Jennifer Holloway, Jan Koziara. Foto: Barbara Aumüller
Frankfurt: Der ferne Klang 31.3. 2019 – Premiere
Franz Schrekers Der ferne Klang wird zu ersten Mal wieder seit dem 2.Weltkrieg in Frankfurt aufgeführt, da, wo seine Uraufführung 1912 stattfand. Sie ist neben „Die Gezeichneten“ wohl sein größter Wurf und übertraf bis zur Machtübernahme der Nazis sogar die Aufführungszahlen von R.Strauss. Vom Anfang der Oper an scheint Schreker diesem fernen Klang auf der Spur zu sein, ein schwebendes, harmonisch instabiles, vom Vibrafon dominiertes Klangwabern, das sich wie bei Die Gezeichneten in den Gehörgängen festsetzt. Der ferne Klang hat aber auch autobiographische Aspekte, nur dass Schreker diesen impessionistischen aber vom Naturalismus herkommenden Klang findet, was seine Opern damals auch so berühmt gemacht hat, nur dass sie heute eher selten gespielt werden, da die Tradition so nachhaltig unterbrochen wurde. In der Oper ‚Die Harfe‘ seines Helden Fritz findet dieser den Klang im 3.Akt nicht, da er nicht der Inspiration durch seine frühere Geliebte Grete vertraut. Deshalb scheitert seine Oper dramatisch. Dagegen ist Grete in Schrekers Oper aber auch zur eigentlichen Hauptperson aufgewertet. Das Frankfurter Orchester spielt „seinen“ Schreker, wie man ihn sicher nicht besser spielen kann, mit viel Glut und Hingabe. GMD Sebastian Weigle dirigiert mit großem Animo und erreicht diesen manchmal gleißenden Klang einer unendlich wirkenden, expressiv aufbereiteten Melodie.
Regisseur Damiano Michieletto möchte nicht in einen vielleicht naheliegenden Jugendstil mit aufgesetzt schmachtenden Gebärden verfallen, sondern nimmt sich des Werks mit großer Sachlichkeit an. Ein durch die drei Akte durchziehendes Stilisierungselement besteht in der Verdoppelung des Paares durch seine Projektion ins hohe Alter, oft auch mit einer Altersheim-Situation im Hintergrund. Im Schlußakt, wo die beiden final noch mal zusammenkommen und Fritz in Gretes Armen stirbt, sind es nun tatsächlich die Alten selber, (aber natürlich die Sängerfiguren in der Verkleidung) die die Oper beschließen. Das ist eine Regiefinte, die derzeit viel in Opern gesehen wird, die sicher mit der heutigen Überalterung der Gesellschaft zusammenhängt. Zusätzlich werden die Zeitebenen verdoppelt und sozusagen vom „Ende“ her betrachtet. Ganz schlüssig wird die Verdoppelung hier aber nicht. Das ‚Grau in Grau‘ des Alters kontrastiert mit der farbkräftigen Zeichnung der jungen Leute. Oft wird in ‚Reflexionsphasen‘ die Szene durch Gaze abgehängt und das Gaze weht zu der weiter wabenden Musik durch die Luft. Die Szene von Paolo Fantin ist ein sehr sachliches gelbliches Rechteck mit einer Sesselgruppe vorn rechts, hinten einem Podium, von dem die Leute aus dem „Schwan“ nach vorne einbrechen, um Greta kundzutun, dass ihr Vater sie beim Pokern „verspielt“ habe. Als Einheitsbild fungiert diese Szene auch für die venezianischen Ball im Bordell und als Kantine mit Theater im Hintergrund im Schlußakt. Die Schlußszene erscheint total licht-vergleist. Die sehr gediegenen bis raffinierten Kostüme stammen von Klaus Bruns.
Die erwähnte Verdoppelung. Foto: Barbara Aumüller
Der Chor hat handfeste Auftritte als Kneipenvolk und als Ballbesucher, und singt klangstark mit rhythmischer Verve. Grete Graumann ist Jennifer Holloway und kann bei ihrem Frankfurtdebut sofort begeistern. Ihr in allen Registern stark durchgebildeter Sopran setzt sie bei angenehmem Timbre in ihren raffinierten teils koloraturreichen Gesängen ein; es ist ihrer ärmlichen Herkunft zuzuschreiben, dass sie, nachdem Fritz sie verlassen hat, zuerst zur Edelnutte, dann zur Straßennutte degeneriert.
Ihr Fritz ist Ian Koziara, der anfangs kühl und mit Designerbrille ‚auftrumpft‘. Ein prachtvoller Tenor steht dem jungen Amerikaner zu Gebote, der heldisch heranreift, und der an Andreas Schager denken läßt. Nur im 3.Akt lässt er „krankheitsbedingt“ etwas nach, da ist seine Partie aber auch in einer tieferen Tessitura notiert. Man möchte ihn bald wieder erleben.
Den Schwanenwirt gibt der Baß Anthony Robin Schneider, einen Schmierenschauspieler stellt wirklich süffisant Bariton Iurii Somoilov dar. Den alten Graumann und 2. Choristen gibt der so eigentimbriert „hohl“ singende Baß Magnus Baldvinsson. Seine Frau ist die ebenfalls altgediente Barbara Zechmeister. Den Dr.Vigelius zeichnet der breitstimmige Bariton Dietrich Volle. Ein altes Weib, das Grete vor dem Selbstmord im See bewahrt, ist Altstar Nadine Secunde mit voluminösem vibratoreichem Sopran. Mizi, Mary und Milli (auch Kellnerin) werden von Julia Dawson, Julia Moorman (beide Sopran) und Bianca Andrew (Mezzo) bestens verkörpert. Eine Spanierin stellt Mezzosopran Kelsey Lauritano auf die Ballbretter. Den Grafen singt Gordon Bintner in seiner Ballade von der glühenden Königskrone baritonal und der Tenor Theo Lebow brilliert im lustigen Couplet von den „Blumenmädchen von Sorrent“. In weiteren Nebenrollen kommen der Bariton Iain MacNeil , Sebastian Geyer als baritonaler Freund Rudolf, tenoral Hans-Jürgen Lazar und der Baß Anatolii Suprun zum Einsatz. Die alte Grete wird von Steffie Sehling, der alte Fritz von Martin Georgi gespielt.
Friedeon Rosén