Rachel Nicholls. Foto: Barbara Aumüller/ Oper Frankfurt
Frankfurt: „TRISTAN UND ISOLDE“ – Premiere 19.01.2020
Meiner Lieblingsoper „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner widerfährt im neuen Jahrzehnt landauf landab eine regelrechte Renaissance und hatte nun heute erneut nach wenigen Jahren Absenz Premiere an der Oper Frankfurt. Erlebte ich gestern Abend in Baden-Baden den II. Akt konzertant, kam ich heute in den Genuss der kompletten Oper.
Ohne Psycho-Analyse der personellen Verstrickungen der Protagonisten erzählte Katharina Thoma die Story zunächst konventionell nach Textur-Vorgaben, verlor sich allerdings immer mehr in überflüssigen Details unter Einbezug diverser Ideen-Kopien, welche mir aus früher besuchten Produktionen bekannter weise begegneten. Ihr Finale konzipierte die Regisseurin frei nach Harry Kupfer!
Das Einheits-Bühnenbild ein hell-steriler Raum mit Türen und Oberlicht-Neonröhren gestaltete Johannes Leiacker. Bereits zum Vorspiel entschwebte von oben ein Plateau mit schwarzem Kahn. Im zweiten Akt wurde er in weiße Hussen gehüllt als Getränke-Bar umfunktioniert, der schwebende Untergrund diente nun als vertikal-variable Trennwand. Tristans Burg Kareol als dunkle Stufenkonstruktion, welche zum Liebestod rückwärtig verschwand und Isolde gleich einer erlebten Vision (?) allein im leeren Raum zurück ließ.
Die irische Maid kam in elegantem Hosendress und Mantel und hellem Empire-Kleid daher, Brangäne im Reise-Kombi-Chic mit Hütchen, die Herren erschienen zeitlos kostümiert (Irina Bartels). In vortrefflichem Licht-Design verhalf Olaf Winter der neutralen Optik zu atmosphärischer Vitalisierung.
Am Pult des bestens disponierten Frankfurter Opern- und Museumsorchesters waltete umsichtig GMD Sebastian Weigle und führte seinen vortrefflich aufspielenden Klangkörper durch die emotionsreiche prächtige Partitur. Harmonisch distanziert, in schier kammermusikalischer Transparenz erklang das Vorspiel, Weigle ließ die Musik harmonisch fließen, steigerte die Tempi allmählich, rückte musikalische Details in sphärische Nähen, beleuchtete brillant orchestrale Zwischentöne und lenkte in mitreißender Energie diese narkotische Musik in überwältigende Klangdimensionen. Wunderschön, atmosphärisch erklangen die Soli von Englischhorn und Holztrompete von Romain Curt und Matthias Kowalczyk auf offener Szene.
Pardon meine Damen heute gebe ich bedingt der vokalen Leistungen den Herren den Vorzug.
Vincent Wolfsteiner hörte ich vor acht Jahren erstmals und besuchte nicht nur wegen seiner Tristan-Interpretation viermal die geniale Produktion in Nürnberg. Voller Energie in jugendlich strahlendem Überschwang kam Tristan damals daher. Inzwischen entwickelte sich die Stimme zum Heldentenor und schöpfte in vokaler Harmonie aus dem Vollen. Strahlend-imponierende tenorale Höhenflüge, wunderbare mezza-voce-Phrasen, vortreffliche Artikulation, wunderbare musikalische Homogenität kennzeichneten die Qualitäten dieser ausdrucksstarken Stimme. Selbst im kräftezehrenden dritten Aufzug verlor sein sich steigerndes Potenzial nicht an vokaler Schönheit.
Foto: Barbara Aumüller/ Oper Frankfurt
Die kultivierteste Stimme des Abends vernahm man jedoch von Andreas Bauer Kanabas. In absoluter Perfektion ließ der geniale Sänger sein exquisites Bass-Material in prächtigem Wohlklang strömen. Ohne Larmoyanz, in nuanciertem Farbenreichtum entfaltete sich Stimme ergreifend, beschwörend in herb-maskuliner Präsenz. Noblesse, Eleganz, majestätische Aura schenkte Bauer Kanabas zudem König Marke in berührender Darstellung.
Intensiv im Spiel stand Tristan der getreue Kurwenal zur Seite, in kräftig-markanten Farben, nuancierter Tongebung zeichnete der Bariton Christoph Pohl den rauen Gesellen.
Schönstimmig fügten sich Michael Porter (Seemann), Iain MacNeil (Melot), Tianji Lin (Hirte), Liviu Holender (Steuermann) sowie der agile von Tilman Michael bestens vorbereitete Herren-Opernchor in die Szenen.
Die Elektra-Auswüchse von Rachel Nicholls vor einem Jahr hallen mir noch heute im Ohr!
Nun hegte ich die Hoffnung, dass der Dame Wagner besser in der Kehle liege, doch weit gefehlt! Singt´s Isolde gar selbst O wie du dich trügst! Eine prominente Sängerin ihrer Zeit meinte dereinst: zur Isolde bedarf es nicht unbedingt eines hochdramatischen Soprans, nein es reichen lediglich eine gutfundierte, ausdrucksstarke schöne Stimme mit Kraftreserven. Manche Sängerinnen erliegen dem Wahn, zu früh ohne fundamentale Mittel derartige Partien singen zu müssen, die überforderten Stimmbänder jedoch rächen sich stets bar des frevelhaften Leichtsinns! Rachel Nicholls vermochte ihrer Isolde nur wenige angenehme vokale Momente zu schenken, den Rest verschweige ich, nicht umsonst musste die Sängerin vehemente Buhrufe einstecken.
Ausgeglichen, mehr Sopran als Mezzo, solide sang Claudia Mahnke den weiblichen Gegenpart, schenkte der Brangäne eine betuliche Mütterlichkeit sowie ihrem Wachgesang überraschend dunkel koloriertes weiches Strömen.
Nach den ersten beiden Akten gab sich das Publikum noch zurückhaltend, feierte allerdings beim Schluss-Applaus die Solisten, Weigle und sein Orchester (auf der Bühne) mit Bravos und großer Begeisterung. Merklich flaute diese beim Erscheinen des Produktions-Teams ab.
Gerhard Hoffmann