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FREIBURG/ Breisgau: MEFISTOFELE – mit rosa Luftballons und wasserstoffblonden Perücken. Premiere

17.01.2016 | Oper

FREIBURG/ Breisgau: MEFISTOFELE – Mit rosa Luftballons und wasserstoffblonden Perücken

Freiburg i. Br. – Grosses Haus – Boitos „Mefistofele“ – Premiere am 16.01.16

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Die Gartenszene wird zum spiessigen Kaffeekränzchen: Jin Seok Lee (Mefistofele), Martin Muehle (Faust), Sandra Janušaité (Margherita) und Silvia Regazzo (Marta), Foto: Maurice Korbel

Kein anderer deutscher Stoff ist so häufig in der Opernliteratur rezipiert worden wie der Faust-Mythos: Über 90 Opern haben den wissbegierigen Gelehrten Faust und dessen Pakt mit Mephisto zum Thema. Eine der bekanntesten, allerdings auf der Bühne eher selten gespielten Vertonungen ist diejenige von Arrigo Boito. Der Komponist lieferte auch das Libretto zu seiner Oper. Man kennt ihn vor allem als Librettist der beiden letzten Verdi-Opern „Otello“ und „Falstaff“. Boito komprimierte geschickt Goethes Mammutwerk „Faust. Der Tragödie erster und zweiter Teil“ zu einer logischen Abfolge der dramaturgisch wesentlichen Szenen. Dabei erhebt er Fausts Gegenspieler Mefistofele zur Titelfigur.

Gerade diesen ausschnitthaften und zitathaften Charakter des Werks nimmt das Regieteam (Inszenierung: Ludger Engels) in seiner Konzeption am Theater Freiburg auf.Einzelne Versatzstücke im Einheitsbühnenbild (Ausstattung: Ric Schachtebeck) deuten verschiedene Handlungsorte an: So steht ein mit Büchern übersäter Schreibtisch für Fausts Studierzimmer, ein beiges Sofa für Mefistofeles Heim und ein grosser Pappkarton für Margheritas Zuhause. Mithilfe der Drehbühne können immerzu andere Elemente in den Vordergrund gerückt werden.

Der erste Teil lebt von witzigen Gags. Beispielsweise entpuppt sich Mefistofele mit einem schwarzen Sweatshirt und aufgedrucktem Pudel-Motiv als „des Pudels Kern“ und die berühmte Gartenszene wird zum spiessigen Kaffeekränzchen vor eineran Biederkeitkaum noch zu überbietenden Blümchentapete. Als eine sehr schöne Idee stellt sich das In-Szene-Setzen von bedeutenden Musikinstrumenten heraus. Harfe und Donnerblech werden zu Beginn des Stücks auf der Bühne gespielt und in der Walpurgisnacht schwebt ein Triangel vom Schnürboden herab.

Leider bleiben auch einige Regieeinfälle unverständlich: Was hat es mit dem schwebenden Nebel-Korpus auf sich? Weshalb soll der (eigentlich selige) Kinderchor sichtlich gelangweilt und unmotiviert wirken? Warum tragen fast alle Beteiligten an der klassischen Walpurgisnacht im zweiten Teil wasserstoffblonde Perücken? Soll dies etwa eine Anspielung auf die aus jungen Künstlern bestehende Gruppe der „Scapigliati“ mit ihren „zerzausten Haaren“ sein, der Arrigo Boito mit grosser Überzeugung angehörte?

Musikalisch bietet die Freiburger Produktion einen Hochgenuss.Allen voran brilliert die litauische Sopranistin Sandra Janušaité in der Doppelrolle als Margherita und Elena. Ihre gewaltigen Stimmausbrüche und ihr anrührendes Spiel in der Kerkerszene gerinnen zum Höhepunkt des Abends. Sie erntet dafür zu Recht einen euphorischen Szenenapplaus.

Martin Muehle
überzeugt als Faust mit kräftiger Tenorstimme. Zwar klingt diese im ersten Teil in der Höhe noch ein wenig gepresst, entfaltet sich dann jedoch im zweiten Teil in den grossen Kantilenen zur vollen Blüte. Sein dämonischer Gegenpart Mefistofele wird vom Südkoreaner Jin Seok Lee verkörpert. Dieser gibt den machohaften Rocker. Seine schön geführte Bassstimme ist leider oft zu leise, sodass sie insbesondere in den Ensembles untergeht. Vor allem im zweiten Teil hätte Lee überzeugender auftreten müssen. Auch der berühmte Mephisto-Pfiff in der Arie „Son lo spirito che nega sempre tutto“ bleibt aus. Die Marta-Figur wird in Freiburg szenisch aufgewertet. Sie bildet Mefistofeles Handlangerin und Groupie. Bereits im „Prolog im Himmel“ macht sich die italienische Mezzosopranistin Silvia Regazzo als Marta tanzend an Mefistofele heran. Sie wird gewissermassenzu Margheritas Gegenspielerin. Und der Tenor Christoph Waltle führt als eifriger Student Wagner sogar Yogaübungen mit einem halben Kopfstand auf.

Ein grosses Lob geht an den Kinder- und Jugendchor, Opernchor und Extrachor des Theater Freiburg sowie an die Studierenden der Hochschule für Musik Freiburg, die die zahlreichen anspruchsvollen Chorpassagen souverän meistern. Das Philharmonische Orchester Freiburg unter der Leitung von GMD Fabrice Bollon überzeugt mit wuchtiger Musik und immenser Klangfülle, die Boitos brillante Komposition in allen ihren Facetten zur Geltung bringt!Das Publikum applaudiert begeistert allen Beteiligten.

Carmen Stocker

 

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