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FRANKFURT/ Bockenheimer Depot: THE MEDIUM (Menotti) / SATYRICON (Maderna). Premiere

16.06.2019 | Oper

Frankfurt: The Medium von Menotti / Satyricon von Maderna   15.7.2019  Premiere

 

Die Oper Frankfurt bringt im Bockenheimer Depot zwei Kurzopern heraus: „The Medium“ von Gian Carlo Menotti, eine Nachkriegstragödie (UA 1946) auf einen eigenen Text, die den Wahl-Amerikaner berühmt machte, und „Satyricon“ von Bruno Maderna, Einakter nach der gleichnamigen Erzählung (um 60 n.Chr.) des römischen Dichters Petronius, uraufgeführt 1973 in Scheveningen.


(The Medium): Meredith Arwady (Madame Flora; am Lampenschalter ziehend) und Ensemble. Foto: Barbara Aumüller

In ‚Medium‘ geht es um eine gefakte Seance, die Baba mit ihrer Tochter Monica und dem stummen Waisenjungen Toby betreibt. Bei der Seance fühlt sich Baba körperlich angegriffen, schickt die Klienten weg und beschuldigt den Stiefsohn, sie gewürgt zu haben. Erst beruhigt sie sich, dreht aber nach erneutem Hören der Stimmen bei der Seance durch, schlägt Toby und wirft ihn dann aus dem Haus. Der schwer gestörte Junge, der sich auch von Monica verlassen fühlt, hängt sich auf. Menotti hat zu dieser Horror-Story eine in Mark und Bein gehende Musik geschrieben, die auch als Neo-Verismo bezeichnet wurde. Ein einschneidendes 4-Akkorde-Emblem taucht zu Beginn und an markanten Stellen leitmotivartig auf. Das Ensemble des Opernorchesters spielt nachdrücklich einfühlsam unter der sicheren Leitung von Nikolai Petersen. In der sehr realistischen Regie von Hans Walter Richter wird in einem dunklen hohen Fin de siecle-Raum (Kaspar Glarner) familiär teilweise ziemlich aufeinander losgegangen. Die KlientInnen erscheinen von oben auf einer Wendeltreppe. Die Tür links führt zu Monicas Zimmer, daneben ist aber auch eine unsichtbare Luke, die der stumme Toby benützt. Über sie gelangt er auf den Bühnenboden, von wo aus er die Seance kontrolliert und sich später mit einem Seil um den Hals herunterschwingt. Die Erscheinungen der toten Tochter (im Grab liegend) und des Jungen werden zentral im Zimmer in einer Öffnung mit Vorhang dargestellt. Die angenehmen und dezenten Kostüme stammen von Mareike Wink.

Madame Flora ist mit Meredith Arwady eine sehr umfangreiche Person, eine Altistin mit voluminöser, aber teils mokant-scharfer Stimme, die dem plötzlichen Umschlagen ihrer Stimmungen beredten Ausdruck verleiht. Die junge Monica wird schwungvoll grazienhaft von Louise Alder gegeben, die mit angenehm wohlklingendem Sopran den Waisenjungen bezirzt, das schlimme Ende aber nicht verhindern kann. Das Ehepaar Gobineau wird von der bewährten Barbara Zechmeister und dem soignierten Bariton Dietrich Volle gestellt. Kelsey Lauritano gibt mit sehr wohltimbriertem Mezzo die Mrs.Nolan, und Marek Löcker spielt den Waisenjungen brillant.


„Satyricon“. Peter Marsh (Trimalchio; in der Bildmitte in goldenem Kostüm) und Ensemble. Foto: Barbara Aumüller

 

Eine derb-komische Persiflage auf die Gestalten eines Festes zur verkommenen Nero-Zeit stellt ‚Satyricon‘ dar. Das experimentelle Werk besteht aus 16 musikalischen Nummern und fünf elektronischen Zuspielungen, die aber laut Maderna in verschiedenartiger Weise miteinander kombiniert werden sollen. Der an der Frankfurter Oper bisher als Barockspezialist in Erscheinung getretene Simone Di Felice und die Regisseurin Nelly Danker haben sich aber im Vorfeld sicher auf eine einzuhaltende Abfolge der Szenen geeinigt. Die vorwiegend tonal gehaltene Musik Madernas bezieht viele Zitate berühmter Opernkomponisten ein, die aber vom Ensemble sehr virtuos und eigenwillig gespielt werden. Die auftretenden Personen sind Gastgeber Trimalchio, ein überaus neureicher ehemaliger Sklave mit Hang zu jungen Akrobaten, die auch als Tunten auftreten, und seiner Frau Fortunata, ein Luxusweib und ehemalige Prostituierte. Die Gäste sind Habinnas und Scintilla, ein Alkoholiker und zynischer Steinmetz, sie sein funkelndes Anhängsel. Desweiteren Criside und Eumolpus (eingebildeter Philosoph mit Kommunikationsdefizit). Dazu noch die Sklaven Niceros, Philargyros und Cario. 

In dem offenen Bühnenraum gibt es ein Stufenpodest, dahinter ein nach oben führendes Fließband, auf dem Geschenke und Blumen hereintransportiert werden. Dazu eine Art weiße Hollywoodschaukel, einen Nashornkopf als weitere Sitzgelegenheit (Bb.: K. Glarner). Nelly Danker plaziert sehr witzig Scintilla kopfüber in der Schaukel, wo sie schräge, irrwitzige Koloraturen produziert. Die römischen Togen für die Männer, die It-Girl Kleidchen der Damen und die ‚asymmmetrischen‘ Glitzergewänder der tuntigen Akrobaten sind wieder von Stephanie Schulze imaginiert Die wie Plastik-Klänge anmutende Elektronik scheint auflockernd interessant getaktet.

Peter Marsh ist mit seinem ganz natürlich fließenden schönen Tenor der Trimalchio, der sich am Ende mit einer Schlußrede am eigenen weißen Sarg verewigt. Die Fortunata Susanne Gritschneder lässt gestylt einen angenehm lässigen Mezzosopran vernehmen. Der Habinnas Theo Lebow erscheint als ein auf ähnlichem Level changierender Co-Tenor. Die Scintilla der Ambur Braid kann (siehe oben) ganz sensationell reussieren. Die Criside stellt Karen Vuong mit alertem Sopran in tapsiger Manier. Den abgehalfterten Eumolpus steuert Mikolai Trabka baritonal bei. Kamil Mrozowski, Michael Gross und Manuel Gaubatz sind die tänzerisch versierten Sklaven-Akrobaten.                                                                   

Friedeon Rosen

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