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FRANKFURT/ Theater Theatrallalla: DER RING DES NIBELUNGEN – szenische Lesung

01.03.2018 | Theater

FRANKFURT / Theater Theatrallalla: DER RING DES NIBELUNGEN – szenische Lesung
am 28.2.2018 (Werner Häußner)

Gipsbleich richtet der Meister seinen grimmig-erhabenen Arno-Breker-Blick in die Ferne. Hinter ihm prangt der prächtige Bau des Festspielhauses auf zwei Foto-Betttüchern. Wo sonst zu frohem Klang der Bembel der Äppelwoi fließt und derbe hessische Sprachfetzen in der Runde klingen, ist diesmal Sammlung und Seriosität angesagt. Bäppi widmet sich Wagner.

Thomas Bäppler-Wolf, alias Bäppi La Belle, ist eine Kultfigur in Frankfurts Comedy-Szene und darüber hinaus. Im „ernsten“ Leben draußen widmet er sich als Frankfurter Stadtverordneter mit der ihm eigenen Chuzpe der Lokalpolitik. Drinnen babbelt er, respektive sie, im Dauerbrenner „Hessisch fer Aafänger“ in draller Tracht von Frankfurts Nationalelixier, der „Grie Soß“, und lässt sich herab, sogar den Namen einer Nachbarstadt auf den Lippen zu führen. Und im März steht er als Richter Adam in einer Komödie „dreist nach Kleist“ auf der Bühne seines Musentempels Theatrallalla in der Friedberger Landstraße. Auf die humorgetränkte Zurichtung Marcel Schillings (Regie und Bearbeitung) wird man sich verlassen können.

Hier im Frankfurter Nordend weist die Muse Thalia ihre tragische Schwester Melpomene normalerweise nachdrücklich vom Platze. Die Nähe zum Hauptfriedhof ist dafür kein Hindernis. Aber diesmal ist schwereres Gedünst angesagt. Bedeutungsvoll heben sich fünf Damen und Herren, in der Mitte Bäppis imposante Gestalt ganz in Schwarz, auf das Podium. Angekündigt ist eine Lesung des „Rings des Nibelungen“ – natürlich in Comedy-Format. Doch zunächst kommt es, wie es kommen muss: „Weia! Waga! Woge, du Welle …“. Die erste „Rheingold“-Szene, niedlich und neckisch, glatt und glau, wird fast wörtlich ungekürzt gesprochen. Stabreime stolpern, Wagner webt sich zu wunderlichen Wort-Würmern. Das mag ja heiter werden: Zwei Stunden Lesung sind angesagt – am Ende waren es zweidreiviertel. Viel zu wenig für den ganzen „Ring“.

Das war den Machern auch klar – und so wird kräftig gekürzt. Die „Walküre“ kommt nur als Inhaltangabe vor, trotz des schon im Original komödienträchtigen Ehekrachs zwischen Wotan und Fricka, „Siegfried“ und die „Götterdämmerung“ sind geschickt eingedampft. Bäppi und seine Mitstreiter verlassen sich beileibe nicht auf die komische, aber schnell abgegriffene Wirkung des Stabreims. Sie entdecken in Wagners Wulst natürlich die bekannten Gags, vom „garstigen Gauch“ bis zum „höckrigen Geck“, aber auch manch unbekannte Sprachperle. Das Ganze wird mal in erhabenem Staatstheater-Deutsch (Ute Ehrenfels als salbungsvolle Fricka), mal im verschliffenen Jugendslang (Mathias Zimmer mit Skater-Käppi als Siegfried), dann wieder im sachlichen Kommentarton oder in fiepsiger Aufregung (Bastian Korff etwa als Mime) vorgetragen. Marlene Zimmer beklagt sich beleidigt, weil sie im „Rheingold“ über Freias „Helft vor den Harten“ kaum hinauskommt.

Und in all dem mal skandierten, mal heruntergerasselten Sprachwirbel: Bäppi als Zentrum, um das sich alles dreht. Zack, Augenklappe auf, und in frankfurterisch eingefärbtem Sächsisch Wotan gemimt. Wusch, einen Plastiksäbel entblößt und Notung, den neidlichen Stahl besungen. Plopp, einen Plastikhelm mit Hörnern und rostroten Zöpfen aufs kahle Haupt und fertig ist Brünnhilde. Die Höhepunkte des Abends sind, wenn Bäppi im Falsett die Schreckens- und Entzückensrufe der Walküre zelebriert und ihr – Helm weg, Schlapphut auf – Hagen in brummelndem Hessisch antwortet. Nun ja, der Rhein fließt ja nicht weit von Frankfurt seinen Weg …

Dazwischen passieren komische Unfälle. Ob geplant oder nicht, sie wirken. Etwa, wenn jemand einen Strich vergisst und munter drauflosrezitiert. Oder wenn in der „Götterdämmerung“ die Ungeduld zelebriert wird: Können wir nicht endlich heim!? Zwischendurch ist auch die Technik abwesend – Theaterhund Ramses muss schließlich Gassi geführt werden an so langen Wagner-Abenden. Am Ende klappt’s dann wieder und der imaginäre Vorhang senkt sich zu den dröhnenden Akkorden und der erhaben-versöhnenden Melodie des „Götterdämmerungs“-Finales. „Jetzt“, kommandiert Bäppi und der Beifall ist losgelassen.

„Zwei Leute sind in der Pause gegangen“, kommentiert der Komödiant, den eine starke Affinität mit Bayreuth und dem Meister verbindet. „In Bayreuth gehen in den Pausen jedes Mal ungefähr hundert. Da sind wir doch ganz gut.“ Geblieben sind die Wagner-Fans, die (fast) jedes Wort aus dem „Ring“ wiedererkennen. Geblieben sind auch diejenigen, die den Ring nur vom Raunen kennen und eher dem unverwechselbaren Charme der Kultfigur Bäppi erlegen sind. Und immerhin braucht es ja auch seine Zeit, bis der käuflich erworbene Bembel mit „Äppler“ geleert ist, der Wagners trockenes Treiben mit süffiger Säure umkleidet. Heia!

Werner Häußner

 

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