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FRANKFURT/ HR-Sendesaal: HR.SINFONIEORCHESTER – Winterträume. Erina Yashima, musikalische Leitung, Bryan Cheng (Cello)

18.01.2025 | Konzert/Liederabende

Winterträume in Frankfurt: Ein Abend mit Erina Yashima, Bryan Cheng und dem hr-Sinfonieorchester

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Erina Yashima. Copyright by hr/Todd Rosenberg Photography

Am 17. Januar 2025 entführte das hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Erina Yashima das Publikum des hr-Sendesaals in eine facettenreiche musikalische Welt. Mit Kareem Roustoms „Ramal“, Camille Saint-Saëns’ Cellokonzert Nr. 1 und Peter Tschaikowskys erster Sinfonie „Winterträume“ bot der Abend eine reizvolle Mischung aus zeitgenössischen Klängen, romantischer Virtuosität und russischer Klangpoesie. Der kanadische Cellist Bryan Cheng, Solist des Abends, begeisterte durch technische Brillanz und intensiven Celloton.

Die 1991 geborene deutsch-japanische Dirigentin Erina Yashima hat sich in kurzer Zeit als eine vielversprechende Künstlerin ihrer Generation etabliert. Nach Studien in Freiburg und Philadelphia führte sie ihr Weg u.a. nach Chicago, wo sie als Assistant Conductor des Chicago Symphony Orchestras tätig war und von Riccardo Muti gefördert wurde. Von 2022 bis 2024 war sie Erste Kapellmeisterin an der Komischen Oper Berlin. Es folgten zahlreiche Einladungen internationaler Orchester.

Mit Kareem Roustoms Orchesterwerk „Ramal“, aus dem Jahr 2014, eröffnete Yashima den Abend und demonstrierte ihre beeindruckenden Fähigkeiten. Das Werk, inspiriert von arabischer Dichtung und traditionellen Rhythmen, lebt von einer extrem kontrastreichen Dynamik und einer komplexen rhythmischen Struktur. Roustom schuf ein kurzweiliges, vielschichtiges Werk, das vor allem durch seine gelungene Struktur und die klaren Proportionen überzeugt. Ihm gelang etwas Besonderes: eine starke Farbigkeit bei vielfältigen Themen, die für den Zuhörer verständlich sind, so einzusetzen, dass das Werk wie eine spannende Erzählung wirkt. Unter Yashimas präziser Leitung entfaltete das hr-Sinfonieorchester eine packende Energie. Die Streicher überzeugten mit dichten, fast hypnotischen Klangteppichen, während die Holzbläser mit feinen Ornamenten die orientalische Farbpalette des Werks betonten. Besonders hervorzuheben war das perkussive Fundament, das die rhythmische Dramatik des Werks stützte. Yashima gelang es gut, die Balance zwischen orchestraler Wucht und subtiler Transparenz zu wahren. Ein sehr kraftvoller Vortrag mit immer wieder spannenden Ruhemomenten.

Der kanadische Cellist Bryan Cheng, Jahrgang 1997, zählt zu den herausragenden Talenten seiner Generation. Mit seiner Stradivari „Dubois“ von 1699 hat er internationale Erfolge gefeiert und unter anderem den zweiten Preis beim prestigeträchtigen „Concours de Genève“ gewonnen. Cheng verbindet technische Perfektion mit einer tief empfundenen musikalischen Aussage, die sein Spiel besonders macht. In Camille Saint-Saëns’ Cellokonzert Nr. 1 in a-Moll offenbarte Cheng sein herausragendes Können. Bereits der dramatische Einstieg des Solocellos zog das Publikum in den Bann. Cheng meisterte die anspruchsvollen Doppelgriffe und Läufe mit beeindruckender Leichtigkeit und schuf einen klaren, kraftvollen Ton, der mühelos den Raum füllte. Der zweite Teil des Konzerts, geprägt von lyrischer Innigkeit, zeigte Chengs außergewöhnliche Musikalität. Seine Phrasierungen waren durchdacht und von einem warmen, samtigen Klang getragen. Besonders beeindruckend war der Dialog mit den Mitgliedern des hr-Sinfonieorchesters, der das emotionale Zentrum dieses Abschnitts bildete. Im finalen Teil brillierte Cheng mit hingebungsvollem Ton und präziser Artikulation. Das hr-Sinfonieorchester unter Yashimas Leitung erwies sich als einfühlsamer Partner, der die dramatischen, tänzerischen Elemente des Werks mit Lebendigkeit und Charme unterstützte. Ein wunderbarer Vortrag, der mit zwei Zugaben bedankt wurde. Zunächst gab es von Cheng mit dem Orchester die herrliche „Serenade Espagnole“ von Alexander Glasunow und danach ein humoriger Pizzicato-Vortrag.

