Köstliche Opernrarität in Frankfurt: „Le cantatrici villane“ von Valentino Fioravanti (Vorstellung: 4. 2. 2016)
Die Oper Frankfurt bleibt seit Jahren ihrer Linie treu, selten gespielte oder unbekannte Opern im Bockenheimer Depot, ihrer Nebenspielstätte, aufzuführen. Diesmal fiel die Wahl auf „Le cantatrici villane“ („Aufstieg der Sängerinnen“) von Valentino Fioravanti (1764 – 1837), einem Dramma giocoso in zwei Akten, das in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln gezeigt wurde.
Über den in unseren Breiten völlig unbekannten Komponisten schreibt die Dramaturgin Deborah Einspieler in ihrem im Programmheft abgedruckten Artikel „Spieglein, Spieglein“:
„Fioravanti, der acht Jahre jünger ist als Mozart und gern in die Tradition der Neapolitanischen Schule eingeordnet wird, muss viel eher als «Kind seiner Zeit» und Wegbereiter Rossinis betrachtet werden. Er schreibt in über 70 Opern das, was beim Publikum populär und gefragt ist – eine opera buffa nach der anderen. … Fioravantis populärste Oper, die 1799 uraufgeführten ‚Le cantatrici villane‘ ist so erfolgreich, dass sie den in Rom geborenen und in Neapel ausgebildeten Komponisten durch ganz Europa «spült».
Nach seinem Erfolg arbeitete Fioravanti am Teatro San Carlo in Lissabon. 1807 wurde er nach Paris engagiert, wo man ihn ebenfalls triumphal feierte. In Weimar wurde Johann Wolfgang von Goethe auf den Komponisten aufmerksam und inszenierte dessen komische Oper um die Sängerinnen sogar höchstpersönlich.“
Die Handlung der Opera buffa, die 1799 in Neapel uraufgeführt wurde und deren Libretto Giuseppe Palomba verfasste, in Kurzfassung: In einem Dorf nahe Rom trifft der Kapellmeister Don Bucefalo auf vier talentierte Damen: Rosa, Agata, Giannetta und Nunziella, von deren Gesang er so hingerissen ist, dass er ihnen eine Karriere als Opernsängerin verspricht. Dadurch werden die vier Damen rasch zu Rivalinnen. Don Marco, ein Schüler von Bucefalo, macht Rosa einen Heiratsantrag, den sie abweist, obwohl sie meint, dass ihr Ehemann Carlino im Krieg umgekommen wäre. Doch Carlino lebt und glaubt, als er seine Frau bei einer Gesangsstunde mit dem Kapellmeister beobachtet, die beiden wären ein Liebespaar. Sein Verdacht wird noch von Agata geschürt, die ihm erzählt, Rosa habe Bucefalo und Don Marco in ihrem Haus versteckt. Bei einer Opernprobe kommt es zum Aufruhr, der sich schließlich in Wiedersehensfreude wandelt, als sich Carlino zu erkennen gibt.
Caterina Panti Liberovici schuf eine flotte komödiantische Inszenierung im Stil der Commedia dell‘ Arte, was beim Publikum blendend ankam. Um die Geschichte der Figuren nachvollziehbarer zu erzählen, stellte die Regisseurin einige Szenen um und fügte für die Rosa eine Arie aus Glucks Oper „Ezio“ hinzu, wie man der Einführung entnehmen konnte.
Gelungen auch das Bühnenbild von Sergio Mariotti, das einen Zuschauerraum mit dunkelroten, steil ansteigenden Sitzreihen zeigte und sonst nur mit ein paar Requisiten (vor allem Kleiderpuppen) auskam. Ansprechend und teils sehr modisch die Kostüme, die von Caterina Botticelli entworfen wurden, wobei die Sängerinnen meist in weißer Unterwäsche zu sehen waren, ehe sie in die eleganten Roben schlüpften. Für die Lichteffekte war Jan Hartmann zuständig.
Björn Bürger als Kapellmeister Don Bucefalo hatte viele Gefahren zu „meistern“ (Foto: Barbara Aumüller)
Sehr ausgewogen präsentierte sich das komödiantisch agierende Sängerensemble, aus dem neben den vier Damen vor allem der Bariton Björn Bürger als Don Bucefalo herausragte. Sowohl stimmlich wie auch schauspielerisch setzte er zum Gaudium des beifallsfreudigen Publikums einige Glanzlichter. Ihm ebenbürtig war die junge deutsche Sopranistin Nora Friedrichs, die gleichfalls stimmlich wie darstellerisch in der Rolle der karrieresüchtigen Rosa überzeugte. Ihre Rivalin Agata wurde von der amerikanischen Sopranistin Karen Vuong ebenso komödiantisch gespielt und glänzend gesungen wie Giannetta von der mexikanischen Sopranistin Maren Favela. Köstlich auch die junge deutsche Sopranistin Katharina Ruckgaber in der kleinen Rolle der Nunziella, die schließlich ihre Zukunft als Ehefrau von Don Marco sieht.
Mit wildem Temperament stattete der amerikanische Tenor Michael Porter die Rolle des vermisst geglaubten Carlino aus, der mit Schwert und Ritterrüstung von Eifersucht getrieben über die Bühne wirbelte. Vornehm gab sich der australische Bassbariton Thomas Faulkner als Don Marco, der bei den Proben als Sänger aufgibt – in der Hoffnung, künftig als Kapellmeister oder gar Operndirektor Karriere zu machen. In der Rolle des Regieassistenten konnte der Schauspieler Christof M. Fleischer seine große Erfahrung ausspielen.
Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit der Pianistin In Sun Suh am Hammerflügel brachte die flotte Musik unter der einfühlsamen und oft auch temperamentvollen Leitung von Karsten Januschke hervorragend zur Geltung und wurde am Schluss vom begeisterten Publikum ebenso minutenlang gefeiert wie das exzellente Sängerensemble.
Udo Pacolt