Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

FRANKFURT/ Sendesaal des Hessischen Rundfunks: THE THIEF OF BAGDAD. Musik und Film

Eine faszinierende Sackgasse der Musikgeschichte

14.04.2019 | Konzert/Liederabende

Frankfurt, Hessischer Rundfunk: Musik und Film „THE THIEF OF BAGDAD“ (Eine faszinierende Sackgasse der Musikgeschichte.) 11.4.2019

Bildergebnis für the thief of bagdad

Eine wirkliche Entdeckung! Im Sendesaal des Hessischen Rundfunks in Frankfurt wird der  Stummfilm „The Thief of Bagdad“ („Der Dieb von Bagdad“) des US-amerikanische Regisseurs Raoul Walsh  (1887-1980) gezeigt, und das hr-Sinfonieorchester spielt dazu die rekonstruierte Filmmuusik des US-amerikanischen Komponisten Mortimer Wilson (1876-1932). Am Pult steht der britische Dirigent und Film-Musik-Experte Mark Fitz-Gerald, dem auch die Rekonstruktion der Partitur zu verdanken ist. Ihn habe ich schon bei zwei eindrucksvollen Aufführungen erlebt: Im Jahr 2000 hat er  mit den Frankfurter Radio-Sinfonikern schon Dmitrij Schostakowitschs Musik zum Film  „Das neue Babylon“ (Regie: Grigori Kosinzew und Leonid Trauberg) aus dem Jahr 1929  gespielt, und 2008 die von Ernesto Halffter zu Jacques Feyders „Carmen“-Film von 1926. (Feyder  hielt sich nicht an Bizets populäre Oper, sondern an deren Vorlage,  die Novelle von Prosper Mérimée.) „Der Dieb von Bagdad“ ist nicht weniger beeindruckend – obwohl oder vielleicht gerade weil der Komponist in Europa  nahezu unbekannt ist und der Abend in eine faszinierende Sackgasse der Musikgeschichte führt. Nach knapp drei Stunden jedenfalls dankt das Publikum im fast voll besetzten Saal dem ebenso exakt wie ausdrucksvoll aufspielendem Orchester und seinem souverän und sorgfältig agierenden Dirigenten mit langem, begeisterten Beifall.

Mortimer Wilson studierte Komposition zuerst in Chicago, u.a. bei dem renommierten Kontrapunktiker Wilhelm Middelschulte (1863-1943). 1907 ging er nach Deutschland und studierte bis 1911 bei Max Reger in Leipzig. Nach seiner Rückkehr in die USA leitete er vier Jahre lang das  Atlanta Symphony Orchestra, 1915 ließ er sich als Komponist und Dozent an der National Academy of Music in New York nieder. Er schrieb zunächst sinfonische Musik und Kammermusik. Eine Klaviersuite „Silhouettes frio the Screen“ op. 55 aus dem Jahr 1919 dokumentiert sein frühes Interesse am Film. Die fünf Sätze sind großen Filmkünstlern gewidmet, der erste Charlie Chaplin, der letzte dem seinerzeit im Rollenfach des Abenteuerhelden enorm populären Schauspieler und Produzenten Douglas Fairbanks (1883-1939). Wilson schrieb danach mindestens sechs große Stummfilmmusiken, die erste 1920 zu dem Mantel-und-Degen-Film „The Mark of Zorro“ („Das Zeichen des Zorro“) von Fred Niblo, die letzte zum Filmdrama „Night Watch“ von Alexander Korda 1928. Für den aufkommenden Tonfilm scheint er nicht mehr gearbeitet zu haben – was mir nach dem Anhören seiner Musik zu „The Thief of Bagdad“ auch völlig nachvollziehbar erscheint.

