Frankfurt: „DAS RHEINGOLD“ – 13.04.2018
Wegen Warnstreiks konzertante Aufführung
Ausgerechnet an einem Freitag und noch dazu dem 13. erreichte auch die bundesdeutsche Streikwelle die Oper Frankfurt und somit erlebte die WA „Das Rheingold“ (Richard Wagner) nur eine konzertante Aufführung. Nun hatte ich mich, wie viele andere Besucher der ersten beiden komplett ausverkauften Vorstellungen auf die vortreffliche Produktion (Vera Nemirova) gefreut, genoss aber dennoch in vollen Zügen den Ring-Vorabend ohne szenische Optik.
Ohne Szene? – Weit gefehlt! In enthusiastischem Elan, sichtbarer Spielfreude ohne Maske warfen sich die Protagonisten in Abendrobe ins Engagement der Rollenportraits, derart vortreffliches Agieren gebührt allerhöchsten Respekt! Allen Beteiligten vor und hinter der Bühne sei gebührenden Dank, dass sie Produktion in dieser Form ermöglichten.Viele Wagnerianer und Musikfreunde (?) blieben fern, aus welchen Gründen auch immer, der Rest der Eingefleischten füllte das Haus kläglich zur Hälfte und wurde mit einer „Sternstunde“ belohnt. Alle welche fern blieben bestraft das Leben!
Die offene Bühne zeigte die schräge blaue Scheibe, den Rundhorizont in Cinemascope (stilistisch wunderbar ausgeleuchtet), die Sänger spielten die zur WA einstudierten Szenen in natürlicher Frische, dass es eine Wonne ein Vergnügen war die kleinen Details zu beobachten. Ich muss gestehen, derart intensiv-real, geprägt von Humor und Erfassen des Kontexts (das erotisch-freche Spiel der Rheintöchter mit Alberich, das Schäkern Freias und Fasolts dazu die Entrüstung Fickas, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen), erlebte ich das Rheingold noch nie!
GMD Sebastian Weigle mit seinem phantastisch aufspielenden Frankfurter Opern- und Museumsorchester zu lauschen, deren orchestrale Erzählweise in kongenialer Partnerschaft mit den Gesangssolisten Gänsehaut und feuchte Augen produzierten. Wahrhaft alles erschien in völlig neuem Licht: zu Beginn die betörend webenden Urklänge aus des Rheines Tiefen, durchzogen von sezierend-aufbauender psychologischer Linearperspektive des mystischen Erschaffens der Naturgewalten in agogisch schimmernden Überleitungen, in die höheren Sphären der Götterwelt. Weigle steigerte sich allmählich raumfüllend in jene unverwechselbaren Klangarchitekturen des Bayreuther Meisters und offenbarte Wagner-Wonnen pur. Jegliche Selbstdarstellung schien dem Dirigenten fremd und er stellte sich ausschließlich nur in den Dienst des Komponisten, sorgte für frappierend präzise, klare Strukturen, setzte prägend-rhythmische Akzente und fein abgestufte orchestrale Dynamik. Ohne überproportionierte Fortissimo glänzten die Blechbläser, schwelgten die Streicher und Harfen und bereiteten üppig verschwenderische Ohren-Kulinarik.
Auf Augenhöhe des packend-spannenden Instrumental-Sounds entfalteten die Sänger intensive ihre Bühnencharakteren in exzellent-prägnanter Deklamation, man verstand jedes gesungene Wort und bildeten ohne Ausnahme ein vortreffliches Gesamtensemble.
Ohne Schmälerung einer Vokalleistung erwähne ich galanter weise zunächst die Damen:
Mit weiblichem Kalkül optisch wie vokal eine Göttin umgarnte die schöne elegante Fricka (Tanja Ariane Baumgartner) den Gatten mit erotisch-warmen Mezzofarben ihrer bestens fokussierten Tonrundungen und fügte zur samtenen Mittellage herrlich-pastose Altgrundierungen und volltönende Höhenaufschwünge der mahnenden Erda hinzu.
Vokal differenziert unterstrichen die Rheintöchter ihr frivoles Spiel: helle Soprantöne schenkte Elizabeth Reiter (Woglinde), weiche dunkle Farben Judita Nagyova (Wellgunde) und wohlklingende Alttöne Katharina Magiera (Flosshilde). Selbstbewusst mit klarem Sopran setzte Sara Jakubiak die attraktive Freia in Szene.
Hohe Phrasierungskunst, intelligente Textbehandlung dazu heldenbaritonale Wucht gepaart mit mächtiger schönstimmiger Vokalfülle vereinte sensationell Jochen Schmeckenbecher und zeichnete ein Alberich-Portrait der Sonderklasse. Schwarze sonore Basstöne verliehen dem Wotan imposante Würde, James Rutherford verstand es auf eindrucksvolle Weise zu überzeugen.
Deklamatorisch, vokal umwerfend nuancierend, präsentierte mit exzellentem Charakter-Tenor Kurt Streit dessen vokaler Feuerschweif in vielen Farben sprühte und als Loge in ätzend-zynischer Form dem zaudernden Götterclan mächtig einheizte.
Eindringlich gestalteten mit hellstrahlendem Tenor Michael McCown den jammernden Mime und AJ Glueckert den Froh. Kernig mit leichtem Vibrato schwang Donner (Brandon Cedel) den baritonalen Hammer.
In eindrucksvoller Bass-Präsenz gestaltete Alfred Reiter den verliebten Fasolt, mit seinem wohltönenden Edelbass brachte Andreas Bauer (Fafner) seine Vokaltrümpfe zum Klingen, man konnte Freia wohl verstehen, dass sie sich nur ungern von den beiden Charmeuren löste.
Das sparsam anwesende Publikum feierte alle Beteiligten langanhaltend in lautstarker Euphorie. Mag es meinerseits noch so makaber klingen: „Dank an ver.di“!
Gerhard Hoffmann