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FRANZ LISZT „HEILIGENLEGENDEN“ Vol. 1 – Thomas Konieczny, Stephanie Houtzeel, Martin Haselböck dirigiert das Orchester Wiener Akademie; aparte

17.12.2022 | cd

FRANZ LISZT „HEILIGENLEGENDEN“ Vol. 1 – Thomas Konieczny, Stephanie Houtzeel, Martin Haselböck dirigiert das Orchester Wiener Akademie; aparte

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Franz Liszt war ja nicht nur Musiker, sondern unterwarf sich auch niederen kirchlichen Weihen und stand in einem engen Band zum Franziskanischen Orden, um seiner Religiosität und katholischen Frömmigkeit Statur und Zeichen zu verleihen.

Von den Vorstellungen der von Abbé de Lamennais geprägten musique humanitaire getragen, setzte Liszt vor allem in seinem Alterswerk auf geistliche Musik, die „weihevoll, stark und wirksam“ den Menschen veredeln, trösten, läutern und die Gottheit segnen und preisen soll. Neben den bekannteren großen Werken, wie der „Graner Messe“, der „Ungarischen Krönungsmesse“, der „Legende von der heiligen Elisabeth“, des Oratoriums „Christus“ und eines 1869 fertiggestellten „Requiems“ schrieb Liszt auch eine Reihe von Werken über das Leben Heiliger. Inspiriert von romantischen bildlichen Darstellungen und ebensolcher Literatur schuf Liszt große Werke für Solisten, Chor und Orchester, aber auch kleinere Kompositionen für Orgel oder für andere Instrumentalkombinationen. Gewidmet waren sie Heiligen wie Franz von Assisi, Cäcilie oder seinem eigenen Namenspatron Franz von Paula.

Auf der vorliegenden CD sind fünf „Legenden“ zu hören: „Die Glocken des Strassburger Münsters“ für Bariton, Chor und Orchester, „Cantatibus organis“ für Alt, Chor und Orchester, die „Deux Légendes“ für Orchester, „San Francesco“ für Orgel, „Cantico del Sol di Francesco d’Assisi“ und „Hosannah“ für Bassposaune und Orgel.

Mit einem wuchtigen Excelsior – Metapher für das beständige Streben nach Höherem – beginnen „Die Glocken des Strassburger Doms“ aus dem Jahr 1874. Nach Texten des amerikanischen Schriftstellers Henry Wadsworth Longfellow geht es inhaltlich und musikalisch wild zur Sache. Lucifer (dämonisch schwarzbassig Tomasz Konieczny, Aber: weniger Vokalverfärbungen und dafür mehr Textverständlichkeit wären eine Wohltat für den Hörer) versucht mit Hilfe von Luftgeistern das Kreuz vom Turm des Doms herunterzureißen, die Glocke zum Absturz zu bringen, auf dass sie in tausend Teile splittere und die bunten Kirchenfenster einzuschlagen. Trotz Blitzgeschleudere und anderer teuflischer Zerstörungsmanöver triumphiert dank der Apostel und der Märtyrer Siegessscharen das Göttliche: „Nocte surgentes vigilemus omnes! Laudemus Deum verum!“ Orgel und gregorianischer Gesang beschließen das hochdramatische Stück.

Im Antiphon „Cantatibus organis“, für ein Palestrinagedenken der Società Musicale Romana 1879 verfasst, griff Liszt auf einen lateinischen Text der ersten Vesper zum Fest der Heiligen Cäcilie zurück. Musikalisch stützt sich die Komposition auf den gregorianischen Gesang „Benedicamus Domino“. Liszt, der in die Mitte des Werks sekundweise fallende Dur-Dreiklänge als Hommage an Palestrina und dessen doppelchöriges „Stabat Mater“ einfließen ließ, beschränkte sich in der Wahl der musikalischen Mittel ganz auf solemne Harmonien und verzichtete auf virtuoses Beiwerk, weil es ihm „zuwider sei, die heilige Cäcilie brillieren, trillern, gurren und brüllen zu lassen.“

In der zweiteiligen großen symphonischen Dichtung „Deux Légendes“ für Orchester dreht die Stimmung wieder auf eine wirkungsvolle hochromantische Klangsprache. Die programmatischen Inhalte beziehen sich auf die wundersame Überquerung der Meerenge von Messina durch den Heiligen Franz von Paula sowie die Vogelpredigt des Heiligen Franz von Assisi. Letztere nutzt Liszt zu ausgiebigem lautmalerischem Vogelgezwitscher mittels Flötengetrillere über ruhigeren Oboensoli. Bei diesem Manifest auf eine intakte Natur kann das Orchester der Wiener Akademie unter der lichten musikalischen Leitung von Martin Haselböck demonstrieren, wie duftig, verträumt, pastoral, idyllisch und zukunftsweisend zugleich Liszt erklingen kann.

„San Francesco“ ist ein Orgel-Präludium (Florian Kaier) für die zweite Fassung des „Cantico del Sol di San Francesco“. Das Sonnengebet des Heiligen Franz von Assisi zur Lobpreisung von Natur und Schönheit der Schöpfung Gottes, der Legende nach auf einen verzückten Moment im Leben des Heiligen zurückzuführen, bildet die Grundlage dieser Kantate für Bariton, Männerchor und Orchester. Das Album schließt mit einem „Hosannah“ für Posaune und Orgel, das auf Motive der Cantico-Kantate und des Chorals „Heilig ist Gott der Vater“ verweist.

Martin Haselböck kann sich in den 1983 (Hosannah), 2015 (Deux Légendes) und überwiegend 2021 in der Wiener Jesuitenkirche aufgenommenen „Legenden“ auf die Gestaltungskraft und die ausgewogene Stimmbalance des Chorus Viennensis und des Chorus Ad Libitum verlassen. Seine vorzügliche Wiener Akademie leistet mit Hingabe, Sinn für die exzessive Klangsprache und transzendente Spiritualität zugleich den Hauptbeitrag zur Rehabilitierung dieser vielleicht weniger bekannten Seite aus Liszts Schaffen. Man darf schon auf die nächste Folge der Reihe gespannt sein.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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