Douglas Fairbanks war zugleich Produzent und Hauptdarsteller von „The Thief of Bagdad“. Regisseur Walsh drehte einen aufwändigen Film mit der ungewöhnlichen Spieldauer von 154 Minuten, der sich wie eine Oper in zwei „Akte“ mit  Pause gliedert. Vorlage war der gleichnamige Roman des (etwas geheimnisumwobenen, nach eigenen Angaben in Afghanistan aufgewachsenen) US-amerikanischen Schriftstellers Ahmed Abdoullah (1881-1945), der sich seinerseits von einem Märchen aus „Tausendundeine Nacht“ inspirieren ließ. Ausstatter William Cameron Menzies (1896-1957) schuf eine prachtvolle, im Detail liebevolle orientalische Fantasiewelt, die ihren Stadtansichten bisweilen schon an die expressionistische Bildsprache in Fritz Langs „Metropolis“ von 1927 erinnert. Auffällig ist der Stilwechsel zwischen den beiden Akten. Während die erste, in Bagdad spielende, längere Hälfte  in Handlungsdetails und Genreszenen gerade zu schwelgt, liefert die zweite Hälfte eine eher skizzenhafte Folge handlungsreicher Einzelepisoden innerhalb und außerhalb der Stadt. Handlung und Szenario enthalten vieles, was man als populäre Orient-Klischees einstufen darf, aber darüber hinaus weckt der Film beim Zuschauer ein wirkliches Interesse an der Hauptfigur, fesselt mit spannenden und überraschenden Momenten und bietet eine  Lebensweisheit an, die gegen Ende ausdrücklich als Zwischentitel aufscheint: „Happiness must be earned.“ – „Glück will verdient sein.“

Achmed, der „Dieb von Bagdad“,  lebt mit einem älteren Kompagnon zusammen in einem Brunnenschacht im Zentrum der Stadt. Die Eingangsszene zeigt, wie er sich am Brunnenrand schlafend stellt, um dann blitzschnell einen trinkenden Passanten zu bestehlen. Dank seiner Gewitztheit und seiner körperlichen Gewandtheit weiß er sich allen Nachtstellungen zu entziehen, und wir sehen viele Proben seines Könnens. Douglas Fairbanks zeigt dabei stets seinen drahtigen Oberkörper. „Die Mischung aus maskulinem Sex-Appeal und schelmischem Charme machte Fairbanks zum Superstar der Stummfilmzeit“, schreibt der Filmhistoriker David Gärtner. Dennoch dauert es hier eine ganze Weile, bis Achmed zum Sympathieträger wird; denn ein herausragender Charakterzug der Figur ist ihre Skrupellosigkeit. Vor dem Gebet in der Moschee und im Angesicht des Imams verhöhnt er Gott und Glauben und nimmt sich, wonach ihm der Sinn steht. Nur auf die Anerkennung seines ihm väterlichen Kollegen legt er Wert. Es gelingt ihm schließlich sogar, in den schwer bewachten Palast des Kalifen einzusteigen und dort ins Gemach der Prinzessin vorzudringen. Dass sich die behütete  Prinzessin spontan in ihn verliebt, bedeutet ihm zunächst nur einen weiteren Triumph – bis er merkt, dass er sich selbst ebenso verliebt hat.

Der Prinzessin wiederum steht  – nach klassischer Märchen-Formel – die Verheiratung mit einem der Bewerber bevor, die sich auf den Aufruf des Kalifen gemeldet haben. Es erscheinen: Ein indischer Prinz, reich und gewöhnlich; ein persischer Prinz, verfressen und verschlafen; ein mongolischer Prinz, unheimlich und berechnend. Ziemlich schnell wird klar, wer hier die wirkliche Gefahr darstellt: Der Mongole will Bagdad erobern und lässt parallel zu seiner Bewerbung verkleidete mongolische Soldaten in die Stadt schleusen; zudem hat er unter den Kammersklavinnen der Prinzessin eine Spionin von mongolischer Herkunft. (Gespielt wird sie von der später sehr berühmten Anna May Wong.) Ahmed nutzt tollkühn die Gelegenheit, mithilfe seines  Kompagnons in gestohlenem Kostüm auf geraubtem Pferd als unerwarteter vierter Bewerber in den Palast einzuziehen. Prompt entscheidet sich die Prinzessin für den gut aussehenden „Fürsten der Inseln, sieben Meere und Paläste“, dessen Titel alsbald Misstrauen weckt, bis Zeugen ihn als den Dieb identifizieren, der vor kurzem schon einmal  in den Palast eingedrungen ist. Bevor man ihn festnehmen kann, gesteht er der Prinzessin zerknirscht seine wahre Identität und will ihr den Verlobungsring zurückgeben. Sie jedoch steht zu ihm, muss aber erleben, wie er abgeführt und ausgepeitscht wird. Danach soll er von einem blutrünstigen Gorilla zerfleischt werden. Sie besticht Palastwachen und ermöglicht die Flucht.

