Frankfurt: DIE BANDITEN von J.Offenbach 10.3.2024
Foto: Barbara Aumüller
Offenbachs Banditen (Les brigantes) standen am Ende einer Schaffensphase, die in erster Linie der Bedienung der Pariser Opera comicque bzw.bouffe gegolten hat/Uraufführung Theatre des Varietés 1869. Es geht um eine Räuberbande, die in der oberitalienischen Region um Mantua agiert in einer Zeit,da es in Europa noch sehr viele Kleinstaaten gab. Einige Fürstentümer konnten ihren Bestand nur durch teils windige finanzielle Großtransaktionen sichern. Da setzen die Banditen, meist gescheiterte bürgerliche Existenzen,an. Die Regie von Katharina Thoma möchte aber gleichfalls die Parallelen zum modernen Europa (EU) ziehen,um es noch interessanter, augenfälliger zu machen. Der neu in die Bande aufgenommene Landwirt mutiert zum Biobauer,der seine Existenz durch Ausraubung verloren hat.Sein Gesellenstück bei der Bande: die Gefangennahme eines Kabinettskuriers, aus dessen Papieren hervorgeht,dass die Prinzessin von Granada im Anmarsch ist,um den Prinzen von Mantua zu heiraten! Die Mantuaner sind bei den Granadern hoch verschuldet, bekommen aber die Mitgift der Prinzessin, den Rest müssen sie aber beim Eintreffen der Granader entrichten. Also ist der Plan von Falsacappa, die Spanier zu überfallen,und in ihrer Verkleidung die Restsumme entgegenzunehmen. Das Porträt der spanischen Prinzessin vertauscht er mit einem Bild seiner hübschen Tochter Fiorella, die eine Liebesbeziehung mit Fragoletto, dem Biobauern, hat,was auch eine reizende Liebesgeschichte hergibt,von Offenbach natürlich entsprechend vertont und mit heiteren berauschenden Operettenmelodien bedacht,die aber hier nicht in der Originalsprache französisch gesungen werden, sondern in einer deutschen Fassung der Regisseurin,um es dem Publikum leichter zu machen,die heute selten gespielte Operette zu konsumieren. Zu Anfang werden die Briganten alle in ihren phantasievoll dunklen Gewandungen (Kost.: Irina Bartels) und in einer Landschaft mit fabelhaft gemalten Alpenhintergrund,aber bereits mit vorhandener Brenner-Autobahnbruecke und, als Symbol für die Kleinstaaterei,mit einem winzigen Holz-Zollturm, aus dem heraus die sieben Räuber einzeln auftreten. Daneben ein rotweiss gestrichener Schlagbaum/Bb.: Etienne Pluss. Das 2.Buehnenbild ist ein Gasthaus an der Grenze zwischen Spanien und Italien(!), wo man durch Riesenglas-‚Aussenscheibe‘, die modern geputzt wird, in das Innere hineinsieht, und wo die Räuber das Hotelpersonal gefangen nehmen und auf einer Rutsche einzeln in den Orchestergraben bugsieren (dieser bietet noch Platz wegen der schlanken Instrumentierung Offenbachs).In der Verkleidung des Hotelpersonals erwarten die Räuber zuerst die italienischen Carabinieri,dann die spanische Delegation, mit denen in der genau gleichen Weise verfahren wird. Die Carabinieri geben in der Offenbach-Version auch einigen Witz her, wenn das Stiefeltrappen ihres Anführers, der in aufgedonnerter Uniform an Francisco Franco gemahnt, und das schon weit vorher vernehmbar ist,in der Komposition ausgemalt und rhythmisch ausgekostet wird. Auch die Spanier geben natürlich viel Anlass zu Persiflierung.Das wird alles vom Orchester glänzend und mit spritzigen Elan unter der Leitung von Karsten Januschke wiedergegeben.
Im letzten Akt in Mantua stellt sich heraus,dass das Geld nicht vorhanden ist. Der Schatzmeister hat es für seine Mätressen verspielt. Die ca 20 Mätressen des Prinzen bedauern,dass sie sich jetzt aus dem Himmelbett des Prinzen zurückzuziehen haben, da sie wegen der Ankunft der spanischen Braut ausgedient haben. ls die granadischen Granden in spanischer Unterkleidung doch noch in Mantua auftauchen (die Carabinieri haben zu sehr dem Schampus im ‚Weinkeller‘ zugesprochen), sollen die Räuber an den Galgen kommen, werden aber gerettet,weil Fiorella im 1.Akt dem Prinzen einen Weg aus dem Wald gewiesen hatte,und er somit nicht ausgeraubt werden konnte. Sie hängen ihr Handwerk an den Nagel, Spanier und Mantuaner werden sich final einig.Das alles ist rasant inszeniert und blendend choreographiert (Katharina Wiedenhofer) in der schäumenden Offenbach-Musik.
Die jungen Mädchen, die auch eine Art Anlockfunktion besitzen,sind Eui Kim, Konstanze Schlaud, Julia Mattheis und Hyemi Rusch-Jung.
Bei den Spaniern wird der Graf Gloria-Cassis von dem mexikanisch-spanischen Tenor Abraham Breton mit toller Verve gegeben. Die Prinzessin von Granada wird vom langjährigen Ensemblemitglied,von der in Kolumbien gebürtigen Juanita Lascarro gesungen und in Szene gesetzt.Den ihr hingebungsvoll ergebenen Pagen singt der lyrische Tenor Tianji Lin.Den Hofmeister gibt der koreanische Bassbariton Pilgoo Kang.
Bei den Mantuanern gibt den Prinzen ebenfalls ein Frankfurter Urgestein, Peter Marsh, der sich seine Marke mit durchaus auch zuweilen greller Höhe redlich verdient, dabei seine tenoralen lyrischen Qualitäten aber nie vetgessen hat. Der Baron von Campotasso ist der Tenor Theo Lebow, und der Kapitän der Carabinieri Dietrich Volle agiert als ganz distinguierter Bariton.Den köstlichen Schatzmeister geriert Peter Bronder tenoral.
Den Wirt Pippo gibt der Tenor Kudaibergen Abildin, seine Frau Pippa und die Marquis der Mezzosopran Claudia Ribas aus dem Opernstudio. Ekin Su Paker/Sopran ist die Tochter Pipetta und die Herzogin.
Nun abschließend zu den Räubern. Den Barbavano singt der Bariton Jarrett Porter,den Domino Tenor Michael McCown, den Carmagnola das neue Ensemblemitglied und bereits mehrfach prämierter Tenor Jonathan Abernathy. Pietro, stellvertretender Hauptmann,wird vom alerten Tenor Yves Saelens gegeben,der sich mit einer Kopfbinde auch etwas um Hauptmannstochter Fiorella kümmert: die gute Elizabeth Reiter mit jugendlich farbigem Sopran.
Ihr Verlobter Fragoletto ist die neue Hosenrolle der Oper Frankfurt Kelsey Lauretano,die mit liebreicher Mezzostimme völlig zu überzeugen vermag und quasi zum Leitstern dieser Briganten erhoben wird.
Hauptmann Falsacappa, Tenor Gerard Schneider,überzeugt außer seinen genuinen Ideen mit seiner hellen gut austarierten Stimme.
Friedeon Rosen