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FRANKFURT/ Alte Oper: Frankfurter Opern- und Museumsorchester Kristiina Poska, Leitung, Simon Trpčesky, Klavier. (Tüür, Rachmaninow, Tschaikowsky)

02.07.2024 | Konzert/Liederabende

Konzertabend zwischen Ost und West: Tschaikowsky, Rachmaninow und Tüür in der Alten Oper Frankfurt

Am 1. Juli 2024 fand in der Alten Oper Frankfurt ein bemerkenswerter Konzertabend statt, der das Publikum auf eine musikalische Reise zwischen Ost und West mitnahm. Das Frankfurter Opern– und Museumsorchester unter der Leitung von Kristiina Poska und der Pianist Simon Trpčesky präsentierten ein Programm, das die musikalischen Verflechtungen und Gegensätze zwischen den Kulturen eindrucksvoll beleuchtete.

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  Kristiina Poska © Kaupo Kikkas

Kristiina Poska, geboren in Estland, hat sich in den letzten Jahren als eine der herausragenden Dirigentinnen ihrer Generation etabliert. Sie begann ihre musikalische Ausbildung in ihrer Heimatstadt Tallinn und setzte ihr Studium in Wien fort. Poska ist bekannt für ihre Präzision und klare Interpretation . Seit 2013 ist sie Chefdirigentin der Flanders Symphony Orchestra und hat zahlreiche internationale Gastdirigate vorzuweisen.

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Simon Trpčesky © Simon Fowler EMI Classics

Simon Trpčesky, der aus Nordmazedonien stammt, hat an der Universität Skopje studiert und sich rasch als international gefragter Solist etabliert. Trpčesky zeichnet sich durch seine technische Brillanz, seine musikalische Sensibilität und seine charismatische Bühnenpräsenz aus. Er tritt regelmäßig mit führenden Orchestern weltweit auf und ist bekannt für seine Interpretationen der großen Klavierkonzerte des romantischen Repertoires.

Den Auftakt bildete das „Phantasma“ des estnischen Komponisten Erkki-Sven Tüür, ein Werk, das nach eigener Aussage des Komponisten Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre inspiriert ist. Tüür, wie Poska aus Estland stammend, zeigte mit diesem Stück, wie tief verwurzelt westliche Einflüsse in der östlichen Musiktradition sind. Das Orchester unter Poskas präziser und einfühlsamer Leitung entfaltete die komplexen Strukturen und klanglichen Schichten des Stücks mit beeindruckender Klarheit. Tüür macht es dem Zuhörer nicht leicht und reiht fortwährend Klangballungen aneinander, die in ihrer Lautstärke schnell ermüden. Das Publikum wirkte eher erleichtert nach dieser „Pflichtübung“, die mit wenigen Sekunden Applaus verabschiedet wurde.

Rachmaninows erstes Klavierkonzert ist ein Werk, das selten zu hören ist und dennoch tief beeindruckt. Das Konzert, das der Komponist mit nur 18 Jahren schrieb und später überarbeitete, zeigt die Einflüsse von Robert Schumann und Edvard Grieg, jedoch mit einer ganz eigenen russischen Note. Es ist geprägt von leidenschaftlichen Melodien, virtuosen Passagen und einem tiefen Ausdruck von Melancholie. Der Solist Simon Trpčesky brillierte mit feiner Anschlagskultur, kluger Agogik und eleganter Phrasierung, die die Musik aus dem Moment heraus zu entwickeln schienen. Sein Spiel war von einer tiefen Sensibilität und technischer Perfektion geprägt, was das Publikum spürbar begeisterte. Völlig über dem Werk stehend liebkoste er die Tasten seines Instrumentes, um sodann wieder furios darüber hinwegzufegen. Intensiv suchte der den Kontakt zum Orchester, welches ihn auf Händen trug. Die Chemie zwischen Trpčesky und dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester war bemerkenswert, die Dialoge zwischen Solist und Ensemble waren lebendig und nuanciert. Der Beifall nach dem letzten Satz war überwältigend, das Publikum zeigte sich beeindruckt von der Virtuosität und dem emotionalen Ausdruck des Pianisten. Kristiina Poska war sehr aufmerksam in der Begleitung und gab dem Orchesterbeitrag viel Raum für sinfonische Entfaltung, was hervorragend gelang. Simon Trpčesky zeigte in den beiden Zugaben sich als Entertainer und führte die Zuhörer zunächst in sein Heimatland mit einem folkloristischen Tanz. Danach spielte er eine Mazurka von Tschaikowsky, wunderbar sekundiert von Konzertmeister Dimiter Ivanov und Mikhail Nemtsov am Cello.

