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FRANKFURT/ Oper: MANON LESCAUT . Premiere

07.10.2019 | Oper

Bildergebnis für frankfurt manon lescaut
Foto: Barbara Aumüller

Frankfurt: Manon Lescaut 6.10.2019  Premiere

Dass Regisseur Alex Ollé von der katalanischen Gruppe Fura dels Baus ‚Manon Lescaut‘, erstes Hauptwerk Puccinis, in die heutige Zeit versetzen würde, davon war auszugehen. Daß er das langfristige Scheitern einer Liebe par excellance so fulminant mit aktuell-brisanten politischen Vorgängen verquickt auf die Bühne hievt, verlangt Respekt. Nach Puccini, dem Librettisten Illica und dem zugrundeliegenden Roman von Abbe Prevost soll das Mädchen Manon in ein Kloster verbracht werden, was früher ja häufig vorkam, heute aber nicht mehr. Als Konsequenz wurde in der Neuinszenierung der Grund für die Flucht zweier junger Verliebter in dem Status der Geschwister als Flüchtlinge gesehen, und Manon, die jüngere, von ihrer Mutter in einem Brief dringend zur Rückkehr aus familiären Gründen aufgefordert. Das wird im Vorspann eines Videos (Emmanuel Carlier) geschildert, in dem auch Bilder vom Arbeitsplatz von Mutter und Tochter in einer Textilfabrik und von einem nächtlichen Fußmarsch der Flüchtlinge, bei der sie Zäune überqueren müssen, eingeblendet werden. Der Wirt in dem Gasthof, wo sie im Original landen, ist hier der ‚Registrator‘ der die ankommenden Flüchtlinge an einer Kasse registriert und ihr Gepäck in Verwahrung nimmt. Dann mischen sie sich in einem Boulevardcafé unter die Leute, und da passiert es, daß sich Manon in den Studenten Des Grieux verliebt. Ihr Bruder, der sich gleich daran gemacht hat, ihre Rückführung in die Wege zu leiten, und der Nachtclubbessitzer Geronte, der die Schöne mithilfe des Studenten Edmondo nach Paris lotsen will, werden beide getäuscht und überrumpelt durch die Flucht Des Grieux‘ mit Manon. Diese hält es aber mit dem armen Studenten nicht lange aus, es kommt doch noch Geronte mit seinem Nachtclub zum Zug, in dem Manon eine gefragte Tänzerin wird.Der Rest der Geschichte spielt sich dann mehr oder weniger wie im Original ab, wobei der 3.Akt, wo Manon im Gefängnis sitzt, aber in der Spannung nachläßt. Die Gitterkäfige ermöglichen wenig Einblick, so daß man die Prostituierten kaum sieht, vorne wird nur der scheiternde Befreiungsversuch von des Grieux und Lescaut in Szene gesetzt. Die Einschiffung bzw. Ausweisung per Flugzeug der Mädchen, sowie der hämisch kommentierende gute Chor, der aus dem Off singt, werden nicht gezeigt. Der 4.Akt spielt dann auf der leeren aber brisant ausgeleuchteten Bühne (Licht: Joachim Klein), und Manon placiert sich, während Grieux Wasser sucht, auf dem E von LOVE, dessen turmhohe Buchstaben auf der Drehbühne auch in den vorhergehenden Akten das Bühnenbild von Alfons Flores prägten.  Die Kostüme sind natürlich authentisch heutig, wie sie auch die Flüchtlinge tragen, im 2.vertauscht Manon Jogginghose mit goldenen Samttops und Minis, während die tutti-Stangentänzerinnen aber in schwarzen Bikinis im gnädigem Dunkel auftreten (Kostüme: Lluc Castells). 

Bei diesem frühen Puccini-Reißer kann man/frau musikalisch eigentlich nicht viel falsch machen. So zeigt sich  das Opernorchester in bester Form und reizt die immer wieder kehrenden Klangeffekte fast wolllüstig aus. Der junge Dirigent Lorenzo Viotti hat alles hervorragend im Griff und antizipiert und ordnet z,B. das grundtraurige Vorspiel 3.Akt im orchestralen Stimmengewühl.

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Foto: Barbara Aumüller

Für die Titelrolle wurde eine ausgezeichnete Sängerin besetzt. Die junge Lettin Asmik Grigorian, schon mit Preisen überhäuft, scheint für die Inszenierung wie geschaffen, da sie wie ein heutiges blondes It-Girl auftritt und die Hin- und Hergerissenheit zwischen Luxusleben und wahrer Liebe verkörpert. Dazu bringt sie eine große Sopranstimme mit enormem Umfang ein, die sie ganz ‚veristisch‘ auch hart und grob einsetzen kann. Auch dann schimmert aber das einnehmend mädchenhafte Timbre noch durch. Ihr Chevalier Renato ist der amerikanische Tenor Joshua Guerrero bei seinem Deutschlan-Debut. Gleich bei seiner Werbearie „Donna non vidi mai“ kann er mit schönstem Tenorschmelz und markant kräftiger Stimmgebung auch in den Höhen auftrumpfen und wirkt mit schwarzen Schmalzlocken wie ein Latin lover. Nach einem starken Auftritt im Etablissement gelingt es ihm, Manon zurückzugewinnen. Sein Einsatz  beim Befreiungsversuch und  seine darauffolgende Bitte, als ‚mozzo‘ (unterster Stewart) Manon begleiten zu dürfen, gerät herzzerreißend.

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Joshua Guerrero, Asmik Grigorian. Foto: Barbara Aumüller

Ähnlich charmant und vital kommt das Ensemblemitglied Iurii Samoilov in seiner ersten großen Rolle am Haus als Lescaut herüber. Dabei steht ihm ein wohllautender Spielbariton zu Verfügung, der sich in 3 Akten als ungemein tragfähig erweist. Der Geronte, gegeelt mit Sonnenbrille aber ohne Trenchcoat, wird von Donato Di Stefano als Baß der eher schleimigen Sorte gegeben. Der Edmondo des Michael Porter ist ein frischer aufstrebender Tenor. Den ‚Register-Wirt‘ gibt mit seinem knorrigen Charakterbaß und präzisem Spiel Magnus Baldvinsson. Der Musiker wird von Mezzosopran Bianca Andrew gegeben, und Tanzmeister/’Laternenanzünder‘ von Jaeil Kim/Santiago Sanchez tenoral. Die ‚autoritären‘ Sergeant und Kapitän zeichnen Bozidar Smiljanic und Pilgoo Kang als Bässe.                 

 Friedeon Rosén

 

 

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