DIRIGENTEN IM GESPRÄCH – GABRIEL FELTZ
Am 19. Mai 2019 gastierten die Stuttgarter Philharmoniker unter Leitung ihres ehemaligen Chef-Dirigenten Gabriel Feltz in der Stadthalle Aschaffenburg. Gut 90 Minuten vor Konzertbeginn gewährte der passionierte Dirigent unserem Mitarbeiter Dirk Schaußß tiefe Einblicke in sein künstlerisches Agieren und seine Überzeugungen.
Foto: Marcel Schaar
Dirk Schauß:
Herr Feltz, Sie haben zur Zeit zwei Chefpositionen. Eine im Opernhaus Dortmund, da sind sie jetzt auch vorzeitig verlängert worden, und in Belgrad mit den Belgrader Philharmonikern.
Mich würde zunächst mal interessieren: Wie bringen sie das alles unter einen Hut? Das sind ja an zwei sehr unterschiedlichen Standorten zwei sehr unterschiedliche Kollektive mit unterschiedlichen Ansprüchen. Wie schaffen sie das?
Gabriel Feltz:
Na ja, das ist natürlich eine gute Frage und die Antwort ist auch nicht leicht. Also, die Antwort liegt eigentlich schon in einem, ja fast täglichem Ringen um die Bewältigung der Aufgaben.
Dortmund bedeutet mir sehr viel. Das ist die sechste Saison und man hat mich vorzeitig verlängert, wie sie gerade gesagt haben, auch wenn das schon länger zurückliegt. Es war eigentlich 2016; da ging die Initiative schon los. Hmm, also das fühlt sich sehr gut an und normalerweise war ich der Meinung, eine Chefposition reicht. Das kann ich schon mal wirklich so sagen. Das war auch viele Jahre so gültig. Es gab in meinem Leben nur ein Übergangsjahr zwischen Altenburg/Gera und Stuttgart. Das war dem geschuldet, dass ich nicht sofort in Altenburg/Gera alles hinschmeißen wollte; auch aus tiefer Dankbarkeit dem Orchester gegenüber. Und dieses Übergangsjahr war sicherlich schwierig aber es war sicher hoffentlich besser als ohne. Und dann in der Zeit von Stuttgart war ich ja nur in Anführungszeichen erster Gastdirigent in Basel und damit auch viel fürs Sinfonieorchester Basel , ohne Chef-Verantwortung, ohne Chef-Kompetenz. Als dann Dortmund sich für mich entschied, habe ich ja dann beide Stellen aufgegeben. Also Stuttgart und Basel und war dann fast vier Jahre wirklich nur in Dortmund Chef. Und das was ich gerade sagte, dass ich eigentlich nur eine Chefposition haben wollte, hat sich auch aufgeweicht, insofern als dass dieses Kollektiv in Belgrad mir sehr am Herzen liegt. Also, ich habe erst mal A‘ damit gar nicht gerechnet, dass die sich jemals für mich entscheiden würden. B‘ wurde ich erst sehr spät informiert, dass es überhaupt eine Chefwahl gibt und dass ich da überhaupt drin bin. Ich habe auch gar nichts von meiner Seite aus getan, um das irgendwie zu lancieren. Ich kenne das Orchester auch jetzt schon zehn Jahre und dirigiere es auch schon zehn Jahre. Das ist natürlich lang. Und ich finde, dass es ein großartiges Kollektiv ist. Tolle Persönlichkeiten, tolle Musiker. So dass ich mir gesagt habe: also, das wäre irgendwo eine verpasste Chance und ich will das riskieren. Jetzt arbeite ich sehr viel, aber ich habe trotzdem das Gefühl bis jetzt. Gott sei dank, dass ich das schon balancieren kann, beiden Orchestern zur Verfügung stehe, auch in sehr umfangreichen Perioden.
Schauß:
Jetzt sind sie in Belgrad schon einige Zeit und auch das große Jubiläum dort wirft sicherlich seine Schatten bereits voraus, denn das Orchester wird ja bald 100 Jahre alt. Sicherlich denken Sie auch in großen Dimensionen, was Pläne und Repertoire-Erweiterung angeht. Ich kann mir vorstellen, an dem Standort gibt es vielleicht auch noch verschiedene Aspekte, was die Repertoire-Wahl angeht, wo Sie sagen: Das wäre vielleicht mal spannend, mit dem Orchester zu entwickeln.
