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FREIBERG (Sachsen): „WEIHNACHTSORATORIUM“ VON JOHANN SEBASTIAN BACH“ IM ALTEHRWÜRDIGEN DOM

04.12.2022 | Konzert/Liederabende
Freiberg (Sachsen): „WEIHNACHTSORATORIUM“ VON JOHANN SEBASTIAN BACH“ IM ALTEHRWÜRDIGEN DOM – 3.12.2022

Die am Nordhang des Erzgebirges gelegene, vom einstigen Bergbau geprägte Universitäts- und Bergstadt Freiberg, die „Silberstadt“ (wegen der einst großen Silberfunde, die Sachsen reich machten) mit der ältesten Montanuniversität der Welt, einem Renaissanceschloss, wo der sächsischer Hof einige Jahre residierte und das seinerzeit als das größte und schönste Schloss Europas galt, dem ältesten Stadttheater der Welt, wo Carl Maria von Webers erste Oper (“Das stumme Waldmädchen“) uraufgeführt wurde, und einem Dom von europäischem Rang mit der berühmten Tulpenkanzel aus gotischer Zeit und einer der ersten, größten und bedeutendsten Orgeln von Gottfried Silbermann sowie einem historischen Stadtkern, der als gesamtes Ensemble unter Denkmalschutz steht, gehört seit 2019 zum UNESCO-Welterbe.

Hier sind Kultur, bergmännische Traditionen und Musik in der Bevölkerung fest verwurzelt und werden von ihr  getragen. Am Vorabend des ersten Advent wurde unter der Leitung des sehr engagierten Domkantors Albrecht Koch zweimal das „Weihnachtsoratorium“ von Johann Sebastian Bach mit den Kantaten I ‑ III im altehrwürdigen Dom aufgeführt. Dafür war das Philharmonische Kammerorchester aus Mitgliedern der Dresdner Philharmonie angereist. Den Chor bilden der Freiberger Domchor, der Jugendchor Freiberg und die Freiberger Domkurrende, musikbegeisterte Laien aus Freiberg und der gesamten Umgebung. Sie waren mit Enthusiasmus dabei und bildeten unter Albrecht Kochs schwungvoller, Sicherheit verleihender, Leitung einen passablen Chor, der allen Anforderungen überzeugend gerecht wurde.

Einige Solisten verliehen der Aufführung festlichen Glanz. Viola Blacher sang die „Engelsverkündigung“ und die in den ersten drei Kantaten relativ kleine Sopranpartie mit Herz und Seele, ansprechender Stimme und liebenswerter Aufrichtigkeit.

Der wesentlich umfangreicheren Altpartie lieh Annekathrin Laabs ihre warme, schöne Altstimme und gestaltete die Rezitative und Arien souverän und ausgeglichen, mit mühelos fließenden Verzierungen, auslotend bis in die emotionalen Tiefen, eine ideale Interpretation, die großes Können voraussetzt.

Dass der europaweit gefragte, im Oratorienfach prädestinierte österreichische Tenor Daniel Johannsen die Evangelistenpartie übernommen hatte, war ein Glücksfall. Er bot eine, bis ins letzte Detail ausgefeilte Erzählung der Weihnachtsgeschichte, sehr intensiv gestaltet, mühelos und abwechslungsreich, dramatisch und lyrisch je nach Text und mit allerbester Artikulation und Textverständlichkeit. Er hatte auch genügend Potential, die heikle Tenor-Arie „Frohe Hirten, eilt, ach eilet“ mühelos und ausdrucksstark zu singen, die so manchem guten Evangelisten Probleme bereitet.

Sehr lebhaft und fast volkstümlich, etwas übertrieben schien Wolf Matthias Friedrich Bachs musikalische Botschaft unbedarften Zuhörern oder Kindern nahebringen zu wollen. Den Besuchern des ländlichen Raumes, die von überall herbei geströmt waren, entgegenzukommen und die stimmige, in sich geschlossenene, abgerundete Aufführung noch weiter zu beleben, zog während des vom Chor gesungenen Chorals „Wie soll ich dich empfangen“ die Kurrende mit Kerzen durch den Mittelgang ein und sang anschließend mit zarten Kinder- und sicheren, klaren jugendlichen Stimmen den Choral „Er ist auf Erden kommen arm“. Später „umwanderte“ ein Akteur während der in Bachs Vertonung vom Chor gesungen, Botschaft die aus der Renaissancezeit stammende, Bergmannskanzel neben der berühmten Tulpenkanzel, als wollte er den, vom Chor gesungenen, Bibelworten eines imaginären Pfarrers von der Kanzel lauschen – eine Idee, um das Oratorium noch eindrucksvoller wirken zu lassen.

Es war eine sehr ansprechende, in sich geschlossene Aufführung auf hohem Niveau, getragen vom Enthusiasmus aller Ausführenden und der sehr umsichtigen, stilistisch und aufführungspraktisch orientierten, Leitung von Albrecht Koch.

Zeitlich zwischen den beiden Aufführungen zog die traditionelle Bergparade in historischen Bergmanns-Uniformen und mit alten Grubenlampen durch die Stadt. Das gehört hier zusammen.

Ingrid Gerk

 

 

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