Brian Mulligan, Claudia Mahnke, Kirsten MacKinnon, Andreas Bauer; (c) Monika Rittershaus
Frankfurt: L’africaine – Vasco da Gama 25.2. 2018 Premiere
Die Oper Frankfurt gibt,wie schon andere Theater, der letzten Grand Opera Meyerbeers, die er selber nicht mehr vollenden konnte, den Titel Vasco da Gama bei, da es sich um zwei verschiedene Stoffe handelte und die ursprüngliche Afrikanerin dann eigentlich gar keine war, sondern aus der indischen Sphäre stammte. Wesentlich bei der Neuinszenierung von Tobias Kratzer ist, dass das gar keine Rolle spielt, da er die die Indien-Entdeckung da Gamas durch eine aktuelle Entdeckungs-Raumfahrt ersetzt, was dadurch eine ganz neue Konnotation erhält, die aber gelingt und funktioniert und man sich dabei nicht auf kolonialistisches Glatteis begibt. (Das wurde vom Publikum anscheinend, aber nicht mehrheitlich honoriert.) Die ‚Naturwesen‘, die da Gama von seiner ersten Entdeckungsreise mitbringt, sind Fantasiemenschen von einem unbekannten Planeten, in bläulich geäderte Ganzkörperanzüge gesteckt, bei Selika mit zwei Hörnchen am Kopf und bei Nelusko, der mit seinem sehr breiten Oberkörper wie ein Orang -Utan wirkt, mit einer Art dunklem Schweif auf dem Kopf (Chefmaskenbildnerin: Antje Schöpf). In Lissabon sind sie natürlich noch durch Umhänge kaschiert, was ihnen aber nichts nützt, sie werden mit Vasco in ein hermetisch geschlossenes aseptisches Gefängnis gebracht, aus dem sie sich aber befreien können, da Nelusco seine Navigationskünste dem Intrigant Pedro anbietet.
Davor wurde in einem Bühnenbild (Rainer Sellmaier) eine Art Naturkundemuseum mit Videos zur Weltraumfahrt, links ein Konferenzsaal, auf beiden Seiten durch automatische Eisentüren abgeschlossen, gezeigt, alles wie ein gediegenes, fast luxuriöses modernes Interieur wirkend. Bei der sich der Kinderbesichtigung anschließenden Konferenz wird mit Billigung des Großinquisitors über die neue Weltraum-Exkursion mit den Erkenntnissen Vasco da Gamas mit Stimmkarten negativ abgestimmt.
In dieser dramatischen Phase, in der Gama auch seine Geliebte Ines wiedersieht, die sich aber dann dem Intriganten Don Pedro verspricht, erklingt auch die beste Musik dieser Oper Meyerbeers, die bei grandioser Sogwirkung und Steigerung, alles in vertrackten Rhythmen verpackt, in zerreißender Manier kulminiert. Auch sonst erweist sich der Komponist in seiner letzten ‚Großen‘ als Meister seines Fachs in der Erzeugung von Stimmungen, raren Instrumetenkombinationen und einer weitausgreifenden teils hyperromantischen Harmonik. Das Orchester hat sich das alles in einzigartiger Weise zu Eigen gemacht, und der Dirigent Antonello Manacorda hat ein untrügliches Gespür, solche Stimmungen, die sich oft zu Tableaus verdichten, richtig und auf den Punkt zu bringen.
Leider kommt es bei der Inszenierung später zu einem spübaren Absenkung des Niveaus. Die zweite Weltraumerkundung beginnt mit der Verabschiedung der Astronauten durch ihre Frauen via Video-Skype und einer noch gut gestellten Flugentwicklung bis zur Überwältigung und Zerstörung der Raumfähre durch die stellaren Krieger. Deren Hemisphäre ist aber eine große Enttäuschung. Anscheinend fand hier das Team keine angemessene Lösung, Allenthalben sieht man Kräuterbeete und in Regalen Wacholderbäume, das Ganze grau in grau ausgeleuchtet. Das ergibt gar keinen aufregend „exotischen“ Hintergrund für die noch folgenden leidenschaftlichen Begegnungen Selika- Vasco-Ines. Auch der giftige Manzanillo-Baum in der aseptischen Gefängniszelle kann es nicht sein. Nur die Vereinigung Selika -Vasco als fliegende Astronauten vor Sternenhimmel hat wieder etwas Poetisches.- Die Astronautenanzüge und die heutigen Anzüge für die Lissaboner, die verschiedenen Dressen für Ines und ihre Freundinnen sind auch von R.Sellmaier.
Ein ‚dolce‘ timbrierter Michael Spyres als Vasco kann ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich lenken. Sein Tenor klingt weich und warm auch in den Höhen. Nie angestrengt ist er in fünf Akten ein allzeit präsenter Darsteller. Seine Selika ist Claudia Mahnke mit hingebungsvollem Mezzo. Dabei gelingt ihr auch ein expressiver bis schneidender Ausdruck wenn sie ihr Königtum im ‚Sternenkrieg‘ vertritt. Am Ende macht sie aber die Liebe blind, und sie verströmt sich leise. Den Nelusco gibt Brian Mulligan mit kräftigem, sehr markantem Bariton. Der Ines der Kirsten MacKinnon steht eine Stimme mit schönsten Farben, dabei elegant obertonreich ausschwingend, zur Verfügung. Ihre Anna ist der Mezzo Bianca Andrews mit blondem Kurzhaar. Don Pedro wird von dem hellen leichtgewichtigen Baß Andreas Bauer gegeben, der trotzdem in prägnanten Phrasen übers Orchester kommt. Sein Co-Baß Don Diego stellt Thomas Faulkner dar. Den Oberpriester des Brahma singt Magnus Baldvinsson mit gewohnter Baß-Emphase. Don Alva ist der Tenor-Antagonist Michael McCown. Einen sympatischen Ober-Astronauten gibt Isaac Lee. Die Flugartistinnen sind Susanne Beschorner und Simone Kieltyka von ANGELS Aerials. Die Chöre zeigen sich gut instruiert (T.Michael) und in Meyerbeers kristallinem Klangbild bestens eingewoben.
Friedeon Rosén