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FÜSSEN/ Musikfestpiele Königswinkel: „KATERYNA TITOVA-KYIV SYMPHONY ORCHESTRA- OKSANA LYNIV”

02.10.2021 | Konzert/Liederabende

Füssen: „KATERYNA TITOVA-KYIV SYMPHONY ORCHESTRA- OKSANA LYNIV”  – 01.10.2021

 Musik Festspiele 2021 Königswinkel

Die Musik Festspiele Königswinkel fielen im vergangenen Jahr der Pandemie zum Opfer und wurden heuer nach den systematischen Corona-Lockerungen nun erfolgreich nachgeholt.

Auf dem Programm standen ein Symphonie-Konzert, zweimal „Tristan und Isolde“ ( Bericht Dr. Sieglinde Pfabigan) sowie ein Liederabend. Gewidmet war das Festival um Richard Wagner dessen Schwiegervater sowie Verehrer bzw. Komponisten-Freunde.

Als Gast-Orchester fungierte das Kyiv Symphony Orchestra einem Klangkörper ungewöhnlich qualitativen Formats, bestehend aus sehr engagierten und auffallend sehr jungen Musiker-innen. Aus der Vita entnahm ich, dass man zwar historischen Werken verpflichtet, jedoch auch frisch und ehrgeizig sich neuen Interpretationen erschließt und durch mehrwöchige Proben hervorragende Qualitäten ermöglicht. Namhafte Dirigenten geben sich bei dem ukrainischen Orchester die Klinke und heute war die bereits international renommierte Dirigentin Oksana Lyniv zu Gast.

Mit einem wahren Paukenschlag wurde der Konzertabend eröffnet und zwar der Tondichtung „Mazeppa“ von Franz Liszt. Angeregt durch Victor Hugos Gedicht hatte der Komponist mehrere Jahre vor der symphonischen Dichtung eine Klavier-Etude „Mazeppa“ geschrieben und bildete 1851 den Keim des Orchesterwerkes, welches sodann 1854 erstmals aufgeführt wurde. Der Heerführer wurde von Feinden besiegt, auf ein Pferd gebunden in die Steppe gejagt, kurz vor seinem Tod wurde er von Kosaken befreit, machen ihn zu ihrem Führer und Mazeppa schreitet zur Rache.

Gleich einem Peitschenhieb setzte das Orchester ein, malt instrumentale Augenblicke wie Verzweiflung-Fieberträume-Rettung in donnernden Triolen, aufschreckenden Akkorden, schmetternden Posaunen, schrillen Trillern und heftigen instrumentalen Anläufen. Oksana Lyniv führte den bravourös aufspielenden Klangkörper über die musikalischen Klippen des Werkes. Düster erhoben die fulminant disponierten Blechfraktionen die kriegerischen Themen. Eindrucksvoll erklang im Andante die Öde der Steppe zu gemäßigtem Streicher-Sphären um sodann in sieghaften Fanfaren den triumphalen Ausklang zu krönen.

Ein Wagner-Verehrer Sergej Rachmaninow bildete den zweiten Programmpart. Die ursprüngliche Interpretin Margarita Organesjan verletzte sich zwei Tage zuvor bei einem Sturz, man war in glücklichen Lage die Pianistin Kateryna Titova zur Hand zu haben welche sodann das „Zweite Klavierkonzert“ des russischen Meisterkomponisten interpretierte. Eine Newcomerin kam spielte und siegte! Und wie sie spielte: souverän, ohne Glamour, mit aller wünschenswerten Perfektion! Die junge Dame verzichtete zum Wohlklang dieses „Ohrwurms“ vor allem auf alles spektakuläre Auftrumpfen zu Gunsten eines vorbildlichen, geschmeidig-dichten Musizieren voll fraulicher Wärme.

In weichen Farben, transparent und dennoch voll Verve präsentierte die selbstbewußte junge Pianistin das Moderato. Traumwanderlisch in feinsten Nuancen erklang das Adagio sostenuto.

Titovas manuelle Souveränität, ihr Gespür für eine große Linien, für Rachmaninows Noblesse und dunkle Leidenschaften verliehen ihrer Interpretation die Aura des Geheimnisvollen, Attribute welche sich besonders beim finalen Allegro scherzando insbesondere offenbarten. Bar dieser Tastenakrobatik, den technischen Instrumental-Kaskaden war man hingerissen und fasziniert.

In nie vordergründiger Präsenz begleitete das prächtig disponierte Orchester, zudem hatte die Dirigentin stets ein wachsames Auge zur Solistin, lieferte die musikalischen feingliedrigen Konturen in dunkel getönten Couleurs, den wunderbaren untermalenden Samt-Sound.

Mit Bravos und lautstarkem Getrampel feierte das Publikum die sympathische Solistin, welche sich mit einer temperamentvollen Zugabe bedankte.

Nach der Pause erklang die „Vierte Symphonie“ von Anton Bruckner. Straffe viermalige Hornfanfaren über den zarten Streichern eröffneten die Morgenweckrufe, schrieb der Meister gar selbst in seiner Erläuterung, welche sich liest wie eine Regie-Anweisung zu Wagners „Lohengrin“. Sah sich doch der Komponist als Übersetzer der Ideenwelt des Kollegen ins Reich der Symphonie, welche der Bayreuther Meister nach missglückten Versuchen aufgab. Den ersten großen orchestralen Aufschwung des Gesamtinstrumentariums lässt Bruckner verhallen und führt ins Andante, einem wahren Melodien-Geflecht.

Gedämpft, rhythmisch gleich einem Trauermarsch schreiten die Streicher, verheißungsvoll wie im Nachhall ertönten die Holzbläser über den klagenden Cellithemen. Schwer zu beschreiben sind die instrumental geformten Schönheiten, die dynamischen Schwankungen dieses Satzes, die Piani-Forte-Wechselspiele und wieder zurück in gemächliche Klanggefilde. Vortrefflich gestaltete Oksana Lyniv mit dem aufmerksam aufspielenden Kyiv S.O. im lebhaften Figurenspiel die thematischen Charakterzüge zu offerieren. Im leisen Tremolo der Violinen und Celli erhob sich das Scherzo, die jubelnden Hörner formierten sich zum Jagdmotiv, die Trompeten antworteten keck, lärmend tobte die Jagd durch den lichten Wald, romantischer ließ sich die märchenhafte Stimmung wohl kaum demonstrieren. Mit kräftigen orchestralen Pinselstrichen malten die ukrainischen Gäste instrumentale Harmonik.

Mit gemächlichen Streicher-Tempi, leisen Hörnerrufen geleitete die versierte Dirigentin ins Finale. In Unruhe gesellten sich die prächtig disponierten Bläser zu den heftig ausgestoßenen Themen, gespenstige Jagdmotive erfassten in gewaltiger Formation den gesamten Klangkörper, alle brausten  zum gewaltigen Sturm dahin. Gezupfte Bässe, innige Violinen und Celli erstickten in Holzbläser-Rufen, wechselten wild zu schroff vorüberziehendem Orkan. In harmonischem Einklang ruhiger Gedanken zu Umkehrungen von Oboe und Klarinette, weit aufschwingend zur Hornmelodie formierte Lyniv den vorzüglich musizierenden Orchesterapparat in kurzem Forte, zum strahlenden Es-Dur-Ausklang.

Mit ohrenbetäubendem Getrampel und lauten Bravos wurden die sichtlich erfreuten Gäste gefeiert.

Gerhard Hoffmann

 

 

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