Elza van den Heever (Norma) und Stefano La Colla (Pollione; links unten) sowie Chor der Oper Frankfurt. Copyright: Barbara Aumüller
Frankfurt: NORMA. Premiere am 10.6.2018
Es hat sich in der Rezeption vieler Aufführungen der Norma von Bellini vielleicht eine Vorstellung entwickelt, die Tragedia lirica als eine zwar tragische, aber auch sehr elegische Oper zu begreifen. Dabei gibt es schon von Beginn an sehr dramatische Stellen, und es geht ja auch in dem ersten Chor um Krieg oder Frieden zwischen Galliern und Römern. Für mich wird das in der Frankfurter Wiedergabe aber zu sehr ausgetreten, man will auf Teufel komm raus eine wild dramatische Oper präsentieren, indem Schlagwerk und Becken nur noch knallen, und sich der Eindruck von Hau drauf-Bandas ergibt. Das kann meines Erachtens von Bellini so nicht gewollt sein. In der Folge passen sich auch die Sänger einer solchen ‚Übersteuerung‘ an, die unter dem als führendem Belcanto-Dirigenten ausgewiesenen Antonio Fogliani vorgegeben erscheint. Besonders der Pollione Stefano La Colla neigt im 1.Akt zu ständigem Forcieren, was sich dann auch in seiner Intonation nicht gerade positiv niederschlägt. Aber auch Norma ist in der Folge zu einer Dauerlautstärke gezwungen, die sich hier nicht gut macht. Diese Anfangs-Übertreibung wird aber so nicht durchgezogen, und spätestens bei „Casta diva“ sind die musikalischen Level wieder annähernd im Gleichgewicht, und das Orchester begleitet schön elegisch. Im 2.Akt pendelt es sich auch bei dramatischen Passagen auf ein erträglicher austariertes Maß ein, und die zweimalige Schlußsteigerung, wenn Norma ihren Vater überzeugt, ihre Kinder zu schützen und dann mit Pollione ins Feuer geht, gelingt im großartigem Modus.
Bei der Inszenierung von Christof Loy, der die Ouvertüre auch zeitweise mit einer eindrücklichen Kriegsszene der erschlagenen Gallier bebildert, bei der Pollione sich zu Norma niederbeugt, werden die Gallier als heutige Glaubensgemeinschaft interpretiert, für die der vielbeschäftigte Regisseur gleichermaßen Beifall und Buhs kassiert. Es sind Menschen, die Damen in knielangen Kleidern oder Röcken, die Herren in Straßenanzügen, die in einem schlichten grauen Raum mit teils umgeworfenen Stühlen zusammenkommen. Dies ist ein variables Einheitsbild von Raimund Orfeo Voigt, Außenszenen gibt es keine, nur fehlt am Ende die Rückwand des Saales. Er ist zugleich Wohnung der Norma, und in einem Bodenverschlag hält sie ihre Kinder versteckt. Während hier Norma und Pollione teils sehr wild agieren, erscheint Adalgisa wesentlich ruhiger und macht ihr Liebesgeständnis Norma gegenüber am Tisch sitzend. Der Raum ist im 1.Akt schon sehr hoch gelegen, vor ihm befindet sich eine niedere schmale Spielebene, auf der sich im 2.Akt die private Handlung mit Pollione abspielt, während oben das Volk agiert. Zwischenzeitlich erscheint der Raum aber noch komprimierter (Boden hoch-, Decke runtergefahren), was einen noch bedrohlicheren Effekt erzeugt. Norma hockt in ihrem blauen Kleid vielfach auf Stühlen und Tischen, erscheint so als wahre Tragödin und z.T. an der Grenze zum Wahnsinn. Adalgisa ist auch in ihrem weißen Faltenrock und einem tunikaartigem Kleid ganz gegensätzlich dargestellt. (Kost.: Ursula Renzenbrink)
Die beherrschende Solistin ist natürlich Elza van den Heever als Titelfigur. Dabei ist sie weniger Ehrerbietung heischende Oberpriesterin als innerlich zerrissene menschliche Tragödin. Stimmlich kann sie mit ihrem manchmal leicht verschleiert wirkendem Sopran der Rolle prägnanten Ausdruck verleihen. Besonders in der Höhe entwickelt sie dabei große voluminöse Farbigkeit mit mächtigem Ausdruck. In den Piani wirkt die Gesangslinie allerdings öfter inkonsistent bis leicht flackernd, was sie sicher noch optimieren kann, vielleicht war es auch einer Premierennervosität geschuldet.
Gaëlle Arquez (Adalgisa) und Stefano La Colla (Pollione). Copyright: Barbara Aumüller
Die Rivalin Gaelle Arquez kontrastiert ihr sehr gut durch ganz direkten glasklaren und vielfach metallisch wirkenden Gesang, wobei auch sie nicht vor der Gefahr des ‚Übersteuerns‘ gefeit ist. In summa ein angenehm timbrierter Sopran, der sich auch im Duett mit Norma 2.Akt herrlich verbindet.
Der Pollione Stefano La Colla ist vom Timbre her eher als roh und ungeschliffen zu bezeichnen. Im 2.Akt findet der dramatische Tenor in der Wandlung zu Entsagung und zur Sühne mit Norma auch zu weicheren Tönen, die ihn menschlich sympatischer erscheinen lassen. Der Oroveso ist Robert Pamakov, der hier als Einziger von Anfang an wohltönend einen runden ausdrucksstarken Baß verströmen kann. Immerhin singt er auch schon an der Met. Mit sehr feintrimbiertem, in bewegter Gesangslinie schon mal glitzerndem Sopran kann Alison King der Clotilde Leben einhauchen. Den Flavio gibt eher unscheinbar tenoral Ingyu Hwang. Der Opernchor ist mit seinem großen Anteil klanglich stark integriert.
Friedeon Rosén