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FRANKFURT/ Opernhaus: MASKARADE von Carl Nielsen. Von Röschen und Höschen oder: Wokeness führt zu szenischem Overkill

29.01.2025 | Oper international

Carl Nielsen: Maskarade • Oper Frankfurt • Vorstellung: 26.01.2024

(3. Vorstellung • Wiederaufnahme am 10.01.2025 • Premiere am 31.10.2021)

Von Röschen und Höschen oder: Wokeness führt zu szenischem Overkill

Die Aufführung einer Rarität wie Carl Nielsens «Maskarade» ist grundsätzlich zu loben. Die von Wokeness geprägte szenische Umsetzung führt hier aber zu einem dem Werk kaum gerechten szenischen Overkill.

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Foto © Monika Rittershaus

Carl Nielsens (1865-1931) «Maskarade», die gemeinhin als dänische Nationaloper gilt, ist auf den Bühnen im deutschsprachigen Raum ein überaus seltener Gast. So ist die Programmierung diese Rarität an der Oper Frankfurt sehr zu begrüssen.

Die Entstehung von «Maskarade» begann am Jahreswechsel 1904/1905, als Nielsen nach der gleichnamigen Komödie (1724) von Ludwig Baron von Holberg (1684-1754) einen Handlungsplan skizzierte. Im Frühjahr arbeitete er zusammen mit dem Holberg-Experten Vilhelm Rasmus Andreas Andersen (1864-1953) das Libretto aus. Dann aber erschwerte ein schwieriger Lebensabschnitt seine Inspiration. Seine Gattin Anne Marie (1863-1945), eine renommierte Bildhauerin, hielt sich in Athen und Konstantinopel auf: daheim wurde die Frau und Mutter vermisst. Mehr noch, die Ehe befand sich am Rand des Zusammenbruchs. Beruflich stand es ebenfalls nicht zum Besten: nach verschiedenen Intrigen (die auch später die Uraufführung noch um ein Jahr verzögern sollte) musste Nielsen seine Stellung im Königlichen Theater aufgeben. Zu Beginn des Jahres 1905 küsste ihn dann die Muse und die Komposition ging dann rasch vonstatten. Am 11. November 1906 wurde «Maskarade» mit Erfolg im Königlichen Theater zu Kopenhagen uraufgeführt. 19 Jahre später kam es zur 50. Aufführung. 1931 gab es dann eine Neuinszenierung.

Vorlage für Nielsens Oper ist die Komödie «Maskarade» von Ludwig Baron von Holberg aus dem Jahre 1724. Die Tatsache, dass die Vertonung eines Werks von Holberg im Dänischen als Sakrileg galt, ähnlich wie damals in Deutschland die Vertonung Schillers (was dann ja auch die deutsche Rezeption von Rossinis Tell oder den entsprechenden Opern Verdis beeinflussen sollte) erschwerte die Komposition insofern, als das Nielsen immer wieder Steine in den Weg gelegt wurden . Holbergs von der Aufklärung geprägte Komödie thematisiert den Aufbruch der eigenen Zeit in eine neue Epoche und lebt von der Figurenkonstellation Alt-Jung. Diese Charakteristika machen das Stück zeitlos, so dass sich Nielsen aber auch die Gegenwart angesprochen fühlen können.

Tobias Kratzers (Inszenierung; Szenische Leitung der Wiederaufnahme: Katharina Kastening) inszenatorischer Ansatz das Stück wie eine Uraufführung zu behandeln, es aus seinen eigenen Bedingungen zum Leben zu erwecken, wäre gerade im Zeitalter des Regietheaters zu loben. Wäre, wenn er den Maskenball nicht im Zeitgeist interpretieren würde. Ein Maskenball bietet die Möglichkeit, zeitlich beschränkt eine eigene Identität zu realisieren, eine eigene Identität, die es im Alltag nicht gibt, die unerreichbar ist. So wechseln die Teilnehmer das Alter oder die soziale Stufe – aber eben zeitlich begrenzt. Ist die Maskerade vorbei, ist wieder Alltag. Und da passt die Maskerade, eine diverse Gesellschaft auf Zeit, wie Kratzer sie zeigt, nicht. Man ist ja nicht nur für einen Abend divers. Genauso falsch wäre es, die einzelnen Existenzen als Maskerade im Sinne einer dauerhaften Verkleidung zu betrachten. In diesem Rahmen wirkt die an ein Shakespeare-Theater erinnernde Bühne (Bühnenbild und Kostüme: Rainer Sellmaier; Licht: Joachim Klein) seltsam deplaziert. Kinsun Chan hat die Tänzer (Gabriella Lemma, Sophie Melem, Rouven Pabst, Haizam Fathy, Hyewon Cho und Tadas Almantas) choreographiert (Choreographische Einstudierung: Irene Klein).

Da die Wirkung der Oper Nielsens massgeblich von der Sprache abhängt, ist eine Aufführung in deutscher Sprache durchaus nachvollziehbar. So hat Martin G. Berger eigens für diese Produktion eine neue deutsche Versübersetzung erstellt, die sich explizit an den Reimen der Vorlage orientiert. Aber musste dies auf dem Niveau «Döschen-Röschen-Höschen» geschehen?

Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter musikalischer Leitung von Benjamin Reiners spielt klangschön und setzt gute Spannungsbögen. Der Chor der Oper Frankfurt (Einstudierung: Álvaro Corral Matute) agiert tadellos auf höchstem Niveau.

Die Riege der Solisten überzeugt mit vorbildlicher Textverständlichkeit. Alfred Reiter gibt den Jeronimus, einen Bürger Kopenhagens, mit herrlich strömendem, sonorem Bass. Theo Lebow gibt mit grosser Spielfreude seinen Diener Arv. Juanita Lascarro überzeugt in der Rolle seiner Gattin Magdelone. Magnus Dietrich als ihr Sohn Leander und Liviu Holender als Kammerdiener Henrik sind ein ideales Paar und an Bühnenpräsenz kaum zu übertreffen. Michael McCown als Leonard, Elizabeth Reiter als dessen Tochter Leonora und Barbara Zechmeister als deren Zofe Pernille tragen prächtig ihren Teil zum Gelingen der Komödie bei. Thomas Faulkner als Nachtwächter und Meister der Maskerade, Leon Tchakachow als Maskenverkäufer, Sakhiwe Mkosana (Mitglied des Opernstudios) als Magister, Zoe Nettey-Marbell als Blumenverkäufer, Yongchul Lim als Türsteher, Donát Havár, Johannes Lehner und Florian Richter als Drei Studenten, Euikyung Kim, Malin Aldener Nardi und Julia Katharina Hesse als Drei Mädchen und Lars Rössler als Offizier ergänzen das Ensemble.

Ein anstrengender Abend.

Weitere Aufführungen: 06.02.2025, 09.02.2025, 14.02.2025

04.02.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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