FRANKFURT/ HR-Sendesaal :KONZERT HR-SINFONIEORCHESTER, Ivan Repusic, Sitkovetsky Trio (Pejačević, Beethoven, Dvorak)
Pejačevićs Leidenschaft, Beethovens Feinsinn und Dvořáks Klangfülle:
Ein Abend voller musikalischer Höhepunkte
Ivan Repušić – Copyright by hr/Gregor Hohenberg
Es war ein Abend, der die unterschiedlichsten Facetten der Orchestermusik auslotete: vom spätromantischen Farbenreichtum einer weitgehend unbekannten dora , über die charmante Leichtigkeit von Beethovens selten gespieltem Tripelkonzert, bis hin zur sinfonischen Pracht von Dvořáks 8. Sinfonie. Unter der Leitung von Ivan Repušić entfaltete sich im hr-Sendesaal ein musikalisches Panorama, das sowohl die solistischen Glanzleistungen als auch die orchestrale Bandbreite eindrucksvoll in Szene setzte. Im Zentrum der Aufmerksamkeit: das Sitkovetsky Trio, das für die besonders diffizile Interpretation von Beethovens Tripelkonzert gewonnen werden konnte. Das Publikum erlebte einen abwechslungsreichen Abend, der durch die kontrastreiche Programmgestaltung besonders spannend geriet.
Dora Pejačević, eine Pionierin der kroatischen Musikgeschichte, komponierte mit ihrer Ouvertüre in d-Moll op. 49 ein spätromantisches Werk, das tief in der Tradition verwurzelt ist, aber zugleich eine individuelle Tonsprache aufweist. Als erste Frau Kroatiens, die erfolgreich sinfonische Musik schrieb, beherrschte sie die klangliche Opulenz der großen Orchesterform meisterhaft. Die Ouvertüre zeigt in ihrer Farbigkeit und dramatischen Gestaltung die volle Bandbreite ihres kompositorischen Könnens. Es sollte ihr letztes Orchesterwerk ihres kurzen Lebens sein. Sie starb mit nur 37 Jahren in München. Besonders auffällig ist die klare Struktur des Werkes: Folkloristische Elemente mischen sich mit einer dramatischen Virtuosität, die in der gesamten Orchesterbehandlung zum Tragen kommt. Die Holzbläser unterstreichen in vielen Momenten eine fast ländliche Schlichtheit, während die Blechbläser mit geballter Kraft dramatische Höhepunkte schaffen. Pejačević gelingt es, in diesem Werk sowohl die Sehnsucht nach romantischer Tiefe als auch eine frische Lebendigkeit hörbar zu machen.
Ivan Repušić führte das hr-Sinfonieorchester mit sicherer Hand durch die Ouvertüre. Die dynamischen Spannungsbögen wurden präzise herausgearbeitet, das Orchester reagierte feinfühlig auf die wechselnden Stimmungen. Die Holzbläser zeichneten die folkloristischen Themen mit Leichtigkeit und Eleganz, während das Blech kraftvolle Akzente setzte. Repušić verstand es, die verschiedenen Orchestergruppen in einem homogenen Klangbild zu vereinen, das die klangliche Tiefe und den farbenreichen Charakter von Pejačević’ Werk voll zur Geltung brachte.
Beethovens Tripelkonzert, komponiert zwischen 1803 und 1804, ist ein außergewöhnliches Werk in seinem Schaffen. Es verbindet die Klangfarben von Klavier, Violine, Violoncello und Orchester in einer Weise, die kaum in einem anderen Werk des Meisters zu finden ist. Ursprünglich für den Pianisten Erzherzog Rudolph, den Geiger Carl August Seidler und den Cellisten Anton Kraft geschrieben, war es zur Zeit seiner Entstehung eine innovative Kombination von Soloinstrumenten. Der Klavierpart ist verhältnismäßig weniger virtuos gestaltet als in Beethovens anderen Konzertwerken, doch der Schwerpunkt liegt klar auf dem Zusammenspiel der drei Solisten und dem Orchester.
