Enrico (Holger Falk) in seiner Bibliothek. Copyright: Barbara Aumüller
Opernrarität in Frankfurt: „Enrico“ von Manfred Trojahn (Vorstellung: 31. 1. 2018)
Im Bockenheimer Depot, der Nebenspielstätte der Oper Frankfurt, kam im Jänner die Komödie „Enrico“ von Manfred Trojahn zur Frankfurter Erstaufführung. Es war die erste Oper des im Jahr 1949 geborenen deutschen Komponisten, die als Auftragswerk des Süddeutschen Rundfunks im Jahr 1991 im Rahmen der Schwetzinger Festspiele uraufgeführt wurde. Das von Claus H. Henneberg verfasste Libretto beruht auf dem Schauspiel Enrico IV. von Luigi Pirandello. Die 90 Minuten dauernde Kammeroper weist starke musikalische Einflüsse verschiedener Opernkomponisten von Rossini über Verdi bis Puccini auf und verlangt vom Sängerensemble die Beherrschung von Sprechgesang.
Ihr Inhalt kurz zusammengefasst: Anlässlich eines Festumzugs stürzt Enrico, verkleidet als Heinrich IV., vom Pferd und glaubt danach tatsächlich, jener Salierkaiser zu sein, dessen Gang nach Canossa inzwischen sprichwörtlich ist. Zwanzig Jahre später hat Enrico seinen Verstand längst wiedergefunden, lässt aber seine ihn umgebenden Menschen darüber im Ungewissen. In einer Art Schocktherapie wollen ihn seine Freunde, darunter auch die von ihm einst verehrte Matilda und deren Tochter Frida, mit seiner Vergangenheit konfrontieren und „heilen“. Doch Enrico durchschaut das „Maskenspiel“ seiner Freunde und hält bewusst an seiner Identität als Heinrich IV. fest, um schließlich die anderen zu entlarven. Als sein Widersacher Tito Belcredi Enricos Verstellung erkennt und ihn zur Rede stellen will, erhebt Enrico Anspruch auf Frida, die er als Doppelgängerin Matildas sieht. Es kommt zum Streit, bei dem Belcredi tödlich verwundet wird. Nun hat Enrico keine Wahl mehr – er muss für den Rest seines Lebens den Wahnsinnigen weiterspielen.
Juanita Lascarro, Holger Falk. Copyright: Barbara Aumüller
Die Inszenierung von Tobias Heyder besticht durch gute Personenführung, die aus der dramatischen Komödie fast einen spannenden Krimi werden ließ. Einfach, aber bühnenwirksam Enricos riesige Bibliothek, zu deren Einrichtung zwei lebensgroße Porträts von früher gehören, die Enrico im Kostüm Heinrichs IV. und Matilda in ihrer damaligen Verkleidung, die nun ihre Tochter Frida trägt, zeigen (Bühnenbild: Britta Tönne). Die Kostüme (teils modern, teils historisch) entwarf Verena Polkowski, für die Lichteffekte zeichnete Marcel Heyde verantwortlich.
In der Titelrolle brillierte der Bariton Holger Falk, der als Spezialist für Neue Musik gilt, durch wortdeutlichen Sprechgesang und ausdrucksstarkes Spiel. Sowohl seine Mimik wie auch seine Gestik waren in jeder Szene eindrucksvoll und passten wunderbar zu Enricos oftmals rätselhaften „Spiel“. Grell und hysterisch zeichnete die in Kolumbien geborene Sopranistin Juanita Lascarro die Rolle der Marchesa Matilda Spina. Schauspielerisch glänzend, gesanglich jedoch kaum verständlich. Ohne Übertitel hätte das Publikum vom Text nur wenig verstanden, zu schrill mussten die meisten Interpreten der Rollen ihre Partien singen!
Matildas Tochter Frida wurde von der jungen amerikanischen Sopranistin Angela Vallone dargestellt, deren Spiel und Gesang sich wohltuend von dem ihrer Mutter abhob. Wie immer schauspielerisch und stimmlich überzeugend der deutsche Bariton Sebastian Geyer als Tito Belcredi, der als einziger das „Possenspiel“ Enricos erkennt. Ebenso überzeugend der Bariton Dietrich Volle als Dottore und der amerikanische Tenor Theo Lebow in der Rolle von Enricos Neffen Carlo di Nolli.
Aus dem gut besetzten Sängerensemble sind noch zu nennen: die amerikanischen Tenöre Peter Marsh und Samuel Levine als Enricos Bedienstete Landolfo und Bertoldo sowie der Bariton Björn Bürger als Arialdo, der junge Bass Frederic Jost als Ordulfo und der türkische Bass Doğuş Güney als Enricos treuer Diener Giovanni.
Die Wahnsinns-Szene des Enrico. Copyright: Barbara Aumüller
Unter der Leitung des international anerkannten Dirigenten Roland Böer spielte das Frankfurter Opern- und Museumsorchester die farbenreiche und oftmals ironisch klingende Partitur des Komponisten gekonnt nuancenreich.
Das Publikum anerkannte die Leistungen aller Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall, wobei die Phonstärke bei Enrico-Darsteller Holger Falk am höchsten lag.
Udo Pacolt