Füssen / Königswinkel: „TRISTAN UND ISOLDE“ – 02.10.2021
Copyright: Musikfestspiele
Zum runden Geburtstag meines Partners verbrachten wir 5 Tage im Allgäu, kann es ein schöneres Geschenk als „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner zum Ehrentag geben? Selbst Petrus hatte Einsehen und schenkte goldene Herbsttage zu milden Temperaturen, Wagner-Herz was begehrst du mehr? Eingebettet zwischen Symphonie-Konzert und Liederabend durften wir somit die zweite Aufführung des genialen Meisterwerkes in absolut adäquater Besetzung erleben. War es nun die lange Pandemie-Pause, dass sich alle Sinne in Entzugserscheinungen wähnten, man sich so unbändig nach der „Droge“ Wagner sehnte? Wie denn auch sei, diese herrliche Produktion verwöhnte Aug´ und Ohr!
Sieglinde Pfabigan rezensierte bereits die Premiere wenige Tage zuvor, mich juckte es unbändig in den Fingern um meine Begeisterung ebenso in Worte zu fassen. Zu Gast war die werksgetreue Welser-Inszenierung des legendären Teams Herbert Adler (Regie) sowie seiner Bühnen- Kostüm-Kreatoren Dietmar und Johanna Solt. Ein ewig gestriges Team? Weit gefehlt! Diese Könner schufen eine aktuell zeitlose Inszenierung von feinsinniger Personenregie. Sehr wohl darin schien sich das Sängerteam zu fühlen und ging mit sichtlicher Spielfreude zur Sache.
An Absagen diverser Protagonisten mangelte es der Festival-Direktion keinesfalls, doch war ihm gelungen ersatzweise hochkarätige Künstler*innen zu verpflichten. Mit großer Freude durfte ich heute die meiner Meinung nach, beste Isolde unserer Tage Catherine Foster zur dritten Tristan-Produktion erleben. Der irischen Königstochter schenkte Foster nicht nur die hinreißend-optimale Erscheinung in prächtigen Violett-Rot-Schwarz Gewändern mit dem majestätischen Geschmeide, sondern krönte die Partie dank ihres modulationsreichen Soprans mit Noblesse. Vehement aufblühend, technisch bestens versiert, in vortrefflicher Artikulation erklangen die dramatischen Aufschwünge im ersten Aufzug. Kultiviert in emotionaler Legato-Reinheit, bezaubernd in weichen Piani, regelrecht betörend eröffnete die exzellente Sängerin das Liebesduett, steigerte sich stets klangschön voll fraulicher Wärme in die extremen Höhenlagen der Ekstasen. Frisch, innig-berührend erklang der finale Liebestod, ich schämte mich meiner Überwältigung und Tränen nicht.
Robert Dean Smith erlebte ich während seines Engagements am NT Mannheim in vielen Partien sowie seine immense vokale Entwicklung zum Wagner-Tenor, ebenso während diversen internationalen Gastspielen und Konzerten. Umso mehr erfreut war ich über die Wiederbegegnung mit dem sympathischen Sänger. Voll erstaunlicher Energie kam sein Tristan daher, steigerte sich in vokalem Überschwang in die strahlend-heldentenoralen Höhenflüge, verlor selbst während des kräftezehrenden Fieberwahns im dritten Bild nicht an Präsenz und Schönheit. Bewundernswert noch immer die Harmonie der lyrischen Färbungen, die tonalen mezza-voce-Phrasen.
Dritter im Bund der Einspringer-Gäste war Hans Peter König, ein wahrhaft königlicher Marke. In absoluter Perfektion, ohne jegliche Larmoyanz entfaltete sich sein prächtig sonores, klangvolles Bassmaterial, beschwörend, ergreifend in nuanciertem Farbenreichtum.
Nicht sehr voluminös jedoch in sehr hoher Sopranlage vermochte Hermine May als darstellerisch intensive Brangäne zu überzeugen. In weichem Strömen, wunderbaren Mezzo-Couleurs erklang ihr prächtig melodischer Wachgesang.
Intensiv, spielmotiviert stand Tristan der getreue Kurwenal zur Seite. In bester qualitativer Formation präsentierte geprägt von hoher Musikalität, das ansprechende Bariton-Timbre vortrefflich intonierend Michael Kupfer-Radecky ein ausdrucksstarkes Rollenportrait.
Selbst die weniger tragenden Rollen waren stimmschön ohne jeden Tadel besetzt. Hell strahlend, sehr schön timbriert vermittelten Franz Gürtelschmied den jungen Seemann und gleichwohl den Hirten sowie Lukas Siebert den eifersüchtigen Melot sowie den Steuermann.
ZwoZwoEins-Die Herren des Tölzer Knabenchores vernahm man als höhnende Mannen.
Am Pult des bestens disponierten und aufmerksam musizierenden Kyiv Symphony Orchestra waltete umsichtig Lothar Zagrosek. Klangwogen, sich allmählich in die narkotisch-leidenschaftliche Liebesekstase steigernd ließen bereits beim Vorspiel erahnen, welche wunderbaren Klangfluten über die Hörer hereinbrechen sollten. Jene Omen erfüllten sich, nein sie übertrafen gar selbst kühnste Erwartungen. In klarer Transparenz, moderaten Tempi, nie übermäßigem Forte ließ Zagrosek die betörende Musik fließen, atmen, rückte die suggestiven Details dieser musikalischen Droge bezwingend vom sphärischen Jenseits in gegenwärtige Realitäten. Großen Anteil am prägenden dynamischen Gesamtklang lieferte natürlich, wie am Konzertabend zuvor, die formidable Intonation des mit auffallend jungen Musikern besetzten ukrainischen hochqualifizierten Klangkörpers.
Kein Wunder, das Publikum geriet außer Rand und Band feierte mit Bravorufen, stürmischem Applaus, ohrenbetäubendem Getrampel auf den Holzdielen alle Mitwirkenden vor dem Vorhang, bis sich dieser letztlich hob und das Orchester in die Begeisterungswogen mit einbezog.
Ein unvergesslicher Abend, stille wie in Trance, in Gedanken versunken schritten wir zu nächtlicher Stunde in Richtung Hotel auf der Gegenseite des Forggen-Sees.
Gerhard Hoffmann