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FRANKFURT: LA FORZA DEL DESTINO. Premiere

28.01.2019 | Oper


Foto: Monika Rittershaus

Frankfurt: La forza del destino  27.1.2019  Premiere

In der 18 Jahre währenden Intendantenzeit von Bernd Loebe in Frankfurt kommt jetzt eine neue Forza del destino (Macht des Schicksals) heraus  und zwar in einer Inszenierung des Regie-Shootingstars Tobias Kratzer, der in der letzten Spielzeit hier L’Africain von Meyerbeer mit tollen Regieeinfällen herausgebracht hat, aber auch Widerspruch herausgefordert hat. Ähnliches gelang ihm mit seinem Team in dieser Forza-Inszenierung, wobei die Schattenseiten diesmal überwogen. 

Doch zuerst zur musikalischen Wiedergabe. Es wurde die St.Petersburger Erstfassung 1862 gespielt, die eher selten zum Zug kommt, was sich aber gleich bei dem vielleicht längsten und eingängigsten Verdi-Vorspiel zeigte, das in dieser Fassung aber fast rudimentär wirkte. Offensichtlich wollte man schnell in den Bilderschwall des Kratzer-Teams (Rainer Sellmeier, Ausstattung, und Manuel Braun, Video), einsteigen. Trotzdem wurde sie markant in ihren schicksalshaften symphonischen Ausmaßen von Jader Bignamini imaginiert und vom gut aufgelegten Orchester exekutiert. In den folgenden Szenen kommt das Orchester  seiner eher rezitativischen Begleitfunktion geduldig nach, nur manchmal blitzen die eingängigen Schicksalsmotive und ätherischen Melodien auf. Bignamini versteht es, die verschiedenen auch gegensätzlichenTeile der in der ursprünglichen Fassung vielleicht etwas spröder wirkenden Komposition gut zu proportionieren und auszutarieren, und die Instrumentation, die von den einzelnen Instrumenten (Klarinette!) oder Gruppen immer höchst einfühlsam gespielt werden, auch richtig und spannend herauszuarbeiten. Daran haben auch die vielfach handlungsbestimmenden Chöre vollklanglich ihren regen Anteil. 


Christopher Maltman (Don Carlo di Vargas; in schwarzem Mantel und roter Weste in der Bildmitte stehend) und Ensemble. Foto: Monika Rittershaus

Die Inszenierung macht hingegen einen sehr heterogenen Eindruck. Im Eingangs- und Schlußbild wird die fast leere weiße Bühne durch einen parallel ablaufenden Film gedoppelt. Die Handlung scheint in die amerikanischen Südstaaten verlegt, und es handeln auf der Bühne und in dem Film völlig verschiedene Personen. Die Sängerin Leonora ist die  leicht dunkelhäutige Michelle Bradley in einem großem aufgebauschten Kleid, das sie noch dick macht, im Film ist sie sie das junge Teilzeitmodel Laura Tashina. Auf der Bühne ist der geliebte Sänger eher kleinwüchsig, im Film ist es der große schwarze Darsteller Thesele  Kemane. Auf der Bühne ist die Amme Curra weiß, und im Film (Dela Debulamanzi) schwarz. Ein Spiel der ‚hintergründigen‘ Gegensätze. Die 2. Szene der Dorfschänke spielt in einem amerikanischen Fort und alle Darsteller+Chor tragen Vollmasken im Stil von Mickymaus außer der Wahrsagerin, die als Truppenbegleiterin für den anstehenden Krieg wirbt.  Die Szene wirkt aber nicht so witzig, wie sie vielleicht soll, und wie es sich eigentlich in den engen Masken singen lassen soll, wäre die Frage…

Szenenwechsel, eine weißgetüncht aseptische Halle, Stühle an den Wänden hängend, ein „Jesus saves“- Schild an der Wand. Dazu ein großes Holzkreuz auf dem Boden, das später bei der Zeremonie abgefackelt wird! Leonora, nun im blauen Kleid, muß sich den peinlichen Fragen der Sektenführer in Zivil stellen. Dann wäscht ihr der Padre Guardiano die Füße und wird dabei übergriffig, Leonora kann fliehen. Die folgenden Kriegsszenen wirken in ihrer Buntheit, mit Wachposten, Stockbetten und Palmen, vorbeisegelnden Helikoptern auch sehr disneymäßig, fast kindisch.


Dietrich Volle (Ein Alkalde; stehend mit Bierkrug) und Christopher Maltman (Don Carlo di Vargas; in schwarzem Mantel und roter Weste mit Doktorhut) sowie Chor und Extrachor der Oper Frankfurt. Foto: Monika Rittershaus

Die markante  Personenführung der aus Freunden zu Todfeinden werdenden Don Alvaro und und Carlo di Vargas wäre aber hervorzuheben. Die Showszene mit Preziosilla, der sich zwei Bunnies hinzugesellen und die ‚Kapuzinerpredigt‘ des Fra Melitone mündet in den wilden Rataplan-Chor, und artet in eine Kopulationnszene der plötzlich böse Männermasken tragenden Bunnies aus. Wieder sehr gegensätzlich die ‚Suppenausgabe‘, ganz im Stil einer heutigen Tafel, wo an Flüchtlinge Lebensmittel verteilt werden. In seiner Erregung wirft Padre Raffaelle (Alvaro) die ganze Tafel um, da Carlo ihn schwer beleidigt hat. Einmal taucht auch noch eine Gruppe gefangener Vietnamesen auf, und Martin Luther King hält im Video seine flammende Rede gegen die Rassendiskriminierung. 

Was die SängerInnen angeht, sind diesmal die Männer, in Überzahl, eigentlich besser als die Damen. Den Marchese von Calatrava und den Padre Guardiano singt Franz-Josef  Selig mit balsamischer Baßstimme. Die Donna Leonora der Michelle Bradley kann auf einen recht hübsch timbrierten Sopran zurückgreifen, in der ersten Szene kommt er aber noch nicht so auf Tour. In der ‚Sektenszene‘ singt sie sich frei und läßt die Stimme sogar aufblühen. Am Ende in einer Hotelabsteige mit Ventilator (Video) haucht sie ihr Leben wieder eher dünnstimmig aus. Christopher Maltman ist mit seinem prunkenden starken Bariton als Bruder Carlo der eigentliche (negative) Held. Sein Gegenspieler in Gestalt des Armeniers Hovhannes Ayvazyan bietet ihm mit einem gleichfalls tollen Tenor Gegenpart sowie mit unermeßlichen Stimmreserven. Die Höhen sind registerlos eingebunden. In der Rolle der Preziosilla kann wieder  einmal Tanja Ariane Baumgartner ‚abräumen‘. Ihre Gesangsphrasen wirken, besonders beim Rataplan, wie gelackt, und die gefeierte Mezzosopranistin wirkt hier eher ganz sopranig mit guten Höhen. Als Curra bewährt sich Mezzosopran Nina Tandarek, den Alkalden gibt baritonal Dietrich Volle, Mastro Trabuco ist tenoral Michael McCown, und den Medico militare gestaltet der Baß Anatolii Suprun.           

Friedeon Rosén

 

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