Der Kalif erwartet von der Prinzessin eine sofortige zweite Wahl, doch mit Hilfe des gewitzten Hofwahrsagers gelingt es ihr, einen Aufschub von sieben Monaten zu erwirken; danach will sie dem Bewerber angehören, der ihr das seltenste Geschenk präsentieren kann. Die düpierten drei Kandidaten lassen sich darauf ein, schließen ein taktisches Bündnis  und verabreden in einer eine Tagereise von Bagdad entfernten Karawanserei ein Zusammentreffen nach sechs Monaten. Von dort macht sich jeder auf den Weg nach einer möglichst seltenen Beute. Der Perser raubt einen fliegenden Teppich. Der Inder zeigt noch weniger Hemmung und lässt ein magisches Kristall aus einer alten Heiligenfigur herausbrechen; dabei kommt der Kletterer zu Tode und wird achtlos liegengelassen. Am skrupellosesten geht der Mongole vor: Um die Wirkung des von ihm geraubten magischen Apfels zu testen, lässt er einen Fischer vergiften, den er anschließend wieder zum Leben erweckt. Nach erfolgreichem Versuch ergeht der Auftrag an die mongolische Hofsklavin, die Prinzessin zu vergiften, worauf diese tatsächlich lebensgefährlich erkrankt. Diese Handlungsepisoden werden im Film jeweils unterbrochen durch Szenen, die das weitere Schicksal des Diebs zeigen.

Achmed, am Boden zerstört, beichtet seine Geschichte und seine Verzweiflung dem eben noch verspotteten Imam. Der verweist ihn geschickt auf den Weg der Bewährung. Um der Prinzessin ebenbürtig zu werden, müsse er innerlich zum Prinzen werden. Er sendet ihn zu einem weisen Eremiten, der ihm den Weg zu einem großen Schatz weisen soll: „Sei ruhig und werde Herr deines Schicksals“. Mit einem einzigen Schwerthieb teilt Achmed daraufhin seinen Verlobungsring in zwei Hälften und bittet den Imam, die eine Hälfte der Prinzessin zu überbringen. Diese weiß nun, dass sie auf seine Rückkehr hoffen darf. Achmed wird von dem Eremiten auf eine gefährliche Reise geschickt, deren Stationen dem Opernkenner zum Teil bekannt vorkommen. Der Held muss das Tal des Feuers („Die Zauberflöte“), das Tal der Ungeheuer mit einem gefährlichen Drachen („Die Zauberflöte“, „Siegfried“) und die Höhle der verzauberten Bäume („Alcina“) durchqueren. Er muss sich ein geflügeltes Pferd gefügig machen (ähnlich dem Pegasus im Bellerophon-Mythos), damit die Mondfestung (!) aufsuchen und sich von dort zu einem magischen See auf die Erde zurückschicken lassen, von dessen Grund er ein Schatzkästlein heben soll. Alle diese Prüfungen besteht er mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit; allerdings lässt er sich auf dem Grund des Sees kurzfristig von schönen Frauen in einer Grotte ablenken („Tannhäuser“, „Parsifal“), besinnt sich dann aber wieder seines eigentlichen Ziels. Sein Pegasus bringt ihn zurück – aber nur bis zum Eremiten. Der verweist ihn auf das Zauberpulver im Kästchen, und damit zaubert er sich ein passendes Pferd herbei und galoppiert Richtung Bagdad.

