Sydney Mancasola, Lukasz Golinski, Gerard Schneider, Ensemble, (c) Monika Rittershaus
Frankfurt: Król Roger von Karol Szymanowski 2.6.2019 Premiere
Zu Beginn ertönt aus dem Off Vokalmusik in C-dur mit großem Chor, die das (frühmittelalterlich) christliche Kirchentum als Ausgangspunkt von Karol Szymanowskis Oper bestimmt. Dann sehen wir eine Menschenansammlung in die Bühne herabfluten. Alle sind mit schwarzen Anzügen/Kostümen gekleidet, alle tragen Sonnenbrillen, die Damen kramen teils in ihren Taschen, erneuern das Make-up. (Kost.: Jorge Jara) Vorne klagt ein Erzbischof in Vokuhila-Look, aber auch schwarzgewandet, einen Hirten an, der mit einer neuen Liebesreligion das Volk verwirre, und fordert, dass ihm der Prozeß gemacht werde. Seitens der Menschen, die auf der Bühnenschräge angehalten haben, kommen zustimmende Gesangseinwürfe und der gesamte Chor fordert seine Verurteilung zum Tod. Dann tritt der junge Hirt selber auf in weißem Anzug und offenem Hemd und predigt die Liebe aller Menschen zueinander. Nur die Königin Roxana, ebenfalls im strengem Hosenanzug, und der Berater Edrisi zeigt sich beeindruckt. während eine ‚Diakonissin‘ aufgeregt herumläuft. Der König verhält sich erst einmal ablehnend, aber skeptisch, und befiehlt dem Hirten, sich am Abend zu einem Prozeß einzufinden.
Lukasz Golinski (mitte, mit weißem Hemd) und Ensemble. Foto: Monika Rittershaus
Nachdem das Volk zu beiden Seiten abgegangen ist, nehmen die Kinder, auch alle schwarzgewandet, die Positionen an den Seiten ein. Der Berater Edrisi, erst an den Rollstuhl gefesselt, an dem sich auch ein ausgestopfter Vogel befindet, mahnt zur Versöhnung und fordert, die neuen Ideen wohlwollend zu prüfen. Nach dem Verhör des Hirten durch den König kann dieser sich aber einer Festnahme entziehen und Roger bleibt relativ ratlos zurück. Dann erscheint Roxana in einem grünen durchsichtigem Gewand und huldigt wie auch ein Kind, das sich aus einem Kollektiv löst, dem neuen Heilsbringer, der das Volk auffordert, mit ihm wegzuziehen. Er erscheint oben auf dem zweigeteilten Schrägdach, das unten eine Entsprechung in einem abwärtsführenden Weg auf der Schräge hat (Bb.: Johannes Leiacker). Auf einem Spiegeltableau deutet der Hirte einen Geschlechtsverkehr mit Roxana an. Roger verbleibt allein und träumt einen langen Traum, in dem er Zwiesprache mit dem Hirten und Roxana hält. Er ringt sich dazu durch, die Macht abzugeben, und als verwandelter Mensch widmet er der aufgehenden Sonne einen Gesang. Diese Inszenierung stammt von Johannes Erath.
Die expressionistisch anmutende Musik, in der Art von Schreker und Zemlinsky, wird vom Orchester und Sylvain Cambreling hervorragend wiedergegeben. In ausladenden Wogen braust sie immer wieder heran, besonders wenn der Hirt seine Liebesgesänge deklamiert. Cambreling kann dieses aufwallende Neutönen (1926) mit Glamour und gleichzeitig exakter Beredsamkeit aufbereiten, wobei ihm das Orchester in jeder Phrase folgt. Die großen Chöre, die gut eingebunden erscheinen, wurden von Tilman Michael und Martin Ehmann (Kinderchor) einstudiert.
König Roger wird von Lukasz Golinski gegeben, natürlich ein Pole in dieser Rolle. Ihm steht ein wohltimbrierter Baßbariton zur Verfügung, den er bei seinem Räsonieren, Abwägen und endlich zu einem Entschluss-Kommen, mit immer neuen Farbgebungen souverän einsetzt. Als seine Gattin Roxana kann Sydney Mancasola mit einem anmutig timbrierten Sopran mit jugendlich dramatischen Anklängen auftrumpfen. Wie etwa Elisabeth in Tannhäuser oder der Königin im ‚Wunder der Heliane‘ läßt sie sich von den neuen Ideen einnehmen und besingt dies gleichsam als eine Befreiung. Als Hirte kann der junge Gerard Schneider mit einem fast schon schweren Heldentenor aufwarten, mit dem er seine meist langsam ruhigen Gesänge bis zu großer Emphase vorträgt. Der Edrisi ist AJ Glueckert mit ebenfalls kraftvollem Tenor, den er in seinen Reflexionen mit einigem Charme einsetzt. In kleineren Rollen kommen der dunkel voluminöse Baß Alfred Reiters und der klangvolle Mezzo von Judita Nagyova zum Einsatz.
Friedeon Rosén