Nach der Pause stand Tschaikowskys vierte Sinfonie auf dem Programm, ein Werk, das ohne Zweifel zu den bedeutendsten der sinfonischen Literatur zählt. Tschaikowsky, oft als Wanderer zwischen den musikalischen Welten des Ostens und Westens beschrieben, schuf mit dieser Sinfonie ein tief emotionales und dramatisches Werk. Das zentrale Thema dieser Sinfonie ist das Schicksal, das in den ersten Takten mit einer drohenden Fanfare eingeführt wird und im gesamten Werk immer wieder auftaucht. Der zweite Satz, ein sehnsuchtsvoller Gesang, bietet dazu einen starken Kontrast. Die Melancholie und Innigkeit dieses Satzes wurden vom Orchester mit großer Ausdruckskraft dargeboten. Der dritte Satz, eine humorvolle Groteske, wird ausschließlich im Pizzicato der Streicher gespielt. Diese ungewöhnliche Orchestrierung erzeugte eine leichtfüßige, tänzerische Atmosphäre, die das Publikum zum Schmunzeln brachte. Der lärmende vierte Satz schließlich war ein rauschendes Fest, in dem Tschaikowsky zeigen wollte, dass man allen Weltschmerz mit viel Tschingderassabum des intensiv geforderten Schlagzeugs hinter sich lassen und das Leben feiern solle. Doch auch hier gibt es kein Entrinnen vor dem Schicksal, das immer wieder drohend in die fröhliche Musik einfällt und am Ende in einer triumphalen, aber zugleich bedrohlichen Stimmung gipfelt.

Was Dirigentin Kristiina Poska und das beflügelt aufspielende Orchester darboten, entsprach internationaler Spitzenklasse. Poska ließ die Musik jederzeit atmen und pulsieren. Sehr genau legte sie Wert darauf, die narrative Kraft dieser leidenschaftlichen Musik zu exponieren. Dabei achtete sie auf vorzügliche Transparenz, ohne dabei die Musik abzukühlen. Im Gegenteil. In den Kulminationen des ersten und vierten Satzes ließ Poska geradezu entfesselt musizieren. Das Andantino im zweiten Satz hatte die notwendige Schwermut, aber auch dann wieder ein Augenzwinkern, was diese Minuten unwiderstehlich machte. Mit Ironie und Witz gestalte Poska dann das köstliche Scherzo. Das Finale hatte wirklich das geforderte Feuer, sodass das Publikum diesen wunderbaren Vortrag in einem kollektiven Aufschrei der Begeisterung in Empfang nahm. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester spielte überragend an diesem Abend, kraftvoll und farbenfroh, sodass vor allem die komplexen Strukturen der Orchesterstimmen klar und deutlich zu vernehmen waren. Besonders die feinen Holzbläser-Soli und die kultivierte Darbietung des gesamten Orchesters hinterließen einen tiefen, bleibenden Eindruck. Claudia Dresel sang geradezu die Soli mit ihrer Klarinette. Strahlend waren die Hörner zu vernehmen, während die übrigen Blechbläser üppig aufspielten. Herrlich spielte die große Streichergruppe auf, warme Tongebungen der Celli und erdige Grundierungen der Kontrabässe ergaben ein edel tönendes Fundament. Tobias Kästle hatte starke Momente an der Pauke und seine Kollegen vom Schlagzeug waren im fulminanten Finale bestens zur Stelle. Kristiina Poska führte das Orchester mit sicherer Hand durch die emotionalen Höhen und Tiefen der Sinfonie, was das Publikum mit begeistertem Applaus quittierte.

Der Abend war ein wunderbares Beispiel dafür, wie östliche und westliche Musiktraditionen sich gegenseitig inspiriert und befruchtet haben. Das Publikum in der Alten Oper Frankfurt erlebte eine kurzweilige und spannende Reise durch die musikalischen Welten von Tschaikowsky, Rachmaninow und Tüür. Die Aufführungen waren von hoher musikalischer Qualität und ließen keine Wünsche offen. Besonders der Auftritt von Simon Trpčesky hinterließ einen bleibenden Eindruck, seine Virtuosität und musikalische Tiefe wurden vom Publikum mit lang anhaltendem Applaus gewürdigt. Für alle Anwesenden war es ein Abend voller schöner Momente, spannender Entdeckungen und beeindruckender musikalischer Darbietungen. Die Kombination der Werke und die hervorragenden Interpretationen der Künstler machten diesen Konzertabend zu einem feinen Erlebnis.

Dirk Schauß, 02. Juli 2024

Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 01. Juli 2024

Simon Trpčesky, Klavier

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Kristiina Poska, Leitung

 

 

 

 

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