Martinů-Einakter-Opernabend in Frankfurt:
„Messertränen“ – „Zweimal Alexander“ – „Komödie auf der Brücke“
(Vorstellung im Bockenheimer Depot: 9. 7. 2015)
Zum 125. Geburtstag des tschechischen Komponisten Bohuslav Martinů brachte die Oper Frankfurt noch drei Einakter im Bockenheimer Depot zur Aufführung: „Messertränen“ – „Zweimal Alexander“ – „Komödie auf der Brücke“. „Die Kombination entpuppt sich gewissermaßen als stilistisches und musikästhetisches Panorama“, schreibt das Frankfurter Opern-Magazin. Womit es in seiner Einschätzung richtig lag. Es war vor allem ein musikalisches Ereignis, wofür in erster Linie das Orchester unter der Leitung von Nikolai Petersen verantwortlich zeichnete, da die Regie von Beate Baron viel zu wünschen übrig ließ. Für alle drei Einakter schuf Yassu Yabara ein praktikabel umzubauendes Bühnenbild und Gwendolyn Jenkins ansprechende Kostüme (im dritten Einakter hübsche böhmische Trachten).
Im Einakter „Messertränen“ lagen Mutter (Katharina Magiera) und Tochter (Elizabeth Reiter) unter einem roten Vorhang (Foto: Monika Rittershaus)
„Messertränen“ mit dem Libretto von Georges Ribemont-Dessaignes wurde 1969 in Brünn uraufgeführt. Die Handlung des dadaistischen Werks: Eleonora ist vernarrt in den Erhängten, den ihre Mutter als Nachbar Saturnus identifiziert. Sie hätte lieber den attraktiven Satan zum Schwiegersohn, dessen Annäherungsversuche Eleonora allerdings kalt lassen. Sie versucht, den Erhängten mit einem vorbeikommenden Radfahrer eifersüchtig zu machen, doch er reagiert nicht. Schließlich entpuppen sich alle Männer als Inkarnation ein- und desselben. „Ich bin und ich war und ich werde immer sein – der Andere“, erklärt der Satan und lässt eine verzückte Mutter und eine verzweifelte Eleonora zurück.
Mutter und Tochter krochen vor Beginn unter einen großen roten Vorhang, unter dem sie sich zu bewegen versuchten, wobei ein Teil des Publikums wenigstens ihre Köpfe zu sehen bekamen, die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer jedoch bloß den Vorhang, unter dem schlangenartige Bewegungen vor sich gingen. Mutter und Tochter kommen voneinander nicht los, war wohl die Aussage der Regie. Eleonora wurde von der amerikanischen Sopranistin Elizabeth Reiter, ihre Mutter von der Altistin Katharina Magiera dargestellt. Den Satan spielte der fesche Bariton Sebastian Geyer mit verführerischer Stimme.
Alexandre (Sebastian Geyer) stellt die Treue seiner Ehefrau Armande (Anna Ryberg) vor seinem Porträt (Thomas Faulkner) auf die Probe (Foto: Monika Rittershaus)
„Zweimal Alexander“ mit dem Text von André Wurmser hatte 1964 in Mannheim seine Uraufführung. Die Handlung: Alexandre will die Treue seiner Ehefrau Armande auf die Probe stellen. Er verkleidet sich und gibt sich als sein eigener Cousin aus Texas aus. Die Hausangestellte Philomène und das Porträt an der Wand, ein Abbild Alexandres, sind fassungslos und legen die Hand für Armandes Standfestigkeit ins Feuer, werden jedoch eines Besseren belehrt. Armande lässt sich nicht nur auf die Annäherungen des vermeintlichen Cousins von Alexandre ein, sondern gibt sich auch ihrem lästigen Verehrer Oscar hin. Die Moral der Geschichte: „Niemals zwei ohne drei!“
Armande wurde von der schwedischen Sopranistin Anna Ryberg sehr humorvoll dargestellt. Nach einem Schaumbad vor dem Besuch von Alexandres Cousin gab sie sich anfangs „schaumgebremst“ kühl, erwärmte sich aber bald für den attraktiven „Texaner“, um schließlich augenzwinkernd auch noch ihren Verehrer zu erhören. Sehr kokett spielte Katharina Magiera die Rolle der Philomène, die den Verführungsversuchen der Männer wohl schneller erlegen wäre. Die „Doppelrolle“ Alexandre / Cousin war bei Sebastian Geyer stimmlich wie schauspielerisch in besten Händen. Der Tenor Simon Bode spielte den aufdringlichen Verehrer Oscar mit dem nötigen Schmelz in der Kehle. Dem „Porträt an der Wand“ lieh der britische Bassbariton Thomas Faulkner seine sonore Stimme.
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Szenenbild aus „Komödie auf der Brücke“ (Foto: Monika Rittershaus
„Komödie auf der Brücke“ , dessen Libretto der Komponist selbst nach einer Vorlage von Václav Kliment Klicpera verfasste, wurde 1937 vom Prager Rundfunk als Komische Funkoper uraufgeführt. Die Handlung: Fünf Menschen – ein verlobtes Paar, ein Ehepaar und ein Schulmeister – kommen mitten im Krieg auf einer Brücke zusammen. Trotz Passierschein werden sie von den beiden Posten daran gehindert, die Brücke zu passieren. In dieser lebensgefährlichen Situation scheint das Wichtigste das Banale zu sein: Warum war Popelka im feindlichen Lager? Was hatte der Brauer Bedroň auf der anderen Seite zu suchen? Die beiden Paare bitten den Schulmeister um die Klärung der Situation. Er sucht jedoch nach der Klärung eines Rätsels, das ihm einst der Offizier Ladinsky erzählt hatte. Die Geräusche der Schlacht werden immer lauter, der Krieg rückt näher. Siegesrufe verkünden das Ende des Kampfes. Schließlich klärt der Offizier nicht nur die Situation der beiden Paare, er kennt auch die Lösung des Rätsels vom Reh, das von Zäunen umgeben ist.
Bei diesem Einakter hatte die Regisseurin die unselige Idee, statt einer Personenführung alle Akteure statisch auf der Brücke verharren zu lassen (Standbilder eines Films?). Sie schwelgte allerdings für Schlachtengetöse und Gewehrschüsse und ließ am Schluss alle Personen auf der Brücke erschießen. Schwarzer Humor für eine Komödie!
Die Rolle der Popelka wurde von der Sopranistin Maren Favela gesungen, die sich des Öfteren in Zeitlupentempo bewegen musste. Ihr Verlobter Sykoš, der sie der Untreue beschuldigt, wurde von Sebastian Geyer gespielt. Den Brauer Bedroň gab Thomas Faulkner, seine Frau Katharina Magiera. Beide Paare sangen und spielten ihre Rollen recht eindrucksvoll. Mit warmer Tenorstimme gab Simon Bode den Schulmeister, den Offizier spielte der Schauspieler Marcus Hosch. Die beiden Posten auf der Brücke wurden von Jim Heller und Jens Weiß mit militantem Gehabe gespielt.
Wie schon anfangs erwähnt, war die musikalische Qualität das Besondere der Aufführung, wobei die kammermusikalische Partitur des dritten Einakters in seiner Virtuosität den stärksten Eindruck hinterließ. Logischerweise erhielten der Dirigent und sein Orchester am Schluss vom Publikum viele Bravorufe. Lang anhaltender Applaus für alle Mitwirkenden des hochinteressanten Einakter-Abends.
Udo Pacolt