Theater Freiburg: Madama Butterfly, Pr. 26.1.2022
Irina Jae Eun Park, Jin Seok Lee, Opernchor des Theater Freiburg, Foto: Laura Nickel
Die Oper, die Giacomo Puccini seiner langjährigen Geliebten, der Sopranistin Rosina Storchio auf den Leib schrieb, erfreut sich in den Opernhäusern dieser Welt anhaltender Beliebtheit. Vergessen ist das Drama der Uraufführung und Puccinis darauffolgende nicht endend wollende Revisionen. Leicht zu besetzen und zu inszenieren, mit wundervoller Musik und dem ewigen Thema einseitiger Liebe, ist Butterfly ein Dauerbrenner. Wer allerdings im Kopfe Inszenierungen in London, Paris und New York mit sich herumträgt, wird in Freiburg wieder einmal darüber belehrt, dass grösser nicht immer besser ist: Gerade die Unbekanntheit der Protagonisten, die Schlichtheit des Bühnenbilds und die Detailliebe lässt die Freiburger Inszenierung authentisch und kraftvoll wirken.
Dies ist insbesondere das Verdienst der südkoreanischen Sopranistin Irina Jae Eun Park als Cio-Cio-San, deren leidenschaftliche Darstellung einem noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Mehrere Male, wie bei „Un bel dì“ wäre Szenenapplaus verdient gewesen, aber der Dirigent liess dem Publikum (musikalisch korrekt) keine Chance. Der amerikanische Tenor Joshua Kohl als B.F. Pinkerton spielt glaubwürdig und entwickelt sich stimmlich sowie menschlich im Laufe des Abends von der noch etwas unsicheren Yankee-Arie bis zum starken „Addio“ zusehends. Im Duett „Vogliatemi bene“ harmonieren die beiden Stimmen hervorragend. In starker Konkurrenz trumpft der Amerikaner John Carpenter als Konsul Sharpless mit seiner schönen Baritonstimme und überzeugendem Spiel auf, dem die Tragik von Butterfly’s Geschichte glaubwürdig zu schaffen macht. Statt in der Würde seines Amtes läuft er allerdings in Blumenhemd herum – der einzige Fehlgriff der sonst angenehm zurückhaltenden Kostüme (Charlotte Morache). Inga Schäfer als Suzuki macht ihre Sache gut, Junbum Lee als Goro sogar sehr gut, aber noch mehr Eindruck hinterlässt der winzige aber teuflische Auftritt von Jin Seok Lee als Bonzo.
Der Kontrast zwischen dem schlichten japanischen Paravent-Haus und dem überdimensionalen kitschigen rosa-goldenen Ehebett, das die Möbelpacker erst noch zusammensetzen müssen, ist gelungen (Bühne: Alfred Peter), nur darauf kommt es Pinkerton schliesslich an, nur deswegen hat er die kleine Butterfly geheiratet, ein Vertrag, der wie die Miete des Hauses jederzeit gekündigt werden kann. Die desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse und die Einsamkeit der Protagonistin im zweiten Akt sind ebenso deutlich dargestellt: Sie schläft auf einer Matratze vor dem Haus, das kitschige Ehebett ist weggesperrt. Das Fehlen von jeglichen Gebäudeteilen im dritten Akt irritiert erst einmal in der sonst sehr behutsamen Inszenierung von Benedikt Arnold. So sollten die Hauptdarsteller einander ja nicht sehen, und auch das Kind sollte vom Selbstmord nichts mitkriegen (dass es sich die Augen zuhalten muss, widerspricht Butterfly’s klarer Absicht, das Kind vor allem zu verschonen). Allerdings steht die Leere auch für die Trost- und Hoffnungslosigkeit der schönen Butterfly: Ihr bleibt nichts mehr, nicht einmal die Hoffnung. Andere Details wie der langsam vor sich hinwelkende Brautstrauss, die Traumszene zum Chor im zweiten Akt und die kleinen amerikanischen Symbole gefallen.
Fabrice Bollon hat das Philharmonische Orchester Freiburg gewohnt gut im Griff. Die wenigen Abstimmungsschwierigkeiten mit den Sängern werden im Laufe des Abends seltener.
Das Programmheft weist auf die steigenden Selbstmordraten bei Frauen in Japan hin. Sie zerbrechen am Zwiespalt zwischen den Anforderungen der modernen Gesellschaft und den patriarchalen Strukturen: Auch Butterfly, die so auf ihr Amerikanisch-sein pocht, bekommt von den Verwandten die japanische Maske übergestülpt.
Coronabedingt hatte die Premiere verschoben werden müssen, die meisten vom Kreativteam waren auch schon längst nicht mehr zum Schlussapplaus mehr da: Allen Widrigkeiten zum Trotz hat das Theater Freiburg hier etwas absolut Hörens- und Sehenswertes auf die Bühne gebracht.
Alice Matheson