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FRANKFURT/ Opernhaus: CAPRICCIO. Wiederaufnahme

07.10.2018 | Oper


Kirsten MacKinnon (Gräfin Madelaine), Sebastian Geyer (Graf). Copyright: Barbara Aumüller

Frankfurt: „CAPRICCIO“ – Wiederaufnahme 06.10.2018

 Das Konversationsstück für Musik „Capriccio“ von Richard Strauss war zudem die letzte Oper des großartigen Meister-Komponisten, dessen quasi musikalisches Vermächtnis am 28. Oktober 1942 in München seine UA erlebte. Wow, da lag der Rezensent noch als Säugling in den Windeln. Hatte das Werk erst im Januar dieses Jahres als Neuinszenierung an der Oper Frankfurt seine Premiere, fand nun heute die erste WA mit wenigen Umbesetzungen statt.

 Immer wieder zaubert Bernd Loebe neue Künstler aus dem Ärmel und wurde nun für sein Bemühen doppelt geehrt: Zum Einen wurde die Oper Frankfurt wiederum zum „Opernhaus des Jahres 2018“ gekürt und zum Zweiten wurde der rührige Intendant in der Kategorie „Leadership in Opera“ des „International Opera Awards“ im London Colisseum ausgezeichnet. Die Jury begründete die Ehrung: Der Intendant habe „Leadership“ gezeigt, indem er dank seines guten Instinkts, seiner guten Ohren für Sänger und seinen interessanten Ausgrabungen die hohe Qualität des Hauses über viele Jahre aufrechthielt. – So das Laudatio des deutschen Jury-Mitgliedes Christina Scheppelmann der Intendantin des Liceu. Herzlichen Glückwunsch zu diesen wunderbaren Ehrungen Herr Loebe!

 Brigitte Fassbaender verlegte die Handlung in die Aera der Entstehung nach Paris ins Milieu des französischen Widerstands, verdeutlichte aber dennoch auf vorzügliche Weise worum es in diesem Werk geht. Im Grunde hätte es diesem Zeitschwenker gar nicht bedurft, denn diese Inszenierung der großartigen Künstlerin lebt, gespickt mit vielen ironischen Seitenblicken menschlicher Kuriositäten, liebevollen Details, der exzellenten Personenführung – ein absolutes Kunstwerk modernisiertem Regietheater. Bravo! Die Oper lebt, trotz Kräuel so mancher Banausen.

 Weiträumige Optik zur hellen Bühnenkonstruktion des lichtdurchfluteten (Joachim Klein) Wintergartens mit dem hinteren Bühnenaufbau (Johannes Leiacker), einer Augenweide des hervorragenden Portraitisten welcher sich ebenso für die hinreißend, wunderschönen Kostüm-Kreationen verantwortlich zeigte. Schließt sich kurz vor dem Finale der gemalte, schwülstige „Barockoko“-Vorhang, gewahrt der Blick in völliger Verzückung die vortreffliche opulent-tiefenscharfe Perspektive dieser Räumlichkeit. Nach Worten des Baron Ochs: Komm´ aus dem Staunen nicht heraus. Nicht von ungefähr wurde der kreative Leiacker in den Jahren 1996, 2009 + heuer 2018 zum „Bühnenbildner des Jahres“ gekürt.

 Am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters waltete umsichtig und souverän Lothar Koenigs. Der Dirigent animierte das bestens disponierte Orchester zu schlankem, silbrigen Streicherklang, zu rhythmischer Präzision während den Lach- und Streit-Oktette, verband leicht ironische Zwischentöne bei den vokalen Dialogen und wurde der Strauss´schen Orchestersprache in jeder Hinsicht gerecht. Betörend schön klang die Mondscheinmusik sowie die wunderbare Untermalung des finalen Schlussmonologs. Quasi trug er kompetent seine Sänger auf musikalischen Händen.

 Die neue Gräfin Madeleine Kirsten MacKinnon führte den Reigen der teils exzellenten Sänger-Riege an und erwies sich allerdings nicht als Idealbesetzung dieser Partie. Ihr unstet geführter Sopran ließ es an Wärme, Leuchtkraft, Kantilene und Geschmeidigkeit vermissen, wirkte im finalen Monolog ermüdet. Im Gegensatz zum Charme der jungen Sängerin, ihrer vortrefflichen aristokratischen eleganten Darstellung, fehlte ihrer Vokalise die fein gesponnene überwältigende Linie.

 Ebenso neu besetzt die Rolle ihres Bruders des Grafen mit Sebastian Geyer, dessen warmgetönter Bariton mit herrlichem Timbre und beachtlicher Parlando-Agilität balsamisch strömte und der Figur mit leicht ironischen Zwischentönen eine markant-noble Charakteristik verlieh.

 Mit sinnlich-knisternden Mezzosopran-Farben, wunderbar volltönend gab Tanja Ariane Baumgartner der koketten Clairon facettenreiche Vokal-Konturen und avancierte zur umwerfend-beeindruckenden Kantilene dezent zum heimlichen Star des Abends. Allegorisch stets Dame, wenngleich auch augenzwinkernd leicht ironisierend. Köstlich staunend ihre Mimik während der Beobachtung der italienischen Sängerin beim Einpacken der Petits fours in Zeitungspapier, vor dem Verschwinden in der Handtasche.

 Mit angenehm timbriertem, technisch sicher geführtem Tenor interpretierte AJ Glueckert den werbenden Musiker Flamand. Faszinierend trug er Olivers wunderschönes Sonett Kein Andres, das mir so im Herzen loht in harmonischer Mischung der Stimmregister vor und ohne Makel entfaltete sich sein lyrischer Tenor.

 Als rivalisierender Poet Oliver parierte Iain MacNeil mit dunklen baritonalen Farben und differenzierter Phrasierung. Der junge Sänger verstand es sein obertonreiches biegsames Material bestens zu präsentieren und nahm im prächtigen Zusammenspiel mit seinen Partnern vornehmlich für sich ein.

 Etwas zwiespältig geriet dagegen der La Roche (Alfred Reiter) in aufgerauter Tonalität. Redlich gestaltete der optisch präsente Bass und langjähriges Ensemblemitglied die Pointen der Figur konnte mit spröder Stimme nicht überzeugen.

Vorteilhaft, stimmschön fügten sich das italienische Sänger-Paar Florina Ilie und Michael Petruccelli, Gurgen Baveyan (Haushofmeister), Hans Jürgen Lazar (Monsieur Taupe), sowie die 8 Diener Isaac Lee, Lukas Eder, Michael Porter, Bruno Roy, Miroslav Stricevic, Jonas Boy, Ingyu Hwang, Anatoli Suprun, Filip Niewiadomski in die musikalischen Turbulenzen. Anmutig choreographierte Katharina Wiedenhofer ihre Tanzeinlage.

 Die Protagonisten der qualitativ hochwertigen Aufführung wurden vom begeisterten Publikum lautstark und stürmisch gefeiert.

 Gerhard Hoffmann

 

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