Frankfurt / Opernhaus: „MACBETH“ – Premiere 01.12.2024
Duncan, Lady, Macbeth: Erscheinungen. Foto: Monika Rittershaus
Zur Öffnung des ersten Türchens im Adventskalender bescherte die Oper Frankfurt ihrem Publikum die Premiere „Macbeth“ von Giuseppe Verdi. Der amerikanische Regisseur R. B. Schlather gab hier am Hause 2019 sein Europa-Debüt und inszenierte nun nach drei div. Werken das Shakespeare-Drama und „bescherte“ dem Rezensenten völlig neue Sichtweisen. Somit fasse ich die Bühnenereignisse kurz zusammen: Wir befinden uns in feudaler Heimstatt des Hauses Macbeth, die Drehbühne zeigt elegante Räumlichkeiten (Etienne Pluss) teils mit Gartenblick, weiße Möbel, weiße Leder-Sitzgarnituren, auf den TV-Monitoren flimmern Trickfilme sowie Kaminfeuer. Alle Szenerien finden inmitten dieser Räumlichkeiten statt.
Maceth und Banquo kehren heim vom Tennis-Match im entsprechenden Dress die Stubenmädchen mit Staubwedeln orakeln die Zukunft, die Dame des Hauses im Negligé mit Plüsch-Pantoffeln empfing den labilen Gatten auf der Couch, man schaute gerne ins Glas, räkelte sich genüsslich und wohlig kuschelte sich der Hausherr in die dargebotene Fülle.
Das Bankett mehr ein Nikolausball mit Weihnachtsbaum, die Lady erschien im roten Samtmantel mit Hermelinbesätzen, eigentlich ein Zelt, darunter fänden die vier Tanz-Mariechen bequem Platz, die absolute Parodie pur. Erstmals nach dutzendfachen Mabeth-Events erlebte ich heiteres Gelächter. Fehlte so mancher Szene im personellen Ablauf die Dramaturgie ersetzte man sie durch Slapstick–Einlagen, man wähnte sich schier in einem Musical. Zur Erscheinung König Duncans nahm dieser attraktiv „oben ohne“ (Aslan Diasamidze) neben dem Herrscherpaar Platz, unspektakulär die Nachtwandelszene der Lady sowie das Finale. Irgendwie erschienen mir die Abläufe unausgegoren im hilflosen Leerlauf. Optisch ein Highlight die eleganten Abend-Créationen der Damen sowie der Herren im schwarzen Twill mit Fliege (Doey Lüthi).
Im Gegensatz zum Bühnengeschehen wurden die musikalischen Komponenten zum Ereignis, denn GMD Thomas Guggeis mutierte zum Verdi-Dirigenten der Sonderklasse, animierte das Frankfurter Opern- und Museumsorchester zu Höchstleistungen. Guggeis atmete mit der Musik, mit den Sängerinnen und Sängern gleich ob Solisten oder Chor, hielt sich zurück, feuerte an, alles pulsierte, riss einfach spannungsgeladen mit bis zum letzten Takt. Vortrefflich brachte der sensible GMD die herrlichen Details der Partitur zum Leuchten, Funkeln, das prächtig aufspielende Orchester folgte aufmerksam, vermittelte idiomatisch ausgestaltete Klangbögen, mitatmende Agogik. In moderaten Tempi floss Verdis mitreißende unwiderstehliche Musik dahin, rhythmisch, kultiviert, transparent lieferte das Orchester ein prächtig differenziertes, instrumentales vorzügliches Klangbild.
Schier auf Händen getragen entfalteten sich die Solisten aufs Wunderbarste um sogleich die beiden Damen zu nennen. Tamara Wilson erlebte ich hier am Hause bereits als grandiose Elisabeth von Valois, Kaiserin ebenso sang die vortreffliche Sopranistin im Februar im Festspielhaus Baden-Baden eine fulminante Walküren-Brünnhilde, somit sah ich ihrem Lady-Debüt mit großen Erwartungen entgegen. Jedoch forderten die Temperaturschwankungen ihren Tribut, Intendant Bernd Loebe trat vor den Vorhang kündete vom Malheur der empfindlichen Kehle. In quasi letzter Minute wurde die dänische Sopranistin Signe Heiberg aus Kopenhagen eingeflogen, Wilson spielte, markierte die Lady Macbeth und Heiberg sang an der rechten Bühnenseite den Part. Eine bewundernswerte Leistung nach einer knappen Stunde Einweisung, portraitierte die couragierte Sängerin mit Ablomp diese heikle Partie. Stets hielt zwischen spontaner Emotion und kultiviertem Schöngesang die Balance, widerlegte die „Aussage“ die Lady dürfte mit einer Stimme jenseits des Zenits gesungen werden. Kalkuliert setzte die vortreffliche Interpretin ihre präsenzreiche Mittellage, die wohlklingenden Höhenbereiche effektiv ein. Unmissverständlich rückte Heiberg die Wahnsinnsszene als Krönung ihrer Interpretation in die Nähe der berühmten Belkanto-Szenen. Bravo!
Eindrucksvoll mit herrlichem Mezzosopran sang Karolina Bengtsson den bedauerlich kurzen Part der Kammerfrau.
Sehr engagiert, voll materiellem Einsatz, vokal expressiv auftrumpfend, wunderbar phrasierend avancierte Nicholas Brownlee mit seinem fulminanten Macbeth-Debüt zum gefeierten Publikums-Favoriten. Der englische Bariton verstand es ausgezeichnet sein höhensicheres, kernig-markantes Potenzial teils balsamisch-wohlklingend bestens dosiert einzusetzen.
Geprägt von hoher Musikalität, vorzüglicher Legatokultur, gepaart mit herrlichem Basstimbre verlieh Kihwan Sim dem Banquo hohe Priorität.
Matteo Lippi überraschte mit strahlend höhensicherem Tenor und schönem Timbre als Macduff. Mit markantem schönstimmigem Bariton adelte Kudaibergen Abildin Malcolm den König in Folge. Mit ebenso sehr schönem Material ließ Erik van Heyningen aufhorchen, Pilgoo Kang (Diener/Mörder/Herold) sowie Juval Langheim-Halaf (Fleance/3. Erscheinung) fügten sich nahtlos ins ausgezeichnete Gesamtensemble.
Darstellerisch wie vokal hatten besonders die Damen des Frankfurter Opernchors ihre fulminanten Auftritte. Dynamisch im opulenten agilen, herrlich rhythmischen Gesamtklang komplettierte der famose Chor erneut das großartige Ensemble.
Kurz aber heftig feierte das Publikum alle Beteiligten incl. des Produktionsteams mit lautstarken Ovationen.
Gerhard Hoffmann