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FRANZ SCHUBERTS KLAVIERWERK MIT ANDREA LUCCHESINI BEI AUDITE EINGESPIELT

28.06.2019 | cd

Franz Schuberts Klavierwerke mit Andrea Lucchesini bei audite

DIE NÄHE BEETHOVENS BLEIBT SPÜRBAR

Bildergebnis für franz schuberts klavierwerk andrea lucchesini audite

Die Verfeinerung des musikalischen Satzes spielt bei Andrea Lucchesinis Interpretation der Klaviersonate Nr. 20 in A-Dur D 959 von Franz Schubert eine große Rolle. Der akkordische Komplex des ersten Satzes setzt sich kraftvoll durch. Die Martellato-Oktavsprünge des Basses werden hier scharf akzentuiert und präzise betont. Auch die Auflösung der Akkorde in Arpeggien zeigt eine beeindruckende Ausdrucksvielfalt, die in der harmonisch weit ausgreifenden Durchführung mitschwingt. Das Seitenthema überzeugt mit einem geradezu elektrisierenden Staccato-Lauf. Aufgrund des manchmal vielleicht sogar zu harten Anschlags bleibt die Nähe zu Beethoven immer spürbar. Auch der liedhafte Charakter des Themas gelingt Andrea Lucchesini fesselnd und berührend zugleich. Aus den Sechzehnteln entwickelt sich dabei der Durchführungsteil mit bemerkenswerter Emphase. Sehr viel Poesie steckt dann im Andantino fis-Moll, dem Lucchesini einen geheimnisvollen Anschlagszauber entlockt. Akkkordbrechungen, Triller und chromatische Läufe wachsen so ganz zusammen, ergänzen sich in ihrer harmonischen Vielfalt. In cis-Moll-Klängen reisst alles abrupt ab. Das Scherzo wird von einer überschäumend-ausgelassenen Lustigkeit und Emphase beherrscht. Die Sprünge der rechten Hand beschwören Hitzegrade. Ein grenzüberflutendes Musizieren beherrscht dann den abschließenden Rondo-Satz. Der Reichtum der thematischen Verarbeitung sticht so in facettenreicher Weise hervor. Das innige Thema besitzt großen melodischen Atem. Nach einer seelenvollen Verwandlung erstrahlt das Thema dann wieder in Fis-Dur. Stellenweise noch robuster, aber zuweilen  auch leichter erscheint das Spiel Lucchesinis bei Franz Schuberts Klaviersonate Nr. 4 in a-Moll D 537. Die sonatenhafte Verarbeitung des Themas im ersten Satz besticht bei dieser Wiedergabe aufgrund der fein herausgearbeiteten dynamischen Kontraste. Forte und Piano werden hier differenziert herausgearbeitet. Es kommt zu einer berührenden Steigerung von a-Moll nach C-Dur. Die Modulationen besitzen dabei eine tragfähige Balance. Und das F-Dur-Seitenthema überzeugt bei dieser Wiedergabe ebenfalls mit ausdrucksvoller gesanglicher Linienführung. Das rhythmisierte Motiv bringt eine Steigerung bis zum Quartsextakkord auf C, wobei Lucchesini das anschließende Herabsinken des Melos ausgezeichnet betont. Im zweiten Satz gefällt die gekonnte Aneinanderreihung thematischer Episoden, deren schlichte Schönheit von Andrea Lucchesini einfühlsam ausgekostet wird. „Für mich ist Schubert die große Liebe der letzten Jahre“, sagt Lucchesini über den jung verstorbenen Komponisten, dem er sich wesensverwandt fühlt. Dies merkt man der Interpretation an. Das Gegenthema als gebundene Sechzehntelpassage in C-Dur bekommt bei dieser konzentrierten Wiedergabe einen nuancenreichen dynamischen Kontrast. Das lyrische Dreinotenmotiv kann sich voll entfalten. Die Entwicklung des Satzes zur Coda hin behauptet sich bei Lucchesinis Spiel höchst konsequent und bewegend. Charakteristische thematische Einzelheiten und die Schönheit des lyrischen Mittelsatzes enthüllen hier elementare Kräfte. Das Allegretto in c-Moll D 915 von Franz Schubert spielt Andrea Lucchesini (der übrigens bei Maria Tipo studierte) mit Betonung erstaunlicher Spätreife. Die Seufzer des Abschieds sind hier nicht zu überhören, denn Schubert schrieb dieses Werk am 26. April 1827 und widmete es „seinem lieben Freunde Walcher zur Erinnerung“ vor dessen Abreise nach Venedig. Der vorübergehende C-Dur-Lichtblick besitzt hier einen deutlichen Hoffnungsschimmer (audite 97.765).

Alexander Walther

 

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