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FREIBERG: LA BOHÈME – subtropischen Temperaturen trotzend

14.09.2016 | Oper

Freiberg: „LA BOHÈME“ – 13. 9.2016

 Wahrlich subtropischen Temperaturen trotzend, nutzten die ihrem Nachmittagsanrecht getreuen Senioren die Möglichkeit zum Besuch einer Aufführung des ihnen gewiss gut vertrauten Werkes.  Und es zeugt nicht nur vom beachtlichen musikalischen Niveau der Vorstellung, wenn die mehr als reichlich gespendeten Akklamationen auch einer Inszenierung galten, die sich zum Original  bekannte und konsequent auf verstörendes Beiwerk verzichtete. Dafür muss man der Regisseurin Arila Siegert Beifall zollen, wenngleich einige kleinere Schönheitsfehler dieser Arbeit nicht unterschlagen werden sollen. Um das letale Ende der Liebe zwischen der schwindsüchtigen Mimi und dem Poeten Rodolfo quasi vorwegzunehmen, führt die Regie die Figur des Todes ein, unaufdringlich und nobel von Nikolaus Nitzsche (zudem Alcindoro) verkörpert. Das stört zwar wenig, bringt jedoch keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Ausstatter Moritz Nitsche (auch die gediegenen Kostüme) ließ sich wahrscheinlich von der Maxime leiten, weniger sei mehr. Dabei dominierte das Weniger derart, dass man meinen könnte, dem Mittelsächsischen Theater sei ein zusätzliches Sparprogramm verordnet worden. Ein wenig mehr an Atmosphäre hätte der Szene gut zu Gesicht gestanden, die allerdings den Beteiligten, einschließlich der von Tobias Horschke präzis vorbereiteten Damen und Herren des Chores, die Gelegenheit zu raumgreifenden Aktionen bot. Derlei war nicht nur im Café Momus, sondern auch bei der übermütigen Tollerei der Bohèmiens im letzten Akt zu beobachten und verriet die innige Beziehung der Regie zur edlen Muse Polyhymnia.

Andererseits verwunderte, wie oft den Solisten die Möglichkeit zu einem doch ziemlich aus der Mode gekommenen Rampensingen eingeräumt wurde.

 Im Hinblick auf die erlebte Vorstellung erwies sich dieses Manko immerhin als Vorteil, der den Solisten gegenüber dem gewaltig auftrumpfenden Orchester eine vorteilhaftere Position gewährte. Um es vorwegzunehmen, die Leistung der von Juheon Han geleiteten Mittelsächsischen Philharmonie war aller Ehren wert. Musiziert ward ein Puccini, der der reichen Palette dieses Meisters an Orchestrierungskunst bis ins Detail nachspürte, rhythmisch nichts verschlenderte oder überhastete, Lyrisches nie mit süßlichem Sentiment verwechselte. Dieses hochlöbliche Beginnen verleitete den jungen Kapellmeister leider dazu, die Sänger etwas aus den Augen bzw. Ohren zu verlieren. Dabei umschiffte er zwar die Gefahr des Übertönens, drängte die ihm Anvertrauten aber dazu, oft mehr zu geben als nötig gewesen wäre.Am elegantesten zogen sich in diesem Zusammenhang noch die Damen aus der Affäre. So trotzte Leonora del Rio ihrer Mimi etliche berührende Pianopassagen ab und bewies bei den emotionalen Ausbrüchen, über welch stupende Technik ihr klangschöner und mit einem reizvollen Timbre gesegneter Sopran verfügt. Mit  Sebastian Fuchsberger (Rodolfo) stand ihr in puncto Zwischentöne kein sonderlich inspirierender Partner zur Seite. Gewiss, die hohen Töne kommen wie aus der Pistole geschossen. Da wäre manch anderer Kollege neidisch. Wo es jedoch feinerer Dosierungen bedarf, bleibt der Künstler (s. Szene an der Zollschranke) gar manches und somit einen wesentlichen Teil der Miete schuldig. Einen spielfreudigen, um darstellerische Schattierungen bemühten Marcello gab Guido Kunze mit sprödem Bariton. Seine Mitstreiter Sergio Raonic Lukovic (Schaunard) und Elias Han (Colline) blieben ihm da nichts schuldig, wobei der balsamisch dahinströmende Bass des Koreaners in der Mantelarie ohne Abstriche für sich einnahm. Neben Leonora del Rio sorgte Lindsay Funchals Musetta für einen weiteren darstellerischen und vokalen Höhepunkt des Nachmittags. Ob als kokettes Luderchen oder getreulich um das Geschick Mimis bangende Freundin – die Brasilianerin überzeugte vollauf und präsentierte sich zudem als versierte Anwältin der stimmlich anspruchsvollen Partie.

 Joachim Weise

 

 

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