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FRANKFURT: CIRCUS-THEATER RONCALLI (Premiere)

19.10.2022 | Operette/Musical

Zehn Jahre hat es gedauert, bis Bernhard Paul mit seinem legendären Circus-Theater Roncalli wieder einmal nach Frankfurt gekommen ist. Seit dem Frühjahr tourt der Circus wieder, nachdem er aus bekannten Gründen, wie so viele andere auch, etwa zwei Jahre lang mit einem Berufsverbot belegt war. Zur Begrüßung des zahlreich erschienenen Publikums weist Paul darauf hin, dass in dieser Zeit keinem der Mitarbeiter gekündigt wurde. 

Das Circus-Theater Roncalli tritt schon seit 1991 ohne Wildtiere auf und kommt seit 2018 komplett ohne Tiere in der Manege aus. Lediglich in einer aufwendig gestalteten Hologramm-Animation bekommen die Zuschauer übergroße Abbilder faszinierender Tiere zu sehen. Die Besucher auf den hinteren Plätzen haben von diesem Auftakt sicher mehr, als diejenigen, die in den Parkettlogen direkt vor der Projektionsfläche rund um die Manege sitzen. 

In den zweienhalb Stunden der Show werden vielfältige artistische Höchstleistungen  zahlreicher mit internationalen Preisen ausgezeichneter Artisten geboten. Maria Sarach ist mir vor einigen Jahren schon positiv im Frankfurter Tigerpalast Varieté Theater aufgefallen. Hier im Circus kombiniert sie eindrucksvoll Kontorsion mit Handstandakrobatik in farbenfrohem Outfit und Make-Up im Piet Mondrian-Stil. Danil Lysenko fasziniert mit seiner Jonglage mit bis zu elf weißen Ringen. Das Duo Luna, bestehend aus einer Luftakrobatin und einer professionellen Ballerina, sorgt für ästhetisch unnachahmliche Momente in luftigen Höhen. Paolo Carillon erzählt seine Geschichte gemeinsam mit seiner Tochter Nox mittels poetisch dargebotener Seifenblasenkunst und phantasieollen technischen Requisiten aus vergangenen Zeiten. Jump’n’Roll begeistern mit temporeichen Auftritten auf ihren Powerizer-Sprungstelzen und wahnwitzigen Tricks auf dem Schleuderbrett. Ebenfalls rasant geht es beim Quick Change des Duo Minasov zu. In Bruchteilen von Sekunden wechseln sie die Kleider und begleiten das Publikum auch akustisch passend zum jeweiligen Outfit durch die Musikgeschichte.

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Voller Anmut und Poesie: Vanessa & Sven (Foto: Marc Rohde)

Mein persönliches Highlight dieser Show ist die zauberhafte und wundervoll harmonische Darbietung von Vanessa & Sven. Auf einem Konzertflügel lassen die beiden mit ihrer singulären Ausgestaltung der Partner-Equilibristik äußerst anmutige Bilder entstehen. Gesanglich werden sie dabei von Sash begleitet, die im Laufe des Abends an weiteren Stellen positiv stimmlich zur Geltung kommt. Der Mann am Klavier ist Georg Pommer, der sich den Rest des Abends für die Leitung des Roncalli Royal Orchestras verantwortlich zeigt. Dass Ästhetik und Kraft sich wundervoll ergänzen können, beweist der Auftritt von Nirio Rodriguez Tejeda mit seinen famos ausbalancierten Handständen.

Diese fabelhaften artistischen Nummern werden durch Einlagen des Roncalli Balletts, unter anderem auch in den faszinierenden Kostümen von Oskar Schlemmers Triadischem Ballett und natürlich durch die für den Circus so wichtigen Clowns miteinander verbunden. Eher dem Bereich Comedian zuzuordnen ist die schrullig auftretende und reichlich britischen Humor versprühende Krissie Illing. Auch der dienstälteste Weißclown in der Roncalli-Geschichte Gensi ist wieder mit dabei. Er versteht es wie kein anderer Poesie in die Manege zu bringen. Anatoli Akerman bringt mit seiner tollpatschigen Art vor allem die Kinder zum Lachen und bezieht auch immer mal wieder das Publikum mit ein. Johnny Rico komplettiert das komödiantische Ensemble auf die eher rasantere Art.   

In den momentan eher tristen Zeiten erlaubt es diese Produktion den Zuschauern, für einige Stunden die Alltagssorgen zu vergessen und in eine andere Welt einzutauchen. Bedeutsamer ist aber die Tatsache, dass hier im Circus ganz selbstverständlich verschiedene Nationen miteinander leben, sich respektieren und Freunde sind, die auf der weltpolitischen Bühne offiziell als verfeindet gelten, sich bekriegen oder gegenseitig sanktionieren.

Das unbedingte Vertrauen ist bei sämtlichen artistischen Acts die Grundlage des Erfolgs. Jeder hilft jedem und ist für den anderen da. Diese Werte werden uns Zuschauern eindrucksvoll vor Augen geführt und hoffentlich nimmt jeder Besucher ein wenig davon mit in seinen Alltag hinaus.

Marc Rohde

 

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