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FRANKFURT: DER SANDMANN von Andrea Lorenzo Scartazzini

09.10.2016 | Oper

Deutsche Erstaufführung in Frankfurt: „Der Sandmann“ von Andrea Lorenzo Scartazzini (Vorstellung: 8. 10. 2016)

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Agneta Eichenholz und Daniel Schmutzhard. Copyright: Oper Frankfurt/ Monika Rittershaus

Die als Auftragswerk des Theaters Basel geschriebene Oper „Der Sandmann“ des Schweizer Komponisten Andrea Lorenzo Scartazzini hatte Mitte September an der Oper Frankfurt  als Übernahme der Basler Produktion ihre Deutsche Erstaufführung. Der im Jahr 1971  geborene Schweizer Komponist, der bei Rudolf Kelterborn und Wolfgang Rihm studierte, hatte mit seinem Erstlingswerk „Wut“ –  2006 in Erfurt uraufgeführt – großen Erfolg. Die Kritik attestierte damals seiner Arbeit eine „starke sinnliche Qualität“, die „modern, aber keineswegs abstrakt“ wirke. Seine dritte Oper „Edward II.“ wird am 19. Februar 2017 an der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt.

Der Inhalt der Oper „Der Sandmann“, deren Libretto von Thomas Jonigk nach der gleichnamigen Erzählung von E. T. A. Hoffmann stammt und die 2012 in Basel uraufgeführt wurde, in Kurzfassung: Der Schriftsteller Nathanael kommt mit der Arbeit an seinem autobiographischen Roman „Der Sandmann“ nicht voran. Durch traumatische Erlebnisse in seiner Kindheit befindet er sich in einer psychisch angespannten Situation, in der er zunehmend Realität und Traum nicht mehr zu unterscheiden vermag. Erscheinungen seines verstorbenen Vaters und des zwielichtigen Coppelius verstärken seine Lebenskrise, aus der ihn auch nicht seine bodenständige Freundin Clara herauszuhelfen vermag. Schließlich wendet er sich der verführerischen Clarissa zu. Am Ende steht  Nathanaels Tod – sein Roman scheint über einige wenige Entwürfe nicht hinausgekommen zu sein …

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Agneta Eichenholz. Copyright: Oper Frankfurt/ Monika Rittershaus

Christof Loy gelang eine atmosphärisch dichte und witzige Inszenierung mit wenigen Requisiten (Tisch mit Schreibmaschine und dahinter ein Berg von Büchern) und in Schwarz gehaltenen Kostümen. Die Farbe Rot taucht lediglich in den Traumsequenzen auf (Bühnenbild: Barbara Pral, Kostüme: Ursula Renzenbrink). Dass der Regisseur auch die realen Figuren des Stücks mit Kabeln versieht, die ihnen aus den Körpern gerissen werden, verstärkt zwar das Albtraumhafte des Geschehens, bleibt aber dennoch rätselhaft. Wie auch seine Idee, Clara und Nathanael plötzlich 18-fach auf der Bühne erscheinen zu lassen. Der Regie-Gag, Hauptpersonen in Opern zu verdoppeln, zu vervierfachen etc. ist eine modische Erscheinung, der man langsam überdrüssig wird.

Aus dem gut abgestimmten Sängerensemble ragte der österreichische Bariton Daniel Schmutzhard heraus. Er verkörperte die Titelrolle nicht nur stimmlich exzellent, sondern auch schauspielerisch. „Der ‚Sandmann‘ ist nicht als eine direkte Abbildung von Wirklichkeit zu verstehen, sondern vielmehr als Form und Klang gewordene Innenwelt. Ein Albtraum, aber auch ein Möglichkeitsraum“, formulierte der Librettist Thomas Jonigk in einem im Programmheft abgedruckten Interview. Und diese Innenwelt seiner Rolle stellte der Sänger ausdrucksstark dar. Eindrucksvoll auch, wie er Clarissa, sein Traumbild einer Frau, auf tänzelnde Art und Weise zu becircen versucht.

Ihm ebenbürtig war die auch in Wien bekannte schwedische Sopranistin Agneta Eichenholz in der Doppelrolle der Clara (in der realen Welt) und Clarissa (in der Traumwelt), deren Partien in den höchsten Tönen angesiedelt waren, die sie mühelos bewältigte.

Nathanaels verstorbenen Vater, der Leichenbestatter war, und dessen Freund Coppelius stellten die beiden Tenöre Thomas Piffka und Hans-Jürgen Schöpflin schon in der Uraufführung dar. Mit ihren sanft wirkenden Stimmen waren sie als „Geisterfiguren“ der Traumwelt eine ideale Besetzung.  Die Rolle von Nathanaels Jugendfreund Lothar füllte der polnische Bass Daniel Miroslaw mit seiner warmherzig tönenden Stimme wunderbar aus.

Als sehr stimmgewaltig erwies sich der Chor der Oper Frankfurt, der auch szenisch effektvoll agierte (Einstudierung: Tilman Michael).

Dem Frankfurt Opern- und Museumsorchester gelang es unter der Leitung von Hartmut Keil, die vielschichtige Partitur des Komponisten in allen Facetten wiederzugeben.  Den Anfang der Ouvertüre so zart und leise spielend, als ob es den Sandmann fürs Publikum verkörpern wollte, steigerte das Orchester dann die Lautstärke so fulminant, dass viele der Besucher zusammenschreckte. Dazu ein Zitat des Dirigenten: „Die Musik von Scartazzini ist absolut zeitgenössisch, baut aber keine Barrikaden auf; es handelt sich im besten Sinne um Theatermusik, die sehr anschaulich Bilder zeichnen und unheimliche Atmosphären erzeugen kann.“

 Am Schluss frenetischer Beifall des Publikums für alle Mitwirkenden und Bravorufe für Daniel Schmutzhard und Agneta Eichenholz sowie für den Dirigenten Hartmut Keil und  das Orchester.

 Udo Pacolt

 PS: Die Oper „Der Sandmann“ wird an der Oper Frankfurt noch am 13. und 23. Oktober 2016 (jeweils 19:30 Uhr) gespielt.

 

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