Frankfurt: „DER SPIELER“ – Wiederaufnahme am 27.01.2017
Frank van Aken. Copyright: Oper Frankfurt
Ungeachtet der schwierigen Realisierung der Oper „Der Spieler“ (Sergei Prokofjew) erlebte das Werk 2013 durch Harry Kupfer an der Oper Frankfurt eine hervorragende Konzeption, welche nun heute ihre zweite WA erlebte. Um es kurz zu fassen, alles in dieser Oper ist elektrisierende Rasanz, dramatischer Sog, pulsierende Eskalation, musikalische Ekstase. In knapp sechs Monaten vollendete der russische Komponist seinen revolutionären „Spieler“, wobei er sich das Libretto aus Dialogen der Romanvorlage Dostojewskis größtenteils gleich einer rezitativischen Wort-für-Wort-Vertonung selbst zusammenstellte (Anm. aus historischen Quellen).
Harry Kupfer siedelte die Story zu Ende der 1920er Jahre in einem visionären Spielkasino an, in dessen Zentrum ein riesiges Roulette-Rad rotiert auf welchem die Spieler selbst zu unkontrollierten Kugeln im gesellschaftlichen Raum werden. Wiederum stellte Kupfer seine ausgezeichneten Qualitäten als Regisseur unter Beweis, verstand es akribisch die diversen Charaktere der Protagonisten höchst differenziert in Szene zu setzen und beschrieb real die zerstörerische Welt der vom Mammon beherrschten Sucht-Kreaturen. Nicht weniger beleuchtete Kupfer die subtilen Elemente wie delikate Show-Effekte sowie den personellen humoristischen Sarkasmus der Figuren quasi als Tragik-Komödie. Dank der imposanten Bühnenkonstruktion (Hans Schavernoch) in Verbindung der großartigen Lichtadaptionen (Joachim Klein) sowie der attraktiv-eleganten präsentierten Kostüme (Yan Tax) entstanden Bilderfrequenzen von höchst beklemmender Suggestion verpackt in vortrefflicher Ästhetik.
Diese optisch surreale Welt verstand es Sebastian Weigle akustisch in bester Manier zu untermalen. Der versierte Dirigent setzte mit seinem hervorragend disponierten Frankfurter Opern- und Museumsorchester musikalisch hinreißende Akzente, fächerte die farbenreiche Musik detailliert auf und erwies sich als kompetenter Sachverwalter der Partitur. Wunderbar erklang zu sehnsuchtsvollem Kolorit der rhythmisch pulsierenden Streicher der schrill akzentuierte Sarkasmus der tief grollenden Posaunen. In dezentem Volumen formte Weigle die vehement aggressiven Blechfraktionen sowie die bestens artikulierenden Holzbläser zu vielfältigen Klang-Details dieser farbenreichen und witzigen Musik, ohne sich auch der reichhaltigen lyrisch-romantischen Prosa und fieberhaften Energie des Werkes zu verschließen.
Inmitten dieses herrlich unterlegten Sounds schienen sich die Sänger ungeheuer wohl zu fühlen, agierten sichtlich mit großem Spaßfaktor ihre Partien im burlesk tragisch-komischen Spielgeschehen. Allen voran besticht Frank van Aken als leidenschaftlicher Alexej in existenzieller Abhängigkeit des Generals und verstand es ausgezeichnet die unglückliche Figur in allen menschlich-charismatischen Facetten beklemmend auszuloten, bis zum finalen Wahnsinn aufzufächern. Vokal beleuchtete van Aken den Besessenen mehr im klangvollen Bereich der Mittellage seines heldentenoralen Materials, welches jedoch im Verlauf des Abends zunehmend ermüdete. Ich erlebte die Rolleninterpretation andernorts strahlkräftiger und intensiver.
Ohne Zweifel gebührt höchstes Lob der imposantesten Gesangsleistung der Aufführung: Andreas Bauer quasi einer Luxusbesetzung der Generals-Partie. Geschmeidig in herrlich weichen Tönen intonierte der Edel-Bass die vielschichtigen Intervall-Frequenzen mit Kern und Biss und bot prächtige Vokalqualität von höchster Präsenz. Zudem erwies sich der exzellente Sänger als optisch-komödiantisches Highlight in köstlich humoristisch-ironisierender Manier. Bravo!
Frank van Aken, Sara Jakubiak. Copyright: Barbara Aumüller
Derartige imposante Gesangsleistungen blieben Sara Jakubiak als Polina verwehrt, hatte ich die ausdrucksstarke Sängerin bisher nur in bester Erinnerung, litt ihre Leistung heute Abend evtl. unter Indisposition oder gar einer ungünstigen Rollenwahl? Darstellerisch konnte sie als Polina in Hassliebe zu Alexej verbunden, in attraktiver Optik und bewegender Systematik der Präsentation punkten.
Vortrefflich interpretierte Hedwig Fassbender mit angenehmen dunklen Soprantönen die skurrile Babuschka und unterstrich die dominante Persönlichkeit im Rollstuhl mit pointierter Mimik. Mit helltimbriertem Mezzo und ansprechender Erscheinung setzte Paula Murrihy die Blanche ins rechte Licht.
Angenehme Basstöne schenkte Iurii Samoilov den kurzen Auftritten des Mr. Astley, sowie Magnus Baldvinsson dem Baron Würmerhelm. Tenorale Lichtblicke bot Peter Marsh als Fürst Nilski, weniger klangvolle Töne vernahm man vom Marquis (Theo Lebow).
Mit teils ansprechenden Vokalbeiträgen glänzten weitere Ensemblemitglieder in den Mini-Rollen der keineswegs unkomplizierten Interventionen der Spielakteure des Finales.
Kurze und heftige Begeisterung des Publikums für einen sehr eindrucksvollen Opernabend.
Gerhard Hoffmann