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FRANZ SCHUBERT: Streichquartett Nr. 14 in d-Moll D 810 „Der Tod und das Mädchen“ – Zwei Neuerscheinungen aus unterschiedlichen Perspektiven

16.07.2019 | cd

FRANZ SCHUBERT: Streichquartett Nr. 14 in d-Moll D 810 „Der Tod und das Mädchen“ – Zwei Neuerscheinungen aus unterschiedlichen Perspektiven

 

CD Quartetto di Cremona, AUDITE

Das wohl schönste, gleichwohl der Sterblichkeit des Menschen und der Fragilität der menschlichen Existenz gewidmete kammermusikalische Meisterwerk Schuberts wird vom legendären, im Jahr 2000 gegründeten Quartetto di Cremona auf sage und schreibe vier Instrumenten von Antonio Stradivari gespielt. Diese waren einst im Besitz von Niccolo Paganini und stellen eine Leihgabe der Nippon Music Foundation dar. 

 

Der warme luxuriöse Klang des Ensembles aus der Wirkungsstadt Stradivaris (geboren ist der mythische Geigenbauer in Genua) ist es auch, der den Hörer sofort in seinen Bann schlägt. Die vier Musiker Cristiano Gualco, Paolo Andreoli, Simone Gramaglia und Giovanni Scaglione legen gleich mit den fortissimo unsiono Einstandsmotiv die folgende soghaft dynamische Gangart vor. Alle Emotionen werden intensivst ausgeschöpft. Obwohl die Rhythmen markant gezeichnet werden und das kreative Miteinander sich an energetischer Kraft verausgabt, ist kein einziger scharfer Ton auszumachen. Ein  Wunder.  Vertracktes Schicksal, Aufbegehren, Schmerz, Benommenheit, melancholische Versenkung und resignative Traurigkeit werden beim Quartetto di Cremona in einen Schleier größter Schönheit gehüllt, wie ein fahl-dunstiger und dennoch farbenprächtiger Sonnenuntergang vor der endgültigen Finsternis. Die Tempi sind extrem zügig angelegt, ihr Spiel im stetigen Fluß kadenziert den Herzschlag des Todes mit den sehnsuchtsvollen Schwanen-Gesängen der Schubert‘schen Melodien. In diesem ,danse macabre‘ steht die schwarz goldenen Karosse schon bereit, der Tod tanzt mit dem Mädchen bis zum Umfallen, die Rasanz des Prestissimo-Finales lässt den Hörer sprachlos und erschöpft zurück. 

 

Auf der Doppel-CD wird auch das Streichquintett in C-Dur, D 956 angeboten. Der fantastische deutsche Cellist Eckart Runge auf seinem edlen Instrument der Brüder Hieronymus und Antoni Amati animiert noch einmal den poetischen Parforceritt des Quartetts. Werden Sie Zeuge dieses wirbelnden Zauberstücks. 

 

Aufgenommen wurde das klangtechnisch hervorragende, wunderbar räumlich klingende Album im September 2018 im Leibnitz Saal des Congress Centrums in Hannover.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

CD NOVUS QUARTETT, Aparte Music

Das im Jahr 2007 an der Korea National University of Arts gegründete Novus String Quartet kombiniert das Schubert‘sche Streichquartett mit Alban Bergs Lyrischer Suite.

Jaeyoung Kim, Young-Uk Kim, Seungwon Lee und Woongwhee Moon wählen wesentlich breitere Tempi als das Quartetto di Cremona (insgesamt brauchen sie ca. sechs Minuten mehr) und pflegen einen schlankeren, sehnigeren Klang. Das Novus Quartet legt wie bei Alban Berg die faszinierenden Strukturen des Schubert‘schen Spielwerks offen. 

 

Im Ausdruck klingt das Streichquartett um den Tod eines Mädchens bei den jungen Leuten aus Korea versöhnlicher: „Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! Bin Freund, und komme nicht zu strafen. Sei gutes Muts! Ich bin nicht wild, Sollst sanft in meinen Armen schlafen!“ Da ist ja auch im Gedicht  vom Matthias Claudius der Tod nicht unbedingt jemand, den man nur fürchten muss, da klingen ja auch Trost und ein sanftes Gleiten an. Ein (scheinbar) finaler Friede ist es, der uns hier in den Schlaf hüllt. Aber wer weiß, wer weiß?

 

Mit jugendlichen Elan legt das Quartett Wert auf eine ausgetüftelte Binnenphrasierung, das berühmte Andante con moto mit seinen fünf Variationen auf das eigenzitierte Lied „Der Tod und das Mädchen“ berührt durch die süße Kargheit des Klangs. Fein nuancierte Abschattierungen im Piano legen hier eine völlig anders dimensionierte Ausdrucksskala von Zuversicht, Spott bis die den Himmel beschwörenden Triolen offen. 

 

Wir haben es auf jeden Fall mit einer hochseriösen Interpretation zu tun, bei der Herzblut fließt, wenngleich dabei nicht immer der Siedegrad der Italiener erreicht wird. Der Musikliebhaber hat die Wahl aus zwei eigenständigen Sichtweisen und das ist doch eine gute Nachricht. Vor der Frage, was das dem jeweiligen Hörer Adäquate bei einer solchen Auswahl an qualitativ hochwertigen Aufnahmen ist, ziehen wir den Vorhang zu. Die Kreide braucht der Merker heute nicht. 

 

Aufgenommen wurde das Album in Paris, Little Tribeca, im September 2017.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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