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FRANKFURT/ Oper: LADY MACBETH VON MZENSK. Premiere

04.11.2019 | Oper


Julia Dawson (Axinja), Anja Kampe (Katerina Ismailowa; kniend), Theo Lebow (1. Vorarbeiter; hinter ihr mit Schaufel in der Hand), Dmitry Belosselskiy (Boris Ismailow; mit Stock) und Evgeny Akimov (Sinowi Ismailow) sowie Ensemble. Foto: Barbara Aumüller

Frankfurt: Lady Macbeth von Mzensk  3.11.2019  Premiere

In einer passablen Aufführung wird an der Oper Fankfurt ‚Lady Macbeth von Mzensk‘, Dmitri Schostakowitschs großer Opernhit der 30er Jahre gezeigt. Für die musikalische Leitung steht GMD Sebastian Weigle bereit; der Intendant des benachbarten schauspielfrankfurt Anselm Weber konnte für die Regie verpflichtet werden, und auch Kaspar Glarner für die Ausstattung ist ein bekannter Name.

Fangen wir zuerst mit mit der Musik an, denn sie dominiert tatsächlich die gesamte Aufführung. Sie wirkt wild entschlossen und wurde von Schostakowitsch als etwas ganz Neues konzipiert. Bei ihr geht es auch weniger um die Frage tonal-atonal, sondern um eine immer akute Begebenheitsschilderung, die sich völlig rassant entfesseln kann, z.B. die komponierten Kopulationen. Das Orchester spielt das unter seinem GMD wie aus einem Guß, äußerst brillant und farbenreich. Dabei kommt auch das grauenhaft Dämonische vielleicht noch besser weg als die langsamen Kantilenen, die aber auch ihren Reiz haben. Wie vor etwa 15 Jahren bei „Frau ohne Schatten“ kann Sebastian Weigle diese Partitur für Frankfurt exemplarisch aufbereiten.

Die Inszenierung versucht sich auf der Höhe dieser musikalischen Handlungsbrisanz entlangzuhangeln. Dabei möchte sie auch mit einem Einheitsbühnenbild auskommen, das aber in den einzelnen Akten und Szenen stark modifiziert wird. Hauptelement ist ein monumentaler Rundbau mit Umgehung in mittlerer Höhe, der wie ein modernes Mausoleum wirkt. Nur ein zentraler  Zugang in den Innenraum besteht sowie links und rechts davor Treppenabgänge, die für die Arbeiter bestimmt sind. In der Mitte senkt sich von oben ein an Eisenstäben befestigtes Rondell, das als Bettstatt für Sergei & Kateria dient, aber erst, wenn sie nicht  mehr überwacht werden können. Im 2.Akt tritt hier der Pope bei der Hochzeit auf. Im ‚Lager‘-Akt ist es dann ganz verschwunden. A.Weber erzählt die Geschichte in diesem Ambiente weitgehend nach.Unterstützung hat er dabei von der Videokünstlerin Bibi Abel. Wenn Katerina über ihre trostlose Situation als Kaufmannsgattin räsoniert, setzt sie sich, oder später auch mal die zur Zwangsarbeiterin mutierte Magd Axinja, ein Handteleskop auf die Nase, und plötzlich wird die ganze Szene mit einem  grünen bewegten Wald-Video überblendet. Die Gewaltszenen werden eher abgemildert, wenn Axinja, die von den Arbeitern sexuell gedemütigt wird, hier nur etwas geschubst und in einer Tonne hin- und hergerollt wird. Oder die ganz gemäßigt gezeigte Auspeitschung Sergeis. Da wirkt die Musik wirklich überzeichnet und man fragt sich: Traut Weber sich nicht, sowas einem fernsehgewohnten Publikum zu zeigen? Einen Akzent setzt er aber noch. Der alte Boris hatte Katerina ein rostbraunes Dessous-Spitzenhemd gezeigt, um sie zu sexueller Aktivität anzustacheln. Dieses Teil findet der Pope in dem Rondell, entblößt sich den Oberkörper und zieht es sich an, um einen gewissen Fetisch zu befriedigen.

Die Kostüme Kaspar Glarners sind allesamt sehr naturalistisch und setzen damit ihrerseits Akzente.


Dmitry Golovnin (Sergei) und Zanda Švēde (Sonjetka). Foto: Barbara Aumüller

 

Chor und Extrachor singen unter Tilman Michael einen guten soliden Part. Barbara Zechmeister kommt in der Schlußszene mit klangschönem Sopran als Zwangsarbeiterin zum Einsatz. Drei charakteristische bis lyrische Tenöre sind als die drei Vorarbeiter bei Ismailow angestellt: Theo Lebow, Michael McCown (auch betrunkener Gast) und Hans-Jürgen Lazar. Den Polizisten/Wachtposten und den Hausknecht geben Dietrich Volle und Mikolai Trabka baritonal. Mit ausdrucksstarkem Baß reussiert Anthony Robin Schneider als Verwalter und Sergeant. Einen schneidig witzigen baritonalen Polizeichef stellt Iain MacNeil. Keinesfalls outrierend kommt Alfred Reiter als Pope herüber, sondern setzt seinen Schwarzbaß super geführt ein. Mit gestrickter Mütze kommt Sopranistin Julia Dawson in der Kurzpartie der Axinja bestens zur Geltung. Spielfreudig zeigt sich auch der füllige Mezzo der Zanda Svede als 2.Liebhaberin Sonjetka. Einen tollen Tenorauftritt hat Haustenor Peter Marsh als Der Schäbige. Den Sinowi Ismailov gibt Evgeny Akimov mit biegsam charakterlichem Tenor und feist im Pelzmantel. Seinen Vater Boris und Alten Zwangsarbeiter singt Dmitry Belosselskiy mit tiefschwarzem Luxusbaß und autoritärer Ausstrahlung natürlich in schwarz. Der Sergei ist Dmitry Golovnin, der die Gelegenheiten großspurig bis gewaltbereit ausnutzt und dabei einen stark durchgebildeten höhensicheren Tenor sein eigen nennt. Seine Katerina stellt Anja Kampe großartig souverän dar. Sie spielt in weißblonder Kurzhaarperücke die Situationen oft auch meditativ durch und kann sich auf ihren fast schlank timbrierten Sopran jederzeit dramatisch verlassen.                                         

Friedeon Rosén

 

 

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