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FRANKFURT: NORMA von Vincenzo Bellini

Die magische Kraft des Singens

24.06.2019 | Oper

Vincenzo Bellini: Norma, Oper Frankfurt, Vorstellung: 23.06.2019

 (4. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 07.06.2019)

Die magische Kraft des Singens

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Elza van den Heever (Norma)  ©Barbara Aumüller

Bellini sei der letzte Opernkomponist, der sich wirklich dessen bewusst gewesen sei, dass Singen nicht nur ein dramatisches Mittel sei, sondern eine magische Kraft, wir der englische Musikwissenschaftler David Kimbell im Programmheft zitiert. Elza van den Heever liess diese Magie auf der Bühne der Oper Frankfurt entstehen: Norma brachte an diesem Abend, wie es Gustav Flaubert vielleicht formuliert hätte, die Sterne zum Schmelzen. Der Sängerin, die ehemals zum Frankfurter Ensemble gehörte und jetzt auf allen grossen Bühnen der Welt Erfolge feiert, steht eine Stimme zu Verfügung, deren Technik ihr sowohl die dramatische Attacke wie lyrische Innigkeit erlaubt. Mit umwerfender Bühnenpräsenz spielte van den Heever die Norma nicht nur, sie war sie. Da konnte durchaus auch mal ein Stuhl zwei Meter hoch durch die Luft fliegen und ein deutliches Loch in der Wand der Bühnendekoration hinterlassen. Ist es gewollt oder Zufall, dass Norma und Aldagisa hier wie Schwestern wirken. Die Stimmen harmonierten prächtig und die Aldagisa von Dshamilja Kaiser war der Norma ein ebenbürtige Partnerin und, wo verlangt, Widerpart. Stefano La Colla war ein Pollione auf absoluter Augenhöhe mit den Damen und liess sich in Sachen Intensität von ihnen mitreissen. Für einen Teil des Auditoriums wäre hier weniger mehr gewesen. Mit wunderbar langem Atem gab James Creswell einen ansonsten unauffälligen Oroveso. Julia Moorman und Matthew Swensen ergänzten das Ensemble als Clotilde und Flavio.

Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester hatte unter Leitung von Giacomo Sagripanti einen ganz grossen Abend. Unglaublich, mit welcher Leidenschaft musiziert wurde und doch alle instrumentalen Feinheiten hörbar blieben. Wo gefordert, konnte das Orchester ohne Klangbussen aufdrehen, war gleichermassen aber auch zu wunderbaren Pianostellen fähig. Sagripanti erwies sich als Sängerbegleiter allererster Güte und war immer dafür besorgt, dass die Stimme zu ihrem Primat kam. Der Chor der Oper Frankfurt, vorbereitet von Tilman Michael, trug wesentlich zum Gelingen des Abends bei.

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Julia Moorman (Clotilde), Elza van den Heever (Norma) mit Kindern. ©Barbara Aumüller

Christof Loys Ansatz zu seiner Inszenierung der Norma in Frankfurt ist in den Grundzügen bereits von der Norma-Inszenierung der Salzburger Festspiele aus dem Jahre 2015 (Regie: Leiser/Caurier) bekannt. Dort wie hier kämpfen die Gallier als Widerstand gegen eine Besatzungsmacht, ist die Handlung im Umfeld des Zweiten Weltkriegs angesiedelt (Kostüme: Ursula Renzenbrink). Die Frankfurter Norma spielt, inklusive der als Massaker inszenierten Ouvertüre immer in einem sehr schlichten Innenraum (Bühnenbild: Raimund Orfeo Voigt) und kommt mit einem Tisch, Stühlen und wenigen Versatzstücken aus. Der grosse Vorteil der Frankfurter Inszenierung ist daher, dass sie viel weniger von den Figuren und Emotionen ablenkt und so kammerspielartige Dimensionen gewinnt. Van den Heever weiss diese Situation für ihre intensive Darstellung der Norma zu nutzen. Ihre Kinder hat Norma, vor den Römern wie auch vor den eigenen Leuten, in einem über eine Falltür erreichbaren Keller in Sicherheit gebracht. Die so entstehenden Bilder erinnern durchaus an Kriminalfälle der Gegenwart. Unterstützt wird dieser Bezug dadurch, dass der Bühnenraum im gleichen Täfer wie der Zuschauerraum dekoriert ist.

Ein Abend der absoluten Extraklasse!

Weitere Aufführungen: 28.06.2019.

24.06.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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