In der Karawanserei  treffen sich die drei Freier wieder. Der Blick in den magischen Kristall zeigt ihnen den gefährlichen Zustand der Prinzessin. Einträchtig fliegen sie auf dem fliegenden Teppich nach Bagdad und landen passgenau vor dem Krankenbett, wo der Mongolenprinz die Prinzessin mit Hilfe des magischen Apfels gesunden lässt. Diese ist ihm dankbar, verweist aber darauf, dass die Heilung ohne magisches Kristall und fliegenden Teppich unmöglich gewesen sei und daraus kein eindeutiger Vorrang resultiere. Die vom Kalifen angeregte Bedenkzeit bis zum nächsten Morgen nutzt der Mongole, um mit seinen Truppen den Palast und die Stadt zu besetzen. Von fliehenden Stadtbewohnern erfährt Achmed bei einer Brunnenrast die feindliche Übernahme, und während der siegreiche Rivale für sich die Hochzeit und für seine Mitbewerber einen Topf mit siedendem Öl vorbereiten lässt, zaubert er als Helfer in der Not einen Trupp Soldaten hervor, und, nachdem man ihm den Zutritt in die Stadt verweigert, per Umritt um die Stadtmauern eine ganze Armee. Es braucht nur wenig Blutvergießen, bis er Einlass in die Stadt findet und, von der Bevölkerung als Erlöser bejubelt, sich Zugang zum Palast verschafft. Schnell erkennt der Mongolenprinz die militärische Aussichtslosigkeit, schickt sich aber an, die Prinzessin auf dem fliegenden Teppich zu entführen. Doch dank eines unsichtbaren Mantels kommt Achmed an der Leibwache vorbei, ringt ihn nieder und befreit die Gefangenen. Der Kalif gibt ihm die Prinzessin zur Frau, und die beiden Liebenden schweben auf dem bereit stehenden Teppich davon. Ende! (Um die Versorgung und Demobilisierung des vieltausendköpfigen Entsatzheeres und der geschlagenen Mongolen wird sich der Kalif kümmern müssen, aber das interessiert in diesem glücklichen Moment niemanden mehr.) 

Douglas Fairbanks beauftragte mit Mortimer Wilson einen ungewöhnlich gewissenhaften Filmkomponisten, denn dieser war von Anfang an bei den Proben und Dreharbeiten des Films mit dabei, machte sich schon am Set Notizen für seine Musik und saß im Projektionsraum, um ein exaktes Timing für jede Szene zu entwickeln. Bei der Premiere am 18.3.1924 im New Yorker Liberty Theater und in den zwei Wochen darauf dirigierte er selbst das Orchester. Danach bestand der prominente Produzent Morris Gest (1875-1942), dem Fairbanks die Vermarktung des Films überlassen hatte, auf einer Anpassung an die übliche Gewohnheit, populäre und leicht fassliche Musikstücke zu unterlegen, und vergab den Auftrag neu. Wie kann man sich das vorstellen?  Interessanterweise veröffentlichte im gleichen Jahr der renommierte, aus Ungarn stammende Filmmusik-Komponist und -Dirigent Ernö Rapée (1891-1945) seine „Motion Picture Moods for Pianists and Organists. A rapid-reference collection of selected pieces, adapted to 52 moods and situations“, ein Kompendium  mit Repertoirevorschlägen für 52 Stimmungen und Situationen – alphabetisch geordnet von  „Aeroplane“ bis „Wedding“. (Sowohl fürs erste als auch fürs letzte Motiv musste Felix Mendelsohn Bartholdys „Sommernachstraum“-Musik herhalten, einmal mit dem Scherzo, das andere mal mit dem „Hochzeitsmarsch“.)

