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FRANKFURT/ Opernhaus: AUS EINEM TOTENHAUS von Leos Janacek

Kränzles Seele

28.04.2018 | Oper

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Johannes Martin Kränzle. Copyright: Oper Frankfurt/ Barbara Aumüller

Janacek – Aus einem Totenhaus – Kränzles Seele

Oper Frankfurt, 27. April 2018

In den letzten gut vierzig Jahren gab es an der Oper Frankfurt im Intervall eines Jahrzehntes eine Modellinszenierung des mährischen Komponisten Leos Janaceks. In den 1970ziger Jahren begeisterte Volker Schlöndorf mit einer kammerspielartigen Katja Kabanowa mit der außergewöhnlichen Hildegard Behrens in der Titelpartie. Alfred Kirchner folgte 1980 mit einer perfekten unvergesslichen Inszenierung der Jenufa mit unerreichbaren Sängerdarstellern (June Card, William Cochran, Danica Mastilovic und Anny Schlemm). Schließlich dann 1994 der nächste große Wurf, diesmal Janaceks letztes Werk „Aus einem Totenhaus“ in einer Übernahme aus Brüssel. Regisseur Peter Mussbach vertraute seinerzeit ganz der überwältigenden Kraft der collagenhaften Musik und siedelte dieses Endzeitspiel in einem erdfarbenen Nirgendwo, aus der sich die einzelnen Protagonisten lemurenhaft herausschälten. Wer diese Inszenierung gesehen hat, wird sie kaum vergessen können.

Nun nach 24 Jahren wieder eine Neuproduktion, diesmal inszeniert von David Hermann. Spannend dabei die Besetzung des Bühnenbildners Johannes Schütz, der bereits die letzte „Totenhaus“-Produktion in Frankfurt ausstattete. Hermanns Inszenierung ist kein großer Wurf und siedelt das Geschehen gegenwärtig an. Gorjancikov ist hier ein Journalist, der bei der Arbeit überfallen und ins Lager abgeführt wird. An seiner Seite eine Frau, die hier wohl den Freiheitsgedanken verkörpert. Janacek hatte hierfür als Figur einen verletzten Adler vorgesehen, der am Ende der Handlung die Freiheit erblickt. Der Regisseur klammert dies jedoch aus. Hermann erzählt in labyrintischen Räumen auf beiden reichlich genutzten Drehbühnen konkret die Handlung. So gibt es mitunter zu viel Aktionismus. viel Grausamkeit und Folteraktion, was auf die Dauer dann doch reichlich „dekorativ“ wirkt. Da hilft es auch nichts, wenn aus den Protagonisten neue Charaktere gebildet werden. So ist hier z.B. Filka ein sadistisch operierender Arzt. Aha……erhellend für die Handlung? Nein! Vor allem auch deshalb nicht, da er als Widersacher von Shiskov während dessen Erzählung versterben sollte. In dieser Inszenierung ist das so nicht zu sehen. Als zynischer Arzt sind seine ursprünglichen Schmerzensschreie nonverbale Kommentare zu Shiskovs Monolog. Dazu positioniert er sich in der Attitüde des „Herren-Menschen“ breitbeinig hinter ihm. Das ergibt alles keinen Sinn und beraubt diese zentrale Szene um ein wesentliches Handlungselement.

Handwerklich wirkt die Inszenierung oft unschlüssig. Einerseits wird vieles überdeutlich ausgespielt, andererseits, wirken die Gefangenen in ihren sauberen Kleidern unwirklich.

Wer Janaceks finales Werk erstmals hört, wird vielleicht überrascht sein, wieviel Seelenton und auch lichte Momente diese Musik beinhaltet. Diese Musik berührt tief und sie stellt an die Protagonisten höchste Ansprüche.

In Frankfurt war ein spielfreudig agierendes Ensemble zu erleben mit einer spektakulären Einzelleistung. Weder szenisch noch musikalisch, waren die Charaktere deutlich von einander abgesetzt. Gordon Bintner als Gorijancikov gefiel mit seinem gehaltvollen Bariton und war darstellerisch intensiv gefordert. Als sadistischer Lagerarzt Filka Morozov agierte Vincent Wolfsteiner mit stimmlich schneidender Schärfe. In seiner Erzählung blieb er hingegen zu blass im Ausdruck. Auch AJ Glueckert als Skuratov agierte gestalterisch eindimensional, gefiel hingegen mit sicherem Tenorklang. Auch hier war die Erinnerung an die Vorgänger-Inszenierung sehr präsent, gab es doch mit dem großen Menschengestalter William Cochran eine perfekte Besetzung des Skuratovs! Peter Marsh berührte als Shabkin. Die übrigen kleineren Partien waren überzeugend besetzt.

Großartig und unvergesslich war Johannes Martin Kränzle, der als Shiskov den größten Monolog zu durchleiden hatte. Die stimmliche und ausdrucksbezogene Farbpalette war außergewöhnlich. Die Verschmelzung mit seinem Rollencharakter geriet zutiefst erschütternd. Selten gewährt ein Künstler einen solchen tiefen Einblick in die Seele einer Rolle! Dazu begeisterte Kränzle mit glutvollem Gesang. Jederzeit war zu spüren, dass Kränzle den Text versteht und fühlt. Ein großer, herausragener Künstler, der zeigt, wie lebendig, aufrüttelnd bis ins Mark eine Erzählung geraten kann, wenn sie durchlebt wird und der Ausdruck ungehemmt fließt. Wunderbar!

Am Pult des gut einstudierten Frankfurter Museumsorchesters stand Gast-Dirigent Tito Ceccherini. Seine Interpretation erschien unausgewogen. Bereits im Vorspiel irritierten seltsame Kontraste in den Tempi. Zäh fließend und läppisch im Tonfall hier, dann wieder Tempobeschleunigungen die sehr aufgesetzt, unorganisch wirkten.  Im weiteren Verlauf fand Ceccherini dann doch zu einer klareren Vorstellung, meiselte vor allem die Effekte im Schlagzeug heraus. Hingegen fehlte ihm der Mut, die Ruhepunkte in der Musik deutlicher herauszustellen. Großartig einmal mehr, wie souverän das famose Frankfurter Museumsorchester diese schwierige Partitur realisierte!

Das überschaubare Publikum spendete anhaltenden Beifall. Große Ovationen für Johannes-Martin Kränzle.

Dirk Schauß

 

 

 

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