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Franz Schubert: WINTERREISE, SCHWANENGESANG – Günther Groissböck, DECCA-Debütalbum, 2 CDs

09.03.2017 | cd

Franz Schubert: WINTERREISE, SCHWANENGESANG – Günther Groissböck, DECCA-Debütalbum, 2 CDs

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Das Debütalbum des in Niederösterreich geborenen und mittlerweile weltweit erfolgreichen Günther Groissböck beim Label DECCA ist Schuberts Winterreise und Schwanengesang gewidmet. Myriaden von Tenören und Baritonen und auch einige Mezzos haben sich mit mehr oder weniger Erfolg an Schubert Lieder, und insbesondere an die Winterreise gewagt. Aber nur von wenigen genuinen Bässe wie Günther Groissböck (laut Eigendefinition ist er ein Basso cantante mit einem schlummernden heldenbaritonalen Kern) liegen Tonträgeraufnahmen vor. Mir fallen hier nur einige fantastische Kostproben von Alexander Kipnis, die Versionen von Josef Greindl/Klust sowie in den frühen Achzigern von Kurt Moll oder Martti Talvela ein.

Für Günther Groissböck ist die Winterreise keine neue Erfahrung mehr, er hatte den Zyklus u.a. etwa in Allerheiligen Hofkirche in München 2015 oder jüngst in der Kammeroper München in einer Bearbeitung für Kammerensemble von Alexander Krampe gesungen. Sein Begleiter bei den neuen Aufnahmen am Klavier Gerold Huber war schon beim „Schwanengesang“ im September 2016 im Kristallsaal im Schloss Rothschild in Waidhofen mit von der Partie.

Zu hören bekommt der Musikfreund also ein eingespieltes Team. Günther Groissböck, der hier von der Tessitura und sonoren Pracht her durchaus an Matthias Goerne erinnert, singt die Winterreise und mehr noch die Lieder des Schwanengesangs mit großer theatralischer Geste und noch mehr Stimme. Sein samtiger Bass mit metallisch aufblühender Höhe spricht in allen Lagen bestens an.. Groissböcks Stimme verfügt über ein einzigartiges Timbre, eine unglaubliche Expansionsfähigkeit in allen Lagen, eine große Farbenpalette und  eine in der Kuppel sitzende Höhen von eindringlicher Schönheit. Da dramatischer Ausdruck und die erzählerische Intensität bei Groissböck vor allzu großer Tüftelei in Phrasierung und dynamischer Differenzierung gehen, hinterlassen Lieder wie der „Atlas“ im Schwanengesang oder „Auf dem Flusse“ in der Winterreise die dichtesten Erlebnisse. Faszinierend ist bei dem neuen Album nicht zuletzt die Qualität der Aufnahmetechnik, die diesen wohl saftigsten und virilsten aller heutigen Bässe so mächtig und authentisch  ins Wohnzimmer strömen lässt, dass der Hörer alleine von der schieren Stimmmacht überwältigt ist.

Groissböck beschreibt die Winterreise so: „Das lyrische Ich irrt, von seiner Geliebten verlassen, durch eine „Winterlandschaft“. Es ist wie ein Kreuzweg. Manchmal reicht einem – gut katholisch gesprochen – Veronika ein Schweißtuch. Man geht da durch, wird erschlagen und leidet mit. Hin und wieder gibt es eine gewisse Aufhellung.“ Von diesem eisigen Pfad erzählt das kongeniale Duo Groissböck/Huber auf ganz eigene Weise. Narrative Plastizität, ein mächtiges Aufbäumen gegen die innere und äußere Karge und das abschließende sich Ergeben ins Unvermeidliche fügen sich in einen künstlerisch  fest gespannten Bogen. Gerold Huber, Schüler von Helmut Deutsch, stellt wie bei seinen zahlreichen Aufnahmen mit Christian Gerhaher erneut unter Beweis, dass er nicht nur verlässlicher Begleiter, sondern ein fantastisch eloquenter und feinfühliger Poet auf seinem Instrument ist.

Fazit: Ein überaus gelungenes CD-Debüt. Man darf auf weitere Erkundungen dieser Art (z.B. Loewe Balladen, Brahms, russisches Repertoire) sowie die Entwicklung von Groissböcks Stimme insgesamt gespannt sein. Sein Rollendebüt als Wotan bei den Bayreuther Festspielen 2020 ist ja schon eine ausgemachte Sache.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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