Haben Sie da besondere Schwerpunkte?
Feltz:
Ja, die haben sich relativ schnell herausgebildet. Ich weiß gar nicht genau, wann das Orchester genau 100 Jahre alt wird. Das müsste man nochmal genau recherchieren. (Schauß: im Jahr 2022). Na, sehen Sie. Da wissen Sie das besser als ich. Also, wir haben wirklich viel über Repertoire nachgedacht. Zudem haben wir natürlich dort eine umfangreiche Aktion eigentlich ständig vor Augen, das ein neuer Saal gebaut werden soll. Es ist in Belgrad ja die Koloraz-Hall, ein sehr alt-ehrwürdiger Saal mit dem Charme der 70ger Jahre mit ca. 900 Plätzen. Wirklich ein schöner Saal, der unheimlich Tradition hat. Zum Beispiel für ein Festival, das es immer im Herbst gibt, ein großes Festival, bei dem alle Größen dieser Welt gespielt haben, aber der Saal ist zu klein. Für große Mahlersinfonien ist er zu klein und es gibt jetzt wirklich viel Unterstützung, dass dort ein wirklich hochwertiger Saal gebaut wird. Das unterstützt natürlich unser Bestreben, uns als Orchester zu positionieren und dann mit dem Repertoire auch richtig in die Breite zu gehen. Im Moment sind die Kollegen auch im Orchester an mich heran getreten und haben gesagt: Wiener Klassik wäre so ein Ding, das man mehr arbeiten sollte. Also im Moment haben wir mehr Fokus darauf. Es folgt jetzt z.B. in zwei Wochen ein reines Mozart Programm und nächstes Jahr ist die ganze Saison wirklich Ludwig van Beethoven gewidmet. Da werden wir natürlich nicht das einzige Orchester sein beim 250ten Geburtstag. Aber wie wir es tun: Also wie viel wir von Beethoven spielen, in welchen Kombinationen, das ist auf jeden Fall einen Blick wert. Und das wird auf jeden Fall das Orchester sehr fördern, weil so viel deutsches klassisches Repertoire hat es in der Geschichte des Orchesters nicht gegeben. Das finde ich eigentlich auch ganz gut, weil wir natürlich sehr zusammen wachsen, zumal ich ja ein deutscher Dirigent bin und da macht es dann auch Sinn.
Schauß:
Sie sagen Beethovenjahr. Im Juni 2020 kommt in Dortmund ein gewaltige Herausforderung für Sie: Sie musizieren an einem Tag alle Beethoven Sinfonien mit den Dortmunder und den Belgrader Philharmonikern.
Feltz:
Und das machen wir in Belgrad auch! Da haben wir uns was Verrücktes vorgenommen!
Schauß:
Wie kriegen Sie das von Ihren Kräften hin?
Feltz:
Das weiß ich noch nicht. Man muss sich da konditionieren. Ich kenne die Symphonien sehr gut, es gab so viele Aufführungen für mich. Es sollte trotz aller Anstrengungen eine spielerische Komponente sein. Eine Beschäftigung mit Beethoven, die man offenlegt, gemeinsam mit zwei Orchestern, die man ständig betreut, die man viel dirigiert hat und mit denen man einzelnen viele Beethoven Symphonien aufgeführt hat. Das ist mein Hintergrund.
Allerdings ist der Hintergrund für den Beethoven-Marathon ein anderer, denn da sollte Beethoven im Mittelpunkt stehen und nicht ich. So hoffe ich es. Und auch, dass zwei Länder sich hier treffen, wo so viel über europäische Völkerverständigung gesprochen wird. Und wir Künstler zeigen, wie das geht. Dabei verneigen wir uns vor dem Universal-Genie Beethovens, der mich an Leonardo da Vinci denken lässt. In musikalisch, philosophischer Hinsicht ist er extrem freiheitsbewusst und kämpferisch. Für mich ist Beethoven einer der ganz Großen, im allumfassenden Sinne, nicht nur als Musiker und da muss man etwas Großes wagen. Es gibt nur einmal diesen 250. Geburtstag und das nächste große Jubiläum wäre dann zum 500. Geburtstag, aber da bin ich dann sicherlich nicht mehr dabei (lacht)….
