Frankfurt: „ARABELLA“ – WA 06.05.2017
Maria Bengtsson, James Rutherford. Copyright: Barbara Aumüller
Nach der Premiere anno 2009 erlebte heute „Arabella“ (Richard Strauss) in der Oper Frankfurt ihre 3. WA. Zur Regie von Christoph Loy führte Hans Walter Richter das neue Ensemble stilsicher durch die szenische Reprise. Ohne Annäherung einer operettenhaften Verwechslungskomödie erlaubt Loy ureigenste Einblicke in die Abgründe einer vom Abstieg bedrohten Familie, bedingt durch die Spielsucht des Herrn Papa. Die nüchterne schnörkellose Bühnenatmosphäre mit den variablen Einsichten der Hotelsuiten, des Ballsaals sowie die kleidsamen eleganten Kostüme lag in Händen von Herbert Murauer. Diese optisch-geniale Assoziation schuf so den idealen Rahmen zur freien vorzüglichen Entfaltung der musikalischen Komponente.
Am Pult des hervorragend disponierten und klangschön aufspielenden Frankfurter Opern- und Museumsorchesters waltete Stefan Soltesz. Der erfahrene Strauss-Dirigent bettete seine Sänger in filigrane Klangpassagen, malte die orchestralen Farben vom ersten bis zum letzten Takt mit kräftigen Pinselstrichen und kostete die wunderbare Partitur in intensiver Transparenz und sprühender Spielfreude voll aus. Schon das Vorspiel offenbarte die Absicht dem Werk eine kammermusikalische Lesart zu dotieren, was allerdings kein instrumentales Understatement zu Folge hatte, ganz im Gegenteil der lichte Orchesterklang blieb stets körperhaft und von akribischer Differenzierung.
Glanzvoller Mittelpunkt der Gesangsolisten war unweigerlich Maria Bengtsson als glaubwürdige ausdrucksstarke Arabella. Höhensicher und souverän gestaltete die Debütantin die Partie mit mädchenhafter Attitüde, aristokratisch im Erscheinungsbild in dezenter Gestik prägte sie ihre Auftritte und verschmolz in wunderbarer Gesangslinie zu überzeugendem Profil der Figur. In bester Diktion führte Bengtsson ihren geschmeidigen Sopran durch alle Register, erwies sich als ideale Strauss-Interpretin mit schlanker Mittellage und herrlichen Piani. Dank ihres warmen farbenreichen Timbres, der fein-nuancierten Zwischentöne avancierte die Sängerin nicht nur vokal auch optisch zur bezaubernd- subtilen Arabella-Identifikation.
Auch Brenda Rae gab als Zdenka ihr umjubeltes Debüt. Bezaubernde jungmädchenhafte Züge verlieh sie der Figur, köstlich im maskulinen Bemühen des Zdenko. Intonationssicher brachte die Sängerin ihren herrlich timbrierten Sopran zum Leuchten, Klingen in transparente Sphären aufschwingend. Zur elitären Vokalqualität verstand es Rae eindrucksvoll in vorbildlicher Textgestaltung der Partie eine besondere Prädikation zu schenken.
Dem urigen Potenzial des Landadels aus den slawonischen Wäldern blieb James Rutherford in köstlich ungelenk-schüchterner Naivität, der Wandlung zum feinfühligen charakterstarken Ehegatten nichts schuldig. Klang sein Bassbariton zu Beginn tonal noch etwas ungelenk steigerte sich der vielseitige Sänger in beachtliches musikalisches Charakterisieren der Partie.
Sein mächtiges dunkles Potenzial gewann allmählich an Farbfülle, weich-melodischen frei strömenden Aufschwüngen.
Dem hohen sanglichen Niveau wurde Nora Friedrichs mit der unverschämt vertrackten Partie der Fiakermilli trotz optischem Kabinettstück, vokal in keiner Weise gerecht.
Als vokal intaktes und darstellerisch pointiertes Elternpaar präsentierten sich mit fokussiertem Mezzoton Barbara Zechmeister (Adelaide) sowie bassbaritonal markant Alfred Reiter (Graf Waldner). Aufhorchen ließ ebenso Alison King als Kartenaufschlägerin.
Die undankbare Partie des Matteo mit der unangenehm hohen Tessitura bewältigte Peter Marsh in tenoraler Souveränität zufriedenstellend. Vokal recht neutral umwarben die Verehrer Ingyu Hwang (Elemer) und Dietrich Volle (Dominik) die Angebetete, zumindest vokale Chancen hätte man dem schönstimmigen Bass Thomas Faulkner (Lamoral) einräumen können.
Klangvoll fügten sich die Stimmen Thesele Kemane, Johannes Lehner, Marcus Hosch und Mirkolaj Trabka in den Rollen der Diener und des Kellners sowie Mitglieder des wenig geforderten Opernchores ins turbulente Geschehen.
Prasselnder zehnminütiger Applaus und Bravochöre für Bengtsson, Rae, Rutherford und Soltesz ließen die Wände erzittern.
Fazit: eine in jeder Phase anspruchsvolle, beglückende und empfehlenswerte Produktion deren Folgeaufführungen am 10./13./19./27. Mai (19h) sowie am 04. Juni (18h) man sich nicht entgehen lassen sollte.
Gerhard Hoffmann