Der zweite Teil des Abends war Peter Tschaikowskys erster Sinfonie „Winterträume“ gewidmet, einem Werk, das bereits die große emotionale Spannweite und die melodische Erfindungskraft des jungen Komponisten erkennen lässt.

Im ersten Satz, „Träumerei eines Winterabends“, führte Erina Yashima das hr-Sinfonieorchester mit feiner Balance aus Klarheit und rhythmischem Feinschliff. Die Streicher eröffneten mit zartem Pianissimo und einem Hauch von Melancholie, während die Holzbläser die folkloristisch inspirierten Themen mit charmanten Akzenten gestalteten. Yashima baute die dynamischen Steigerungen behutsam auf, sodass die dramatischen Höhepunkte des Satzes umso eindrucksvoller wirkten.

Der zweite Satz, „Land der Öde, Land der Nebel“, offenbarte die lyrische Seite des hr-Sinfonieorchesters. Die Streicher spielten die weit geschwungenen Melodien mit warmer, sehnsuchtsvoller Intensität, während die Hörner mit ihrem weichen, melancholischen Choral-Klang das winterliche Stimmungsbild malten. Vor allem brillierten in diesem Abschnitt die Holzbläser, wie z.B. Oboe und Flöte mit hingebungsvoller Artikulation. Yashimas sensible Tempogestaltung verlieh diesem Satz eine erzählerische Qualität. Sie nahm sich hinreichend Zeit, das Orchester sehr kantabel zu führen. Ein intensives Stimmungsbild.

Das Scherzo präsentierte sich als rhythmisch pulsierender Tanz, voller Leichtigkeit und Eleganz. Besonders die Klarinette begeisterte mit ihrer tänzerischen Virtuosität, die das spielerische Element des Satzes unterstrich. Die dynamischen Kontraste, die Yashima präzise herausarbeitete, sorgten für eine lebendige Atmosphäre. Am Ende gab es sodann ein sehr extrovertiertes Paukensolo, das der gastierende Solo-Pauker des NDR Elbphilharmonie Orchesters, Stephan Cürlis, mit größter Kompetenz auswendig (!) vortrug. Bemerkenswert ist, dass Cürlis die gesamte Sinfonie auswendig spielte – ein Markenzeichen von ihm, da er bekannt dafür ist, zahlreiche Werke ohne Noten darzubieten. Dies ist eine außerordentlich seltene Fähigkeit.

Der vierte Satz, ein triumphaler Höhepunkt, bildete den krönenden Abschluss. Die Streicher zeigten beeindruckende Energie in den schnellen Passagen, während die Bläser mit strahlenden Fanfarenklängen das Finale prägten. Druckvoll sorgte das aufmerksame Schlagzeug für glanzvolle Effekte. Yashima führte das hr-Sinfonieorchester souverän durch die komplexen Wechsel von Dramatik und jubelnder Exaltation und sorgte für einen mitreißenden Schlusspunkt. Sehr klug und mit starker Hand dosierte sie die Dynamik und wusste genau, wann sie das Tempo anzuziehen hatte. Ein fabelhaftes Dirigat und ein mustergültiger Orchestervortrag begeisterten das Publikum.

Der Konzertabend im hr-Sendesaal war ein musikalisches Fest. Erina Yashima bewies, dass sie eine außergewöhnliche Dirigentin mit klanglicher Sensibilität und interpretatorischer Gestaltungskraft ist. Bryan Cheng beeindruckte mit technischer Leichtigkeit und einer emotionalen Ausdruckskraft, die jedes Detail der Musik spürbar machte. Das hr-Sinfonieorchester überzeugte in allen Werken durch Präzision, klangliche Vielfalt und ein tiefes Verständnis für die unterschiedlichen Stilwelten des Programms.

Dirk Schauß, 18. Januar 2025

 

Besuchtes Konzert im hr-Sendesaal am 17. Januar 2025

Bryam Cheng, Violoncello

hr-Sinfonieorchester

Erina Yashima, musikalische Leitung

 

 

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