Tatsächlich kehrten die Filmtheater aber nach kurzer Zeit zu Wilsons Originalmusik zurück. Da aber Fairbanks‘ Filme nach dem Ende der Stummfilmzeit nicht weiter gespielt und zum Teil durch Tonfilm-Remakes ersetzt wurden, brach die Aufführungstradition ab. Mark Fitz-Gerald gelang es erst 2016, die Partitur aus den verbliebenen Quellen zu rekonstruieren. Die Orchesterstimmen und der Klavierauszug waren erhalten und die Projektionsgeschwindigkeit bekannt. Es zeigte sich aber, dass durch nach der Premiere vorgenommene Änderungen an der Bildspur etwa 30 Minuten der Originalmusik nicht mehr passten und neu organisiert oder arrangiert werden mussten. Mit Ausnahme einer etwas isoliert wirkenden Zwischenphase im zweiten Akt ist das klangliche Ergebnis aber immer noch von einer imponierenden Geschlossenheit. Wilson machte sich offensichtlich den in der Filmmusik-Diskussion um 1910 aufgekommenen  Gedanken zu eigen, nicht auf jeden Schnitt zu reagieren, sondern die Musik großflächig und variabel anzulegen, um eine gewisse musikalische Geschlossenheit zu erreichen. Seine Musik erreicht sinfonische Dimensionen und gliedert die Handlung in größere Zusammenhänge. Sie trägt sogar durch das Wiederaufgreifen vorangegangener Motive dazu bei, den erzählerischen Stilbruch zwischen den beiden Akten zu überbrücken. Denn musikalisch wird dem Zuschauer vergewissert, das trotz des veränderten Szenarios und der beschleunigten Erzählweise  die Handelnden und ihr Seelenleben immer noch dieselben sind. Da gibt es dann – natürlich in Wagnerischer Tradition – ein Diebesmotiv, ein Liebesmotiv, ein Fanfarenmotiv, ein Teppichmotiv und neben weiteren auch ein Pegasus-Motiv. (Letzteres ist eine Art fröhliche Variante von Wagners „Walkürenritt“. ) Dass die Schlussszene nicht auf das Liebesmotiv, sondern die Musik der Moschee-Szene zurückgreift, unterstreicht  bewusst die moralische Wandlung des Titelhelden als Kerngedanken des Films.

In ihrem Tonfall bewegt sich die für ein Sinfonieorchester von beethovenschen Dimensionen plus Harfe und Klavier komponierte Partitur zwischen Richard Strauss (an den eher romantischen Stellen) und Igor Strawinsky (in den eher bedrohlichen Szenen); darüber hört man gelegentlich Wagner-Reminiszenzen. Musikalische Exotismen sind nicht selten, mal pentatonisch mit Anklängen an Giacomo Puccini, mal chromatisierend wie vielleicht bei Nikolai Rimski-Korsakow; aber sie dominieren das Klangbild nicht. Das Auftreten des Muezzins und die Verlobungsszene werden sogar von protestantisch anmutenden Bläserchorälen begleitet. (Wobei auch die Bildsprache den Imam mit einer segnenden Christus-Geste ins Blick rückt. Letztlich, könnte man deuten, ist hinter dem exotischen Szenario die amerikanische Gegenwart gemeint, in der das Glück dem Glaubenden und Tapferen zukommen soll.)  An etlichen Stellen zeichnet Wilson wohldosiert sparsame Konturen, an anderen Stellen aber lässt er das Orchester vielstimmig polyphon aufspielen wie Richard Strauss oder Max Reger. Den Auftritt der Eunuchen begleitet er sogar mit einer (in ihrer Ernsthaftigkeit) komisch wirkenden Fuge. Obwohl die Musik an entscheidenden Stellen auch bildhafte Züge annimmt, bleibt sie nicht im Illustrativen stecken. Die Peitschenhiebe etwa, die Achmed einstecken muss, werden zwar klanglich nachgezeichnet, dann aber im Decrescendo abgedämpft, bis sie in der musikalischen Gesamtstimmung der Szene aufgehen Mit diesem Zug ins Große und Zusammenhängende gelingt es Wilson scheinbar mühelos, zweieinhalb Stunden Musik zu strukturieren und dem filmischen Geschehen Ruhe und Ziel zu geben. Dass sich seine Musik gegenüber den üblichen Schablonen durchsetzte, scheint mir ebenso plausibel wie der vermutbare Unwillen, sich diesen großen Bogen durch die gesprochenen Dialoge des Tonfilms zerstören zu lassen. Schade eigentlich, dass dieser Art von Filmmusik mit dem Stummfilm ausgestorben ist.

Andreas Hauff

 

Diese Seite drucken