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FREIBERG/ Mittelsächsisches Theater: „DIE CAPULETI UND DIE MONTECCHI“

23.12.2016 | Oper

Freiberg: „DIE CAPULETI UND DIE MONTECCHI“ – 20. 12.2016

 Lange Jahre war es um die Pflege von Werken der italienischen Belcanto-Epoche, lässt man die üblichen Verdächtigen außer Acht, nicht sonderlich gut bestellt. Erst als in der Callas-Nachfolge aufstrebende Diven an die Pforten der Opernhäuser und auf eine ihrem Können entsprechende Erweiterung des Repertoires pochten, setzte ein bis heute anhaltender Wandel ein. Sogenannte Trouvaillen erobern nun die Opernlandschaft, ein Tatbestand, der auch weniger bekannte Schöpfungen von Rossini, Donizetti und Bellini einschließt. Daher ist es nur zu begrüßen, wenn auch kleinere Häuser, so sie denn besetzungsmäßig dazu in der Lage sind, sich mancher Raritäten annehmen. Nun entschied sich das Mittelsächsische Theater zu einer solch außergewöhnlichen Spielplanposition und brachte unter dem Titel „Romeo und Julia“ Bellinis der Shakespearschen Vorlage entbehrende Oper ohne eine einzige Gastverpflichtung in der dafür hervorragend geeigneten benachbarten Nikolaikirche heraus. Intendant Ralf-Peter Schulze nutzte in Personalunion als Regisseur und Ausstatter den sakralen Raum für eine durchdacht stimmige halbszenische Wiedergabe des Werkes, die von Dr. Christoph Nieder erarbeiteten Übertitel verzichteten auf eine den Leser anstrengende Originalübersetzung und konzentrierten sich auf die kurze Andeutung der jeweiligen Situationen der Handlung. Die Mitwirkenden traten im zeitgenössischen Habitus auf, angesichts einer mörderischen Gegenwart bedeutete dies keinen Stilbruch. Lobenswert die intensiven darstellerischen Leistungen aller Mitwirkenden, einschließlich der von Tobias Horschke prächtig präparierten Chöre. Da hatte die Pranke des erfahrenen Schauspielmannes zugeschlagen. Die die Szene dominierenden Stuhlreihen bescherten diesmal kein Ärgernis, weil ihnen eine wichtige, von den Herren des Chores hervorragend umgesetzte dramaturgische Funktion zukam – die der ideologischen Mauer, hinter der sich die gegnerischen Lager, hier vornehmlich die Capulets, verschanzen. Einige entbehrliche oder befremdende Einsprengsel, wie die Zigarette Romeos oder dessen überfrachteter Zweikampf mit Tebaldo, fallen weniger ins Gewicht.

 Juheon Han, dem in vorangegangenen Inszenierungen ein gewisser Hang zu einer überbordenden Klangoptimierung nicht abgesprochen werden kann, hat mittlerweile seinem musikantischen Temperament die Zügel angelegt und animierte die Mittelsächsische Philharmonie zu einer ausgewogenen Wiedergabe der Bellinischen Partitur, die an keiner Stelle Gefahr lief, die Solisten zu übertönen, sich andererseits aber auch nicht mit einer reinen Begleitfunktion begnügte und  solistisch (Harfe, Horn) in Ehren bestand. Freilich bedarf es für die beiden Hauptrollen zweier Künstlerinnen überdurchschnittlichen Formats, die den virtuosen Anforderungen des Meisters (er komponierte für die damaligen Stars) in hohem Maße gerecht werden. Mit Lindsay Funchal (Giulietta) und Barbora Fritscher (Romeo) durften sich dabei zwei versierte Ensemblemitglieder in die vorderste Reihe stellen. Schon bei ihrem ersten Auftritt, den der Komponist seiner Oper „Adelson und Salvini“ entlehnte, begeisterte Romeos Geliebte mit einem die Klippen der Partitur mühelos meisternden Sopran. Komfortable Technik bedeutet jedoch nur die eine Seite der Medaille, wären da nicht zudem die verinnerlichte Kunst des Ausdrucks, das emotional so überaus Berührende dieser Wiedergabe Lindsay Funchals hervorzuheben, der ihre mädchenhafte Anmut einen zusätzlichen Reiz verlieh. Mit dem Romeo lieferte Barbora Fritscher, die vordem die höhere Lage meistens mit einem gewissen Druck anging, einen eindrucksvollen Beweis ihres unterdessen gereiften vokalen Könnens. Von all dem war nunmehr so gut wie nichts zu hören, wobei insonderheit die samtweiche Tiefe der Stimme ansprach. Dem seiner Menschlichkeit folgenden Lorenzo verlieh Elia Hans profunder, sonorer Bass ein warmherziges Profil. Der Tebaldo war mit dem hauptsächlich als Spieltenor in Erscheinung getretenen Derek Rue besetzt, der der nicht sonderlich sympathischen Figur markante Züge beigab und sich innerhalb seiner stimmlichen Möglichkeiten redlich schlug. Sergio Raonic Lukovic gab, trotz Erkältung, den Vater Julias als unerbittlichen, machtbewussten Politiker.

  Joachim Weise

 

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