Sitkovetsky-Trio – Copyright by Vincy NG
Das Sitkovetsky Trio, zusammen mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Ivan Repušić, legte eine feinsinnige und harmonisch ausgewogene Interpretation vor. Vom ersten Takt an zeichnete sich der Abend durch eine gelungene Balance zwischen den Solisten und dem Orchester aus. Besonders das Largo war von tief empfundener Intimität geprägt, die das Trio und das Orchester in einen subtilen Dialog führte. Isang Enders am Cello verlieh diesem Moment eine fast gesangliche Qualität, die von Alexander Sitkovetskys sanftem Geigenton einfühlsam ergänzt wurde. Das abschließende Rondo, ein beschwingter Tanz im Polonaisenrhythmus, sprühte vor Lebendigkeit und versetzte das Publikum in Hochstimmung. Repušićs klare Führung und das präzise Zusammenspiel des Orchesters trugen entscheidend dazu bei, den heiteren Charakter dieses Schlusssatzes zu unterstreichen. Die Zusammenarbeit mit dem hr-Sinfonieorchester funktionierte perfekt, und Repušić hielt die Balance zwischen Solisten und Orchester souverän. Mit viel Charakter und deutlichen Akzenten war das Orchester ein dynamischer Gegenpol, der große Hörfreude bereitete.
Das Sitkovetsky Trio beeindruckte durch seine enge musikalische Verzahnung. Alexander Sitkovetsky entlockte seiner Stradivari einen strahlenden, leicht flirrenden Ton, der sich wunderbar mit Isang Enders’ warmer Cello-Stimme verband. Wu Qian, die Pianistin des Trios, schuf mit ihrem feinfühligen Anschlag eine stützende Basis, auf der die beiden Streicher glänzen konnten. Gemeinsam erzielten die drei Musiker eine beeindruckende Durchhörbarkeit der Stimmen, die den kammermusikalischen Charakter des Werkes unterstrich. Das Publikum reagierte mit großer Begeisterung und wurde mit einer faszinierenden Zugabe belohnt. Es folgte ein langsamer Satz aus dem zweiten Klavier-Trio von Cécile Chaminade, einer spätromantischen Komponistin, die auch als Konzertpianistin in ihrem langen Leben gefeiert wurde. Es waren wunderbare Minuten, die das hingebungsvoll musizierende Trio dem Publikum schenkte.
Mit Antonín Dvořáks 8. Sinfonie, uraufgeführt 1890 in Prag, betrat das Konzert im zweiten Teil eine andere musikalische Welt. Diese Sinfonie, von den Einflüssen seines Freundes und Mentors Brahms geprägt, zeigt Dvořák auf dem Höhepunkt seiner melodischen Erfindungskraft. Die Sinfonie beginnt mit einem wunderbar gesanglichen Cellothema, das sofort den warmen, volkstümlichen Ton des gesamten Werkes vorgibt. Es folgen Vogelstimmen und eine Fülle von Naturklängen, die typisch für Dvořáks Schaffen sind und die die tiefe Verbundenheit des Komponisten mit seiner Heimat widerspiegeln.
Ivan Repušić und das hr-Sinfonieorchester fanden an diesem Abend zu einer äußerst lebendigen und gleichzeitig detailgenauen Interpretation. Die Cellogruppe intonierte das choralartige Eingangsthema mit großem Ausdruck, und das Blech glänzte mit farblich schillernden Einsätzen. Das Adagio des zweiten Satzes war von einer tiefen, fast meditativen Ruhe durchzogen, die das Publikum in eine Welt der Sehnsucht und der weiten Landschaften führte. Herrlich in der Schattierung erklangen die Klarinetten im Wechselspiel mit den Flöten. Repušićs Dirigat zeichnete sich durch überragendes Timing und dynamische Finesse aus. Selbst in den kraftvollen Fortestellen blieb die Transparenz des Klangbildes gewahrt. Bei ihm klang Dvořák zupackend, kraftvoll und zuweilen auch derb, was ein sehr authentisches Klangbild ergab. Und dann gab es auch entzückende Überraschungen, wie die Wiederholung des Walzers im dritten Satz, die der Dirigent sehr leise spielen ließ. Das hr-Sinfonieorchester zeigte sich in allen Gruppen auf hohem Niveau, insbesondere die Bläser beeindruckten durch ihre Präzision und Klangschönheit. Der Abend endete mit einem stürmisch bejubelten Schlusssatz, bei dem die Hörner und Trompeten mitreißend brillierten. Die virtuos gespielten Soli und die reiche Klangpalette des Orchesters ließen den Abend in einem furiosen Finale enden. Die Programmgestaltung – eine Entdeckungsreise zwischen Pejačević, Beethoven und Dvořák – bot dem Publikum ein abwechslungsreiches und musikalisch erfüllendes Erlebnis.
Dirk Schauß 27. September 2024
Besuchtes Konzert im hr-Sendesaal am 26. September 2024
Dora Pejačević – Ouvertüre d-moll Op. 49
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur Op. 56 „Tripelkonzert“
Antonín Dvořák – Sinfonie Nr. 8 G-Dur Op. 88