Schauß:
Sie sind ein Vollblutmusiker und geben bei Ihren Dirigaten so viel Energie in ein Orchester.
Feltz:
Der Einsatz ist hoch. Ich sehe mich als Musiker so, dass ich dem Werk dienen möchte. DAS ist mein Credo. Schauen Sie, wir sehen diese hysterische Welt, die sich dramatisch verändert. Stichwort: Digitalisierung, soziale Medien. Wir nutzen das alle, haben dadurch aber veränderte Lebenshaltungen. Ich finde, als klassischer Musiker ist eines wichtig für mich: man widmet sich dem Werk, was eine lebenslange Auseinandersetzung ist. Wenn ich auf ein Werk, wie Dvoraks Cellokonzert blicke, dann sind allein das gut 30 Jahre Beschäftigung mit diesem Werk. Und als Musiker möchte ich erreichen, wenn wir dieses Stück in gut 90 Minuten spielen, dass die Leute, die das Stück vielleicht nicht kennen und da sitzen, sich sagen:“Mein Gott, ist das ein fantastisches Stück!“ Die können dann auch gerne sagen, dass es toll gespielt wurde, aber ich wünsche mir, dass der Komponist im Vordergrund steht. Wir sind ein Brennglas, wo der Strahl des Komponisten hindurch fließt und gebündelt wird für das Publikum. So verstehe ich meine Aufgabe.
Es gibt für mich zutiefst einen Grund, warum seit über 200 Jahren im Frack spielen und alle Versuche, das zu ändern, wirken als Marketingkampagne und bringen uns nicht den tieferen Sinn eines Werkes näher. Und das finde ich sehr wichtig. Ich setze mich so sehr für die Musik ein.
Und es gibt Werke, wie Tschaikowsky‘s 1812 oder die Leningrader von Schostakowitsch, die verlangen eine gewaltige Energie. Welche Auseinandersetzungen, welche komplexen Kollisionen finden da statt. Wie düster ist die Leningrader, wie lang, wie kräftezehrend? Da muss ich meinen Totaleinsatz geben! Eine Mozart Serenade würde ich sicherlich nicht mir einem solchen körperlichen Einsatz dirigieren, weil es sich stilistisch nicht anpasst. Mental bleibt es gleich, weil wir auch hier in Demut zum Schöpfer des Werkes stehen.
Uns Dirigenten wird man erneuern. Es gibt immer wieder neue Generationen von Dirigenten. Auch wir haben eine Generation von Dirigenten abgelöst und so wird es weitergehen.
Schauß:
Sie sprechen die Generationen an. Sind Sie an Vorbildern orientiert?
Feltz:
Ja und sehr altmodisch. Wir haben im Moment, viele sagen es, aber kaum öffentlich: wir haben einen Jugend-Wahn!
Ich fand es sehr honorig von Fabio Luisi, der das auch öffentlich beklagte. Wenn ich die letzten hundert Jahre betrachte, dann sehe ich, dass viele Kollegen zu großer Anerkennung und tiefem Ruhm gelangt sind, weil sie sich ihr Leben lang mit musikalischen Formen auseinandergesetzt haben, mit Interpretationsansätzen bis hin zur körperlichen Gebrechlichkeit. Und dann kamen die großen Ergebnisse. Das waren die Ikonen, die ich als Student hatte und die mich auch geprägt hatten. Jetzt wird uns angeboten, dass wir auf die jungen Kollegen schauen, die noch auf der Suche nach einer Interpretation sind. Das ist für mich nicht interessant.
Wenn ich mir etwas anhöre, dann sind es historische Aufnahmen von Dirigenten, die mich zutiefst geprägt haben: Furtwängler, teilweise auch Toscanini, zu dem ich ein schwieriges Verhältnis habe, Karajan spielt eine große Rolle, Bernstein, den ich persönlich sehr viel erlebt habe. Celibidache habe ich sehr viel erlebt, Abbado auch. Zubin Metha ist ein hervorragender Dirigent. Das sind alles Dirigenten, die ich bewundere.
