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FRANKFURT/ Opernhaus: PARSIFAL . Premiere

19.05.2025 | Oper international

Frankfurt / Oernhaus: „PARSIFAL“ – Premiere 18.05.2025

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Parsifal, Kundry, Gurnemanz. Foto: Monika Rittershaus

Anno 1995 beendete die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender ihre grandiose internationale Gesangskarriere, wurde hernach erfolgreiche Intendantin, gefragte und sensible Gesangs-Pädagogin und letztlich widmete sich die Grande Dame des Theaters der Regie.

Nach bereits erfolgten interessanten Produktionen an der Oper Frankfurt inszenierte die nimmermüde umtriebige Künstlerin hier nun den „Parsifal“ von Richard Wagner.

Aller Mühen zum Trotz unterlag die Regisseurin den Versuchen des modernen Musiktheaters und ließ sich zu Verfremdungen des Werkes hinreißen. Die Handlung wurde in eine Klosterschule (?), so deutete ich es zumindest, verlegt. Johannes Leiacker schuf dafür das Ambiente sowie die Kostüme und verlieh dem Geschehen eine gewisse ästhetische Optik.

In einem grau-schwarz gehaltenen, diagonal zulaufendem Raum faltet Gurnemanz elegant im grauen Cut Badetücher, die Knappen (uniformell im Stile vornehmer Internatsschüler gewandet) dösen vor sich hin, mit Kundry kommt Leben in die Bude gipfelnd zu Parsifals Schwanenschuss, ein Jüngling im Karohemd, kurzen Hosen und Blondhaar-Perücke, der Federnumhang symbolisierte den erlegten Schwan, die Gralsritter etc. erschienen in schwarzen Anzügen. Per Drehbühne befinden wir uns im Refektorium mit Hintergrunds-Grotte. Enthüllet den Gral befahl Titurel im vollen Königsornat mit Krone am Rollator, die Gralschale ein riesiger Kelch erinnerte mich unwillkürlich an den Dom-Napf zu Speyer, die Speisung pardon das Abendmahl erfolgte mit Austeilung von Brötchen aus riesigen Säcken, Flüssiges gab es aus der Suppenterrine. Kurz vor dem Hinauswurf schnappte sich der Lümmel Parsifal noch ein Brötchen als Proviant. Szenenwechsel zum zweiten Aufzug, dasselbe vorherige Bild, Klingsor schuf sich eine Copie, lediglich inmitten eine rote Ottomane, die Blumenmädchen in weißen Brautkleidern umgarnten Parsifal in schwarzer Hose und Glitzerhemd, Kundry öffete bereitwillig ihre weiße Robe (darunter trug sie, besonders hocherotisch die Reiseleggins vom ersten Aufzug) sowie Schenkel, doch vergebens die Liebesmüh´ Parsifal blieb standhaft. Geschlossenen Helmes, Schild und Speer nahte Parsifal dem heiligen Quell, jedoch weit gefehlt mit Mantel, Hut und Sonnenbrille! Diese und andere Absurditäten bargen unfreiwillige Komik. Zum kuriosen Finale fanden sich Amfortas und Kundry zum Happyend, das brachte den „Domnapf“ zum Überlaufen und ich dachte: so ein Schmarren, aber bitte ohne Kaiser! Oder der betagte Rezensent hat nach hundertfachen Parsifal-Besuchen sowie nach der 22. erlebten Inszenierung wieder einmal „nichts begriffen“? Wie denn auch sei, zur verpatzten Szene gab es dennoch wundervolle akustische Genüsse.

