexe Fragezeichen bleibt an diesem Abend unaufgelöst.

Manfred A. Schmid

 

 

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