Schauß:
Sie haben eine besondere Nähe zur russischen Musik. U.a. haben Sie alle Sinfonien von Rachmaninow mit den Dortmunder Philharmonikern aufgezeichnet. Woher kommt diese so besondere Affinität?
Feltz:
Das geht bis in meine Kindheit zurück. Mit sieben Jahren erlernte ich Klavier und spielte dann als Teenager selbst die ersten Klavierstücke von Rachmaninow und hatte immer ein instinktiv nahes Verhältnis zu seiner Musik. Sie ist sehr klar strukturiert, voller vitaler Kraft, sehr energetisch, auch extrem von Schönheit der Melodie geprägt.
In den letzten 15 Jahren hatte ich oft Gelegenheit, alle Sinfonien von Rachmaninow, auch international, aufzuführen. Über die Gesamteinspielung mit den Dortmunder Philharmonikern bin ich sehr glücklich, weil die Vorarbeit dazu überaus intensiv war. Und auch, weil sich das Orchester den Komponisten so sehr angenommen hat. Dieser Komponist bedeutet mir viel. Und ich bin jedes Jahr damit irgendwo beschäftigt.
Aber natürlich schätze ich genauso Tschaikowsky, Mussorgsky oder Schostakowitsch. Als Kind der ehemaligen DDR hatte ich auch einen russischen Einfluss. Als Kind besuchte ich bereits Moskau, in der Schule hatte ich noch Russisch als Schulfach. Ich bewundere sehr russische Künstler, wie den großen Geiger David Oistrach, den ich für den größten Geiger aller Zeiten halte und Svatoslav Richter, den ich für den größten Pianisten aller Zeiten halte. Beides sind Russen.
Schauß:
Und da gehört sicherlich auch der große russische Dirigent Evgenij Svetlanov dazu?
Feltz:
Ja, ja, obwohl der heute nicht mehr so bekannt ist, wie er es sein sollte. Von ihm habe ich noch eine alte LP vom staatlichen Rundfunk Melodia der damaligen UdSSR mit Tschaikowsky‘s Pathétique. Für mich eine der besten Aufnahmen, die von diesem Werk je gehört habe.
Schauß:
Sie haben ein großes Repertoire in Konzert und Oper. Wann kommt der „Ring“?
Feltz:
2021 geht es in Dortmund mit einer Neuproduktion los, die Peter Konwitschny inszenieren wird. Auch für ihn wird es sein erster „Ring“ sein. Er will mit der „Walküre“ starten und dann folgen die anderen Stücke in den Folge Spielzeiten. Ich freue mich sehr darauf. Ich kenne die Werke gut und habe vielfach Auszüge daraus dirigiert.
Schauß:
Was steht auf Ihrer symphonischen Wunschliste?
Feltz:
Ich bin sehr dankbar, dass ich bereits so vieles machen durfte. Wenn ich noch Einfluss auf Programm nehme, dann suche ich meistens Beziehungen herzustellen. Spezielle Wünsche habe ich nicht.
Schmidt 4. Symphonie oder sein „Buch mit sieben Siegeln“ wären sehr interessant. Auch moderne Stücke von Ligeti oder Lutoslawski schätze ich sehr, ebenso den hervorragenden Henri Dutilleux.
Schauß:
Nochmal zum „Ring“, da sind Sie auf der einen Seite, der dienende Musiker und auf der anderen Seite ein progressiver Regisseur, wie Konwitschny.
Feltz:
Ja, wird spannend, wie das zusammenkommt.
Schauß:
Wie stehen dazu, wenn eine Kombination, wie diese, sich reibt?
Feltz:
Ich sehe das erst mal positiv und vertrete die Auffassung, dass Auseinandersetzungen niemals eine persönliche Ebene betreten dürfen. Da habe ich gelernt, da habe ich auch meine Fehler gemacht. In jüngeren Jahren bin ich mit überschäumenden Temperament übers Ziel hinaus geschossen. Das muss ich offen eingestehen.