Am Pult des bestens disponierten Frankfurter Opern- unbd Museumsrochester waltete erneut der junge GMD Thomas Guggeis und verlieh dieser Parsifal-Premiere zu bedeutungsvoller Würde. Zunächst wählte der sensible Dirigent gemäßigte Tempi, irritierte mich mit ungewöhnlich langen Generalpausen, jedoch allmählich gewann Guggeis an „Fahrt“ erfüllte die Partitur mit innerer Tiefen-Spannung, klarer Transparenz und intensiver sich immer steigender Dynamik. Von Anfang an setzte der feinfühlige GMD auf ein integriertes Ineinanderfließen der musikalischen Werk-Thematik, etwa beim Abendmahl, als sich Largo-Motive zur Ursubstanz bildeten außerhalb fühlbarer Zeiterfahrung in Wellen durch die Streicher zogen, sich in zyklischen Triolen die Bläser zum Pathos des Gesamtklangs formierten. Autoritär im Überblick strukturierte der temperamentvolle Dirigent Wagners elementare Komposition graduell in evidente Gefilde. Wunderbar flüssig, sich herrlich in lyrische Dimensionen steigernd erklang der Karfreitagszauber, schuf hoffnungsvolle atmosphärische Momente, welche Streichinstrumente nuanciert ausmusiziert zum orchestralen Nachspiel des Erlösungsmotives, poetisch formuliert regelrecht zum Himmel strebend zelebrierten.

Wie konnte es anders sein, von derart solitärer Bordüre umwoben, fühlten sich zumindest in erster Linie drei Solisten zu sanglichen Glanzleistungen inspiriert um sogleich den vokalen. Glanzpunkt des Abends und Publikums-Favoriten zu nennen: Andreas Bauer Kanabas. Zu dezenter, dennoch eindrucksvoller Darstellung formte der sympathische Sänger ein fulminantes Gurnemanz-Debüt. Es ist schon sehr lange her, dass ich so viel Ausdruck, erzählerisches Talent in bester Artikulation gepaart mit frei strömendem Legato in dieser Qualität erleben durfte. Die Schönheit, das herrliche Timbre dieser in allen Lagen höchst präsenten edlen Bassstimme faszinierten und betörten das begeisterte Publikum zugleich.

Ebenfalls debütierte Nicholas Brownlee als Amfortas. Nach seinem gefeierten Macbeth im Dezember verstand es der bewährte Bariton die Leiden der gequälten Seele dank seines kernigen, modulationsreichen Organs ausdrucksstark, gipfelnd in den schmerzvollen Erbarmenrufen klangvoll und mühelos umzusetzen.

Zu starker vokaler Präsenz präsentierte Iain MacNeil sein Klingsor-Debüt, ließ zur diabolischen Darstellung seinem markanten Bariton intensive Charaktere mit einfließen. Keineswegs siech mit vitalem Bass sang Alfred Reiter langjähriges Ensemble-Mitglied den greisen Titurel.

Ausgezeichnet fügten sich die Stimmen von Clara Kim, Idil Kutay, Nina Tarandek, Numbulelo Yende, Julia Stuart, Judita Nagyova (Blumenmädchen), Katharina Magiera (Stimme aus der Höhe), Kudaibergen Abildin, Sakhiwe Mkosana (Gralsritter), Idil Kutay, Nina Tarandek, Andrew Bidlack, Andrew Kim (Knappen) ins Geschehen.

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„Enthüllet den Gral“. Foto: Monika Rittershaus

Als problematisch erschien mir der Titelheld, für Ian Koziara kam das Parsifal-Debüt wohl einige Jahre zu früh, die dunkel gefärbte spröde Tenorstimme war den Anforderungen der Partie absolut nicht gewachsen. Dasselbe muss ich von Jennifer Holloway berichten, ihrem in meinen Ohren wenig voluminösen Sopran fehlte das warme Timbre, der dramatische Aplomb, kurzum eine Fehlbesetzung.

Wiederum als weiteres kulinarisch-akustisches Highlight erwiesen sich die Damen u.a. zur Blumenmädchen-Verstärkung sowie die Herren vom Chor und Extrachor der Oper Frankfurt,von Gerhard Polifka bestens einstudiert verhalfen die klangschön, nuanciert, prächtig singenden Chöre der Aufführung zu elitärer Noblesse.

Uneingeschränkter Jubel für das Ensemble, Chöre sowie das Produktionsteam. Guggeis und Orchester, Bauer Kanabas, Brownlee fegten Orkan-Wellen der Begeisterung schier von der Bühne. Leistungsgerecht konzentrierten sich Bravos und Beifall auf die weiteren Mitwirkenden.

Gerhard Hoffmann

 

Weitere Aufführungen am 24./29. Mai – 01./07./09./14. + 19. Juni 2025

 

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