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FRANKFURT/ Oper: LIEDERABEND „GÜNTHER GROISSBÖCK-MALCOLM MARTINEAU“

12.09.2018 | Konzert/Liederabende


Günther Groissböck / Malcolm Martineau. Copyright: Oper Frankfurt/ Barbara Aumüller

Frankfurt: „GÜNTHER GROISSBÖCK-MALCOLM MARTINEAU“ – 11.09.2018

Liederabende in der Oper Frankfurt haben inzwischen schon Tradition, Künstler von Weltrang waren während der letzten Jahre zu Gast und nun zur neuen Saison geben sich wieder international gefeierte Opernstars die Ehre. Zum Auftakt war Günther Groissböck geladen, der gefragte Bass der jüngeren Sänger-Generation gastierte bereits vor einem Jahr in der AOF mit der umjubelten “Winterreise“. Lieder von vier Komponisten gestalteten heute das anspruchsvolle Programm des smarten Sängers.

Zum Auftakt interpretierte Günther Groissböck „Vier ernste Gesänge“ von Johannes Brahms. Getragen, ja weihevoll behandelte der vorzügliche Sänger in ungekünsteltem Ausdruck und lyrischen Färbungen seines herrlichen Timbres diese Vertonungen. Sein dunkel leuchtender Tonfall harmonierte so charakteristisch zur majestätischen Deklamation, hier hörte man nicht den Propheten der das Wort verkündete, sondern jemand, der dies alles erfahren hat. So erhielt die Textzeile zum „Vierten Gesang“ Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen in warmen betörenden Piani-Tönen eine besondere Aussage und ihr krönendes Finale.

In Folge präsentierte der vortreffliche Erzähler den „Liederkreis op. 39“ nach Gedichten von Joseph von Eichendorff zur Komposition aus der Feder Robert Schumanns. In einem wahren Schaffensrausch vollendete Schumann im Mai 1840 den Zyklus zu eigenen Angaben: „Ich habe wieder so viel komponiert, dass mir es manchmal ganz unheimlich vorkommt, ich kann nicht anders, ich möchte mich tot singen wie eine Nachtigall“ berichtete er Clara. Unmissverständlich kommt diese Äußerung nach Todessehnsucht im Liederkreis zum Tragen.

In höchst beeindruckender Weise verstand es der exzellente Bass die grundlegenden Leidenserfahrungen eines Menschen derart farb- und facettenreich auszudrücken. Sensibel dennoch kraftvoll ertönte das rabenschwarzes wohlklingendes Material zum Auftakt In der Fremde, in welchem sich die Erfahrungen der Entfremdung und Waldeinsamkeit verbanden. Die Heimat, die schöne alte Zeit sind unwiederbringlich verloren, Vater und Mutter lange tot, so auch die Liebste, welche sich bildlich in Intermezzo und Stille liebevoll nachzeichnen. Es ist schlechthin beglückend zu erleben wie Groissböck auf faszinierende Weise in Verbindung des bruchlosen durchgebildeten Timbres, in natürlicher nie manierierter Diktion, diese Lieder lebensnah in dynamischen Schattierungen überleitete und prägnant interpretierte.

Konträr in sensibler Linienführung seiner mächtigen flexiblen Bassstimme schenkte der darstellende Virtuose der Mondnacht jenen mystischen Zauber in welcher sich die Seele von ihren Fesseln löste. Waldgespräch und Schöne Fremde sowie Auf einer Burg beschworen die phantastische geheimnisvolle Nacht mit ihren Zauberwesen, die versunkenen Schlösser in welchen sich der „erzählende“ Wanderer verlor. In Verbindung von Textgestaltung und herrlich melodischen Tongebungen, den weichen Piani, der in allen Registern ausgewogenen prächtigen Stimme, erlebten die Zuhörer grenzenlos-perfekte Interpretationen.

Russische Preziosen folgten in Original-Sprache: Schwermütig, emotionsreich, wunderbar auf Atem gesungen erklangen fünf Vertonungen von Peter Tschaikowski. Prächtig nuanciert, weich erklang Nur, wer die Sehnsucht kennt sowie Die Träne bebt. Regelrecht die Ohren kitzelnd interpretierte der vielseitige Sänger sodann ausdrucksintensiv Ständchen des Don Juan.

Einblicke in gefühlsbetonten aber auch expressiv-maskulinen Belkanto-Klang gewährte Günther Groissböck während der sechs Lieder von Sergei Rachmaninow. Großartig verhalf der Sänger den strömenden Melodien zu In der Stille einer heimlichen Nacht oder Warum schlägt mein krankes Herz so wild zu glanzvoller Entfaltung. Atemberaubend in welcher Akkuratesse Groissböck sein mächtiges Potenzial zügelte, sich in wohlklingenden Extremhöhen verlor. Dramatischen Ausdruck, expressive Nuancen schenkte der Sänger gleich einer Opern-Arie Alles hat man mir genommen.

Samtig tönend, vorzüglich musikalisch untermalend begleitete Malcolm Martineau den Solisten, unterlegte sein nie dominantes Spiel mit pianistischen Finessen, stilistischem Einfühlungsvermögen, nachhaltiger Virtuosität und hatte so gewaltigen Anteil am großen bejubelten Erfolg.

Sich in keiner Weise Erleichterung verschaffend, die Schleife zu lösen oder den Kragen zu öffnen, sang Groissböck tapfer, sich öfters die Schweißperlen wischend im vollen Frack-Ornat. Bekundete, dass er zwar physisch angeschlagen ohne Ansage sein Programm absolvieren (ohne jegliche vokale Einbuße) wollte und eine Zugabe ankündigte, zwei hätte er zur Auswahl und entschied sich für die Erste: Wotans Abschied Leb wohl, du kühnes herrliches Kind aus „Die Walküre“ (Richard Wagner). Nach einem anspruchsvollen Lied-Programm diese vorzüglich interpretierte Vorstudie seines erweiterten Rollenspektrums zu setzen, verdient höchstes Lob, das begeisterte Publikum quittierte den beispiellosen Vortrag des „Teufelskerls“ mit einem Bravochor.

Der denkwürdige Liederabend und verheißungsvolle Serien-Auftakt dürfte in die Annalen des Hauses eingehen.

Gerhard Hoffmann

 

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