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FRANKFURT/ Bockenheimer Depot: AMADIGI von G.F. Händel. Neuinszenierung

am 29.9. (Friedeon Rosén)

30.09.2021 | Oper international

Frankfurt/ Bockenheimer Depot: AMADIGI von G.F.Händel  29.9.2021  Neuinszenierung

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Beth Taylor, Brennan Hall. Foto: Barbara Aumüller

Im Bockenheimer Depot, einer Spielstätte der Oper Frankfurt, erlebte jetzt ‚Amadigi‘, eine frühe Oper von Händels Londoner Zeit, ihre Renaissance. Es ist die Variante einiger späterer Opern, die sich mit der Zauberin Armida, in Rinaldo und Ariodante während der Kreuzzüge auseinandersetzen. In der früheren Form ist Amadigi ein gallischer Ritter, dessen Abenteuer in einigen Epen beschrieben werden. Händels Amadigi wird als eines seiner persönlichsten Werke bezeichnet, die einzig die Liebe in verschiedenen Ausprägungen thematisiert, und was auch in in der Reduzierung des Personals auf vier ProtagonistInnen zum Ausdruck kommt. Es ist eine Opera seria, wenn sie auch eigentlich nicht tragisch endet, zwar mit dem Selbstmord der Zauberin Melissa, für deren unerfüllte Liebe Händel aber in seiner musikalischen einfühsam expressiven Ausgestaltung einige Sympathien hegt. Ihr Zauberreich, in dem sich die anderen Figuren, Amadigi, seine Geliebte Oriana und sein Ritterfreund Dardano verfangen, soll in der Inszenierung von Andrea Bernard ein heutiges Wellness-Areal sein, das ganz auf Wasserkuren und damit auf die angeblich heilende Kraft des Wassers setzt. So kann es auch im Bühnenbild von Alberto Beltrame erscheinen: vor einem Vorhang, hinter dem das Orchester spielt, ein ganz weißer Raum, dem oben das Motto AMANTES AMENTES (Liebende sind Verrückte) nach Publius Terenius  Afers Andria eingraviert ist. Links ein Pool, rechts Duschen, Schränke mit Gläsern und Heilmitteln, rechts eine große Doppeltür. Dieses helle einnehmende Ambiente erweist sich aber schnell gemäß des Mottos eher als Psychoklinik, wo die Insassen auch mit Spritzen und undurchsichtig gemischten Tränken traktiert werden. Melissa gelingt es vorübergehend, das Liebespaar durch Wasserquell-Manipulationen auseinanderzubringen mit Hilfe von Dardano, der Oriana seinerseits liebt, und sich Melissa zum Komplizen andient. Diese entscheidenden Szenen spielen sich, nach einigem Vorgeplänkel, im 2.Teil ab. 

.  Dirigent Roland Böer ist bemüht, das Orchester auch hinter dem meist geschlossenen Vorhang stark zur Geltung zu bringen und bringt die vielgestaltigen Arien und Accompagnati zu großer Wirkung. Für die Begleitung der Rezitative hat er sich unterschiedliche Instrumentenkombinationen erdacht. Zur Begleitung der Zauberin wird etwa nur ein Harmonium verwendet, während Oriana ein kadenzierendes Violoncello erhält. 

Elena Beccaro, die mit dem Regisseur und Bühnenbildner ein bereits erprobtes Team bildet, hat sich besonders für die Zauberin phantastische Kostüme mit langen haarigen Fellen und schlangenhaften Haaren erdacht. Amadigi und Dardano gehen dagegen in Kampfuniformen mit gebatigten Tarnhosen. Oriana erscheint in mädchenhaften Ensembles, falls sie nicht von Melissas Helfern in ein Krankenhaushemd gezwungen wird. Die Wärter der Statisterie agieren grausam genug, und eine Krankenschwester verpaßt die Spritzen.

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Kateryna Kasper, im Hintergrund Elizabeth Reiter. Foto: Barbara Aumüller

Amadigi ist Brennan Hall mit leichtfüßigem manchmal fast ‚wolkigem‘ Counterternor, der aber die vielfältig eingesetzten Koloraturen erst am Ende wirklich exakt plazieren kann. Figürlich erscheint der junge Schwarz-Amerikaner auch gewollt etwas tollpatschig und impulsiv. Mit Kateryna Kasper  ist Oriana hervorragend aus dem Ensemble besetzt. Die äußerst vielfältigen Vailleurs  ihres Sopran setzt sie gekonnt und gefühlvoll ein und brilliert in den Koloraturen. Dabei wirkt sie auch ganz von ihren Gefühlen beherrscht und fast naiv in ihren Liebesträumen, die sie unbedingt zum finalen Erfolg bringen will, was ja gelingt.

Die Melissa ist mit Elizabeth Reiter eher „scharf“ und dabei gleißend besetzt. Sie hat dabei eine enorme dramatische Ader. Auch in den Koloraturen kann sie fast scharf werden, Ihr Stimmumfang ist großartig bei edelmatalischem Timbre.

Der etwas tollpatschige aber auch verschlagene Dardano ist mit Beth Taylor die einzige tiefere Stimme, nämlich ein Mezzosopran. Sie liefert eine gesangliche Feinzeichnung der Rolle und kann ihrerseits bei angenehmem Timbre beachtliche Koloraturen generieren.                       

Friedeon Rosén

 

 

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