Foto: Monika Rittershaus
Frankfurt: Salome 1.3. 2020. Premiere
Die Inzenierung verstört einen ziemlich. So hart und brutal und auf den Kern des Dramas reduziert hat man R.Strauss‘ Salome noch nicht erlebt. Regisseur Barrie Kosky verzichtet gänzlich auf ein Bühnenbild, es ergibt sich nur ein schwarzer Raum, in dem alle Beteiligten agieren (Bb.& Kostüme: Katrin Lea Tag). In einem ‚Mondstrahl‘, wie es Kosky nennt, also in einem runden Scheinwerferspot, können bis zu drei Personen ‚gebannt‘ werden, oder sie sind auch nur halb drin. Das sind aber nur die Hauptprotagonisten einschließlich der 5 Juden. Die anderen, Soldaten, Nazarener etc. sind nur akustisch, aus der Dunkelheit singend, vernehmbar.
Natürlich hat sich Kosky dabei sehr an der Musik inspiriert, und diese hat bei dieser relativen Bühnenarmut auch die zentrale Stellung und Wirkung inne. Das sich überschlagende dramatische Geschehen spielt also im Graben, wo alle möglichen Elemente, etwa die (von Herodes eingebildeten) Stürme, die Exotismen, die wilden Tänze der Salome etc. vonstatten gehen, da sie Strauss in höchst naturalistischer Weise auskomponiert hat. Und er findet einen beredten Anwalt dafür, d.h. in diesem Fall eine Anwältin: Joanna Mallwitz, jüngste GMD in Nürnberg, hat das Riesenorchester bestens im Griff, und wie sie etwa die berstendenden Spannungen vor der Erscheinung des Jochanaan oder am Schluß das Herunterfahren seines Hauptes mit irrer Verzögerung im Orchester ausmusiziert, das hat Klasse. Das wirbelnde Auf-der-Stelle-treten der musikalischen Metapher beim Judenstreit um Elias ist so plastisch und bis zum Zerreißen gespannt gestrichen und geblasen. Das Orchester tut es mit seiner ganzen Verve und erzeugt so einen spätromantischen Sound mit auch schneidenden harmonischen Ver-rückungen. Gerade auch die Perkussivinstrumente haben, besonders im exzentrischen Schleiertanz, einen entscheidenden Anteil dabei und erledigen es in höchster Prägnanz.
Salome ist also immer in einen Spot eingefangen und nützt ihre kleinen Pausen für Kostümwechsel, wobei sie immer schwärzer werdende Glitzerkleidchen anlegt. Sie gefällt sich in vielen ruckartigen Bewegungen, Stampfen und auch kindlichem Herumhüpfen. Den plötzlich aufgetauchten Propheten mit nacktem Oberkörper greift sie extrem forsch an, und er läßt es auch weitgehend geschehen, wirkt etwas passiv, konzentriert sich mehr auf sein mächtiges Singen. Der anfangs immer wieder in den Spot hereinpreschende Narraboth wirkt im schwarzen Anzug sehr vornehm, sein Pendant ist der Page der Herodias. Diese tritt im beigegrünem Tailleur-Kostüm in einem 2.Spot mit ihrem Gemahl auf, der in einem weiten graumelierten Zweireiher immer wieder gefühlsmäßig ausbricht. Die 5 Juden springen voll verschleiert mit hohen schwarzen Kopfbedeckungen in die Spots hinein. Beim Schleiertanz sitzt Salome mit gespreizten Beinen auf dem Boden, und es scheint, als ziehe sie sich immer länger werdende Schlingen aus dem Körper heraus, die sich Herodes danach wie Trophäen um den Hals legt. Am Ende kommt der Kopf des Jochanaan an einem Fleischerhaken herunter, Salome küßt ihn und spielt mit ihm wie mit einem Punchingball. Ihre Hinrichtung wird aber nicht gezeigt.
Salome ist Ambur Braid, und sie geht völlig in der Rolle auf. Ihr steht dabei ein strahlender jugendlich lyrischer Sopran zu Verfügung, den sie sehr musikalisch einsetzt, und der in ihrer Liebesverzückung auch einigen Liebreiz besitzt. Ganz leichtes Distonieren in den Höhen könnte der Premieren-Nervosität geschuldet sein. Christopher Maltman kann mit warmem voluminösem, gar nicht zu Larmoyanz neigendem Bariton aufwarten (kein Orgeln). Sein Glaube an die Nachfolge Christi, die er auftrumpfend in schönstem Dur verkündet, ist tief gegründet, was aber nicht heißt, daß er in Salome nur die Natter sieht.
Herodes ist AJ Glueckert in seinem wohl ersten Charakterfach, und eigentlich wirkt sein Tenor zu „gerade“ für die Partie. Dieser Herodes erscheint zu früh für ihn. Bei guter Artikulation fehlen ihm die unterschiedlichen gesanglichen Vailleurs. Die Herodias gibt Claudia Mahnke mit nie schrillen, sondern eher belcantescen Einwürfen, wobei ihr angenehmer Mezzo ganz obertonreich herüber kommt. Den Narraboth singt Gerard Schneider mit jungheldischem Tenor. Kathariana Magiera gibt den Pagen mit sonorem Alt. Die fünf Juden sind Theo Lebow, Michael McCown, Jaeil Kim, Jonathan Abernethy, alle Tenöre, und Alfred Reiter, Baß. Die Nazarener sind Thomas Faulkner, Baß, und Danylo Matviienko, Bariton (auch Cappadozier). Die beiden Soldaten geben Dietrich Volle und Pilgoo Kang, einen Sklaven singt Chiara Bäuml.
Friedeon Rosén