Marlis Petersen, Iurii Samoilov. Copyright: Monika Rittershaus
Frankfurt: Die lustige Witwe 13.5.2018 Premiere
Eine Operette zu produzieren ist für die Oper Frankfurt eine große Ausnahme. Insofern scheint es gerechtfertigt, wenn bei der Lustigen Witwe von Lehar viel investiert wurde, handelt es sich bei dieser doch neben der Fledermaus um eine bedeutende Großoperette. Dazu konnte ein Leitungsteam mit klangvollen Namen gewonnen werden: Claus Guth als Regisseur mit seinem für die Ausstattung verantwortlichen Mitarbeiter Christian Schmidt, und Joana Mallwitz als Dirigentin, vielleicht noch nicht so berühmt, aber die Stationen wie Heidelberg als Assistentin von Cornelius Meister, der jetzt GMD in Stuttgart wird, die letzten Jahre selber GMD am Theater Erfurt, ab nächster Spielzeit GMD in Nürnberg, sprechen für sich.
Ihre Interpretation nimmt die Operette absolut ernst. Sie fordert dem Orchester einen einzigartigen schmelzenden Klang ab und kann starke spätromanische Klangballungen generieren. Das Vilja-Lied wird ganz diskret begleitet, entfaltet wunderbare Eleganz und gerät nie in Kitschverdacht. Das Weiber,Weiber-Couplet wird äußerst akkurat angegangen und in den Übergängen immer auf den Punkt gebracht Bei den Can-Cans am Ende kommt es immer wieder zu gewaltigen Klangeruptionen, das Orchester wirft sich dabei ins Zeug und läßt sich von Mallwitz aufregende Tempi vorgeben. Nachdem sie schon bei der impressionistisch verhaltenen ‚Melisande‘ einen großen Erfolg in Frankfurt verbuchen konnte, war das hier ihre zweite großartige Performance.
Claus Guth läßt sich für die am Ende der Belle Epoche 1905 entstandene ‚Witwe‘ in einem noch ganz in der Kunst schwelgenden Paris viel Zeit in seiner Inszenierung. Lange Ruhepunkte werden oft durch ein laut tickende Metronom in der Garderobe der Hanna Glawari markiert, und Guth hat sich einige der Szenen als Proben imaginiert mit einem eigenen Regisseur (Klaus Haderer, auch als Njegus), der in lockerem Wienerisch Anweisungen und Kommentare gibt. Ein Pianist (Mariusz Klubczuk), ein Kameramann (Stefan Biaesch) und ein Scriptgirl (Vanessa Schwab) stehen ihm dabei zur Seite. Neben dem großen Tanzsaal im schlichten 1930/50er-Jahre-Stil, einem Außenraum mit Bühne, daneben ein Hof mit weiteren Bauten, die als Pavillons dienen, gibt es noch die Künstlerzimmer von Hanna und Danilo auf der Drehbühne. Diese stoßen aufeinander und sind beide zweckdienlich wie Künsterzimmer eingerichtet. Hier duzen sich die die Protagonisten während der Probenpausen als Iurii (Samoilov) und Marlis (Peterson) und geben dem Probenstreß nach, indem sie schon auch mal zur Flasche greifen. Das Fest der Hanna ist schlicht inszeniert mit viel Balkan-Folklore. Die Verführung Valenciennes durch Rossillons wie auch die Annäherung Danilo – Hanna, die in einem langen Kuss endet, verläuft in bezwingend betörender Personenregie. Die Grisettenszene findet in einer wirbelnden artistischen Choreographie von Ramses Sigl statt. Die Damen- und Herrenchöre, die sich wie eine Duftwolke oder wie eine Traube an Hanna Glawari anklammern, sind von Tilman Michael einstudiert, die Kostüme mit großem Stilbewußtsein creiert.
Martin Mitterrutzner, Elizabeth Reiter, Copyright: Monika Rittershaus
Iurii Samoilov ist als Danilo immer von einer starken Brise umweht, die sich zwar nicht in schneller Reaktion, aber letztendlicher Zielstrebigkeit manifestiert und sich dabei in einem guttimbrierten klangkräftigen Bariton niederschlägt. Marlis Petersen kann als ‚Witwe‘ überzeugen. Ihre große schlanke Figur im meist schlichten schwarzen Taftkleid kommt bühnenbeherrschend herüber, und ihr in vielen Großopern erprobter Sopran schmiegt sich der Hanna-Figur bestens an. Baron Zeta wird von Barnaby Rea absolut komisch dargestellt, aber seine Frau Valencienne schubst er herum. Dabei steht ihm ein leicht knorriger Baß zur Verfügung. Besagte Valencienne wird von Elizabeth Reiter als Einspringerin gegeben. Von Gestalt eher schlicht gehalten und im altrosa Kleid singt sie einen sehr angenehmen Sopran und hat in in ihrem Liebhaber Martin Mitterrutzner einen guten Gegenpart, der sich mit annäherndem Silbertimbre und eindringlicher Phrasengestaltung als gewievter Liebhaber in Szene setzt. In den Nebenrollen bilden Theo Lebow und Michael Porter (Tenor), Gordon Bintner (Baßbariton), Julia Dawson (Mezzo), Dietrich Volle (Bariton), Maria Pantiukhova und Margit Neubauer ( (Mezzosoprane), und der Baßbariton Franz Mayer ein glanzvolles Ensemble.
Friedeon Rosén