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FRANKFURT: LOHENGRIN – Elsa im falschen Film

29.10.2016 | Oper

Frankfurt: „LOHENGRIN“

Besuchte Vorstellung am 28.10.2016

 

                    Elsa im falschen Film …

Bildergebnis für frankfurt lohengrin 2016

Annette Dasch (Elsa) und Robert Hayward (Telramund. Copyright: Barbara Aumüller

 

                    … So zitiert es gar selbst Jens-Daniel Herzog, entgegen seinen ausgezeichneten früheren Schauspiel-Produktionen konnte mich der Regisseur mit Operninszenierungen bisher nicht überzeugen. Heute erlebte ich erstmals seine „Lohengrin“-Version (Richard Wagner) in der Oper Frankfurt welche er als befremdliche Fiktion in ein Vorkriegskino der 1930er Jahre verlegte. Die teils uniformen Kostüme sowie die Bühnenausstattung steuerte (Mathias Neidhardt) bei. Stühle und nochmals Stühle als Interieur – wahrhaft ein einziger Stuhlgang. Die Ankunft des Schwanenritters mit freiem Oberkörper, das schier entblößte Hinterteil dem Publikum zugewandt, die Ästhetik pur – mein lieber Schwan! Der ausführliche Bericht der Geschehnisse zur WA vor einer Woche erschien bereits vom Online-Kollegen und somit erspare ich mir weitere Erläuterungen. Man könnte auch Lohengrin zitieren: Nie sollst Du mich befragen. Angesichts dieser szenischen Entzauberung korrespondiert die Inszenierung selten mit dem lichten Charme der Musik, als wolle man sich die Märchenhaftigkeit, an welcher Wagner ja sehr gelegen war, radikal vom Leibe schaffen. Ich verhehle es nicht, derartige Regie-Verfehlungen lasse ich meist teils geschlossenen Auges  über mich ergehen und genieße die musikalische Komponente umso mehr. Doch sei halbwegs zur Regie-Ehrenrettung vermerkt: personelle Konstellationen im zweiten Aufzug waren durchaus bemerkenswert.

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Andreas Bauer (König Heinrich), Robert Hayward (Telramund). Copyright: Barbara Aumüller

Wie schon so oft überraschte die Intendanz des Hauses mit glanzvollen Umbesetzungen und schenkte dem Zuhörer somit  Wagner-Wonnen pur. Am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters waltete Stefan Blunier und legte eine sehr eindringliche Lesart der Partitur vor. Die breiten Tempi welche er besonders im Lyrischen favorisiert geben diesem Lohengrin etwas Mystisches, die elegischen Holzbläser-Pastelle zur Einleitung von Elsas Euch Lüften verwöhnen die Ohren lukullisch. Elegisch erklangen die Violinen im Vorspiel, steigerten sich allmählich mit den Bläsern zum runden aufgefächerten Gesamtklang. Ungeachtet der Szene bringt Blunier Wagners Poesie und Prosa in betörenden Streicherformationen  zum Leuchten ohne jedoch die äußerst musikdramatischen Aspekte zu vernachlässigen, die u.a. in glänzender Form disponierten Blechfraktionen kosteten die Partitureffekte stilvoll und prächtig balanciert aus.

Bevor ich jedoch die Solisten erwähne muss ich vorerst dem Chor und Extrachor (Tilman Michael) höchstes Lob aussprechen: wann zuvor durfte man die Tableaus in dieser Formation erleben? Konzentriert in klanglich-transparenter Ausgewogenheit präsentierten sich die Stimmgruppen in betörendem Klang und akustisch bester Positionierung.

Annette Dasch erscheint in dieser trostlosen Szene quasi als blondgelockte Lichtgestalt, eine bezaubernde Elsa in tiefer Liebe zu Lohengrin, deren Wunsch über ihn alles zu wissen, weit größer als die Angst alles zu verlieren. Kultiviert brachte die exzellente Sängerin ihren inzwischen voluminösen Sopran mit dem warmen Timbre, in herrlichen Phrasierungen,  klangvollen Höhen und  berührenden Piani zum Blühen. Bat die Sängerin vor dem zweiten Aufzug wegen Indisposition um Nachsicht, kurzum  der glücklichen Konstellation vokaler Vorzüge wie Stimmtechnik, Legato sowie ausgezeichneter Linienführung war dem kaum anzumerken.

Als bereits eindrucksvolle Isolde, Elektra, Färberin führte Sabine Hofgrefe ihr klangvolles Sopranpotenzial ins dramatische Geschehen, meisterte die Rolle der Ortrud mit Bravour. Nun bevorzuge ich persönlich für diese Partie eine tiefere Stimmlage, doch beindruckte die vielseitige Gestalterin mit einem fulminanten Rollen-Portrait, jonglierte souverän mit provokanter Attacke und gefährlichen Zwischentönen dank ihres in allen Lagen bestens fokussierten Materials. Dunkle Färbungen mischte Hogrefe ihren Einflüsterungen sowie gleißende Töne ihren mächtigen Höhenausbrüchen bei.

Als Lohengrin stellte sich der vielgepriesene Tristan und Siegfried Vincent Wolfsteiner vor, beeindruckte mit frei differenziert kernigen Tenorqualitäten. Versiert, schier ohne konditionelle Einbußen singt Wolfsteiner die Partie mit sehr lyrischen Schattierungen, sein Tenor trotz allen technischen  akustischen Tücken, seine Spitzentöne leuchten, seine Textbehandlung ist exzellent, eine bemerkenswerte Interpretation.

Zum weiteren musikalischen Glück steuerte Andreas Bauer bei, sein heller wunderbar gleichmäßig geführter Bass herrlich timbriert verströmte natürliche Hoheit und verlieh König Heinrich zusätzlich eine würdevolle Präsenz.

Vokal weniger klangvoll kam Telramund daher, Robert Hayward verstand es zwar die Rolle in klar differenzierter Artikulation aufzuwerten erging sich jedoch mit seinem gewöhnungsbedürftigen baritonalen Potenzial in recht freier Intonation. Mit raubeinigem Bariton parodierte James Rutherford den beflissenen Kino-Hausmeister bzw. Heerrufer.

Schönstimmig formierten sich die Edelknaben  Kalliopi Patrona, Christine Brenk, Christiane Waschk, Gunda Boote zur Ankündigung Elsas. Weniger klangvoll dagegen die vier Edlen Constantin Neiconi, Patrick Henckens, Gerhard Singer, Lars Rößler.

Leistungsgerecht abgestufte Ovationen für die Hauptprotagonisten, Chor, Blunier und Orchester.

Gerhard Hoffmann

 

 

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