Aber ich habe gelernt im Lauf meiner Verantwortung als Chefdirigent, jeden Einzelnen immer mehr zu respektieren. Man kann klare Meinungen sagen und kann das deutlich abgrenzen in seiner Körpersprache, in der Wahl der Worte, des Tonfalls, dass man die Persönlichkeit, die dahinter steht achtet. Natürlich gibt es Momente, wo ich mit einer spielerischen Leistung nicht zufrieden oder unglücklich bin. Aber da muss ich davon ausgehen, dass das keine Absichtstat war, sondern ich muss dann Hilfestellungen anbieten. So was lernt man im Laufe von Jahren. Daher ist der Dirigent im ganz besonderen Sinne ein ewig Lernender. Das mag zwar für viele Berufen gelten, für den Dirigenten gilt dies immer! Es sind immer neue Musiker, eine neue Psychologie in der Begegnung, immer neue Arbeitsbedingungen. Mal habe ich viel Zeit, mal habe ich wenig Zeit. Das Orchester ist abgespielt, weil es zu viel davor gespielt hat oder es ist sehr frisch. Es kennt das Stück oder eben nicht. Oder das Orchester spielt von sich schon alles, wie ich es will. Auch dann muss ich überlegen, welche Impulse ich gebe. Sie sehen, es gibt unendliche Kombinationsmöglichkeiten. Wir müssen lernen, es ist immer ein Miteinander. Und ich finde es sehr gut, dass es heute auch so gesehen wird.
Früher gab es noch die autokratischen Pultstars, die schon auch, z.B. Celibidache oder Böhm, Musiker bevormundet oder beleidigt haben. Das ist keine Lösung.
Und auch gegenüber dem Sänger ist es ganz schwierig. Der Dirigent sollte dem Sänger gegenüber immer offen bleiben, immer eine Hilfestellung leisten. Der Sänger ist der Sensitivste von uns allen. Sein Material ist extrem anfällig. Und wenn ich da als Dirigent aus einer Konfliktsituation einen Druck aufbauen würde, wäre es schwierig. Besser ist es, mit Ruhe dem Sänger, z.B. im Tempo entgegenzukommen, wenn er dadurch seine Leistung optimaler zur Geltung kommt. Das ist für mich die klügere Haltung. Da bricht man sich keinen Zacken heraus.
Und außerdem erscheint es mir wichtig, auch Fehler zuzugeben. Es gibt im Laufe der Jahre als Chefdirigent todsicher Momente, wo Sie sich in einer Entscheidung vergaloppiert haben. Dann müssen Sie dazu stehen. Es ist nichts, vor das Orchester zu treten und zu sagen:“Entschuldigung, ich habe einen Fehler gemacht!“ Das ist viel besser, als herum zu lancieren, nur um das Gesicht nicht zu verlieren. Das finde ich nicht gut.
Ich verbiege mich nicht und möchte authentisch sein. Die Musiker müssen sehen und spüren, dass wir alle im gleichen Boot unterwegs sind. Und ich finde es besser dem Orchester zu zeigen, wenn es mal knirscht, z.B. wenn die Probenzeit zu knapp ist, der Raum nervt oder es gibt keinen Platz usw. Dann spreche ich das an und motiviere meine Musiker, dass wir uns alle in den Dienst der gemeinsamen Sache stellen. Und in der Regel besitzen alle Musiker so viel Berufsethos, dass sie sich davon auch überzeugen lassen. Außerdem können Sie es als Dirigent nie allen recht machen. Nie werden Sie alle lieben. Das sind alles Wunschvorstellungen, von denen man sich nie abhängig machen darf.
Schauß:
Wann ist für Sie ein besonderer musikalischer Moment, ein „magischer“ Moment?
Feltz:
Große Spontanität auf der Bühne! Wenn sehr genau probiert wurde, wenn alles durchdrungen wurde, wenn alles fließt und dann kommt eine Komponente extra dazu, wenn das Orchester aus eigener Energie etwas einspeist, spontane Ideen und Klangfarben einbringt, das finde ich, ist eine sehr schöne Situation. Dann kommt es zu einer vertrauensvollen Weise des Musizierens. Das ist dann ein sehr großer Moment.
Das Herz darf nicht unter Verschluss bleiben. Als Musiker muss man zeigen, mit welcher Hingabe man sich der Komposition widmet. Das soll das Publikum spüren!
Schauß:
Vielen Dank für das Gespräch!